Offb 22,11
C.H.Spurgeon
Wer böse ist, der sei fernerhin böse, und wer unrein ist,
der sei fernerhin unrein. Off 22, 11.
Ein gelebter Glaube, die "Religion in der Gegenwart", ist
etwas, was der Gegenwart angehört, weil die Gegenwart so innig
mit der Zukunft verknüpft ist. In der Schrift heißt es, daß
dieses Leben die Saatzeit ist und die Zukunft die Ernte. "Wer
auf das Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben
ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geiste das
ewige Leben ernten." So heißt es an anderer Stelle: "Die mit
Tränen säen, werden mit Freuden ernten." Es wird immer in der
Schrift vorausgesetzt, daß dieses Leben die Zeit der Erzeugung,
wenn ich so sagen darf, des zukünftigen Lebens ist; wie der
Same die Pflanze hervorbringt, so bringt das gegenwärtige Leben
das zukünftige hervor. Himmel und Hölle sind doch eigentlich
nichts anderes als die Entwicklung unseres gegenwärtigen
Charakters, denn was ist die Hölle anders als dies: "Wer unrein
ist, der sei fernerhin unrein, und wer unheilig ist, der sei
fernerhin unheilig?" Wissen wir nicht, daß im Inneren jeder
Sünde die Verdammnis schlummert? Ist es nicht eine furchtbare
Wahrheit, daß der Keim der ewigen Qual in jedem unzüchtigen
Verlangen, jedem unheiligen Gedanken, jeder unreinen Handlung
liegt? Ja, die Hölle ist nur der große Ausbruch der
schlummernden Lava, die vorher nur im Innern des Herzens getobt
hatte; wenn aber der Berg bis hoch an seinen Gipfel mit
lieblichem Grün bedeckt ist, so kommt der Tod und heißt die
Lava hervorkommen; und hinab die abschüssige Bahn eines
unveränderlichen Zustandes wälzt sich die feurige Flamme und
die heiße versengende Lava des ewigen Zornes. Aber sie war
schon vorher da, denn die Sünde ist die Hölle und die Empörung
gegen Gott ist nur das Vorspiel des Elends. So ist's auch mit
dem Himmel. Ich weiß, der Himmel ist ein Lohn, nicht aus
Verdienst, sondern aus Gnaden; dennoch hat der Christ schon
jetzt etwas Himmlisches in sich. Was sagte Christus? "Ich gebe
meinen Schafen das ewige Leben." Er sagte nicht: "Ich werde es
ihnen geben", sondern: "Ich gebe es ihnen. Sobald wie sie an
mich glauben, gebe ich ihnen das ewige Leben," und "wer da
glaubt, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das
Gericht." Der Christ hat die Saat eines Paradieses in seinem
Herzen; zur rechten Zeit wird sein Gewächs aus der harten
Erdscholle hervorbrechen und er wird ernten. Geht denn hieraus
nicht hervor, daß das Leben in Gott etwas ist, das wir hier
haben müssen? Ist es nicht mit großer Deutlichkeit geoffenbart,
daß dies Leben schon für die Gegenwart von der höchsten
Wichtigkeit ist? Denn ist dieses Leben die Saatzeit für die
Ewigkeit, wie kann ich dann erwarten, in der anderen Welt etwas
anderes zu ernten, als was ich hier gesät habe? Wie kann ich
hoffen, daß ich einst selig sein werde, wenn ich nicht jetzt
schon selig bin? Wie kann ich erwarten, daß der Himmel mein
ewiges Erbteil sein werde, wenn nicht der Vorgeschmack des
Himmels schon auf Erden in meiner Seele ist?