Offb 22,17
C.H.Spurgeon
,,Wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst."
Off. 22, 17.
Jesus spricht: ,,Nehmet umsonst." Er verlangt weder Bezahlung
noch Vorbereitung. Hast du auch keine guten Gefühle; wenn du
dich nur willig finden lässest, so bist du eingeladen; darum
komm! Du hast keinen Glauben und keine Reue: komm zu Ihm, und Er
wird sie dir schenken. Komm gerade, wie du gehst und stehst, und
nimm ,,umsonst," kaufe ohne Geld und umsonst. Er schenkt sich
denen, die Ihn nötig haben. Die Trinkbrunnen auf den
öffentlichen Straßen und Plätzen großer Städte sind eine
herrliche Einrichtung; und wir können uns kaum einen solchen
Toren denken, der schmachtend vor Durst vor einem solchen
Brunnen stünde, und erst nach seinem Beutel griffe und dann
ausriefe: ,,Ich darf nicht trinken und kann nicht trinken, denn
ich habe keine zehn Thaler in der Tasche." Wie arm auch der
Mensch sein mag, hier steht der Brunnen, und er darf davon
trinken, wie er will. Alle Durstigen, die vorübergehen, seien
sie nun in grobes Halbleinen oder in Samt und Seide gekleidet,
kommen, und schauen sich nicht erst nach irgend einer Erlaubnis
um, ob sie trinken dürfen; der Brunnen steht ja dazu da, und das
ist Erlaubnis genug, um das Wasser umsonst zu nehmen. Der
freigebige Sinn einiger wohlwollender Freunde hat das
erfrischende, kristallhelle Labsal hierher gestiftet, und wir
nehmen es und brauchen keine weitere Erlaubnis. Die einzigen
Personen vielleicht, die dürstend durch jene Straßen kommen, wo
solche öffentliche Freibrunnen errichtet sind, sind die
vornehmen Damen und Herren, die in ihren Vierspännern
vorüberfahren. Sie sind vielleicht sehr durstig, aber sie
dürfen's nicht wagen, sich so gemein zu machen, um wegen eines
Labetrunks auszusteigen. Es würde sie verunehren, meinen sie,
wenn sie an einem öffentlichen Brunnen trinken würden: und so
fahren sie vorüber mit lechzenden Lippen. Ach, wie viele gibt's,
die sich reich dünken an guten Werken und die darum nicht zu
Christo kommen können! ,,Ich will," sagen sie, ,,nicht auf
gleiche Weise selig werden wie der Ehebrecher und Gotteslästerer.
Wie, ich soll auf demselben Wege in den Himmel kommen, wie jeder
Bettler? Gibt's denn nicht noch einen andren Weg zur
Herrlichkeit, als den Weg, auf dem alle Diebe mitlaufen? So will
ich nicht selig werden." Solche stolze Pocher müssen ohne das
Lebenswasser bleiben; aber ,,Wer da will, der nehme das Wasser
des Lebens umsonst."
C.Eichhorn
Das aufrichtige Verlangen nach Leben
Wen dürstet, der komme, und wer da will, der nehme das Wasser
des Lebens umsonst. Offb. 22, 17
"Wen dürstet." Durst ist ungestilltes Verlangen, das
gebieterisch Befriedigung erheischt. Es gibt nichts
Unerträglicheres als brennenden Durst. Auch in unserer Seele
soll ein solch unbezwingliches Verlangen sein nach dem Leben
aus Gott. Gott läßt den Menschen sein inneres Elend durchs
Wort und durch äußere Nöte empfinden. Doch erst unter dem
Druck der Sündenschuld fängt die Seele an, nach Stillung
durch Christus zu schreien. - "Wen dürstet, der komme!" Es
ist die letzte Einladung aus dem Mund Jesu. Wenn er einlädt,
dann darf man, ja soll man kommen. Die Einladung des
höchsten Königs darf man nicht ausschlagen. Selig sind, die
da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit Gottes! Es
gibt nichts Schrecklicheres als die Sattheit. Sie ist das
Kennzeichen innerer Erstorbenheit und die erste Station zum
geistlichen Tod. - "Wer da will, der nehme das Wasser des
Lebens!" Ein ganzes Wollen ist notwendig. Gar viele wollen
schließlich einmal selig aus der Welt gehen, aber nicht jetzt
und heute in den Besitz der Seligkeit kommen. Ihr Wollen ist
mehr nur ein Wünschen. In der menschlichen Seele sind
allerlei Strömungen. Dazwischen macht sich auch eine
Strömung geltend nach oben hin. Aber wenn diese nicht die
alles beherrschende wird, gewinnen die anderen Strömungen
bald wieder die Übermacht. Man findet oft suchende Seelen.
Sie wollen Jesus, aber das Irdische, Weltliche wollen sie
auch. Es ist nicht so einfach, sich über das innerste Wollen
klarzuwerden. Erst wenn gewisse Proben kommen, wird es klar,
was der Mensch eigentlich will. Z. B. in Krankheitsfällen
zeigt es sich oft, daß der innerste Wille doch nur aufs
Gesundwerden gerichtet ist. - Gerade aufrichtige Menschen
bekennen, daß sie im Grunde doch nicht ganz wollen. Sobald
jemand ganz will und nichts anderes will als Jesus, dann ist
die Sache gewonnen. - Dringen wir durch zum entschiedenen
Wollen! Gott schafft das Wollen, aber nur in denen, die
aufrichtig sich über ihr Nichtwollen beugen. In gewissem
Sinne ist die Seligkeit in den Willen der Menschen gelegt:
"Wer will, der nehme!" Die Gabe Gottes kann man sich nicht
selbst erwerben oder verdienen. - Der Herr Jesus kennt das
Menschenherz, das sich so schwer entschließt, einfach wie ein
Kind zu nehmen. Darum setzt er noch hinzu: "umsonst". Der
Wahn des eigenen Verdienstes steckt so tief im Menschenherzen
drin. Aus allem, sogar aus dem Beten, macht der Mensch ein
Verdienst und meint, er könne Gott dadurch bewegen. Und doch
ist das Beten, recht betrachtet, nur die Hand, die
glaubensvoll ergreift, was uns die göttliche Huld zugedacht
hat. - Das Wörtlein "umsonst" schließt in sich einen
köstlichen Trost. Die höchste Gabe kann jeder haben, wer nur
redlich will. Es liegt aber darin auch eine schwere
Verantwortung. Es kann niemand sagen: Der Preis war zu hoch
und für mich unerschwinglich. Du kannst das Leben aus Gott
umsonst haben, wenn du nur willst.