Offb 2,15
C.H.Spurgeon
Die Pflichten der Religion.
,,So hast auch du solche, die in gleicher Weise die Lehre
der Nikolaiten festhalten." Offenb. 2, 15.
Was sind eigentlich die Pflichten der Religion? Dies sind
zuerst Pflichten, die der eine gegen den andern zu erfüllen
hat, nämlich "züchtig, gerecht und gottselig zu leben in dieser
gegenwärtigen argen Welt." So leicht wie einige Leute über die
Moral oder gegen die Moral sprechen mögen, es gibt nun einmal
keine wahre Frömmigkeit, wo kein moralisches Leben ist. Sage
mir nichts von deiner gesunden Lehre, sage mir nichts von
deinen Gebeten im Verborgenen und deiner verborgenen
Frömmigkeit; ist dein Leben schlecht, so bist du ganz und gar
schlecht. Ein guter Baum kann nichts anderes hervorbringen,
als gute Früchte, und ein fauler Baum muß faule Früchte
hervorbringen. Das ist keine Frage; wie dein Leben ist, so
bist du - wes das Herz voll ist, des geht der Mund über und
wes das Herz voll ist, des geht auch das Leben über. Es ist
alles umsonst, daß du meinst, das wäre doch eine sehr starke
Behauptung, auch die Besten wären schwache Menschen u. s. w.
Das sind sie allerdings, auch die allerbesten Menschen werden
sündigen, aber sie werden nicht vorsätzlich sündigen; wenn sie
öffentlich sündigen, so wird das nur eine Ausnahme sein; ihr
Leben wird durch die Kraft der göttlichen Gnade heilig, rein
und gerecht sein.
Der Teufel liebt die, welche die Gnade aus Mutwillen ziehen.
Er liebt die römische Kirche und spricht: "Predige nur zu,
Priester; es ist mir ganz gleichgültig, was du predigst, denn
du gehörst doch meinem Reich an. Du sagst den Leuten, sie
können in Sünden leben und dann für einige Groschen Absolution
empfangen! Diese Lehre gefällt mir!" Und er klopft dem Priester
auf die Schulter und gibt ihm allen seinen Beistand.
Dann aber kommt ein anderer auf die Kanzel, der die Freiheit
der Christen von der Pflicht predigt. Der Teufel sagt: "Nun,
wenn der auch gegen den Papst in Rom Scheltworte spricht, so
habe ich sie doch beide gern, den einen ebensosehr, wie den
andern." Und wie predigt dieser doch! Er fängt an mit der
Rechtfertigung aus dem Glauben allein, aber er geht dann mit
seinen Argumenten einen Schritt zu weit, denn er fängt dann an
gegen die guten Werke loszuziehen, nennt diejenigen gesetzlich,
die es für ihre Pflicht halten, ein heiliges Leben zu führen
und gibt mit selbstgefälligem Lächeln zu verstehen, daß es auf
den guten Wandel wenig ankomme, wenn man nur die Wahrheit
festhalte und seine Kapelle besuche. "Predige nur weiter," sagt
der Teufel, "ich habe beide Dinge gern, den Antinomismus und
den Papismus, denn es sind zwei der probatesten Mittel, um
Seelen zu verderben." Wiederum sage ich: "Irret euch nicht,
Gott läßt sich nicht spotten; was der Mensch sät, das wird er
auch ernten." Durch unsere Werke werden wir nicht
gerechtfertigt, aber nach unsern Werken werden wir dennoch
gerichtet werden und durch unsere Werke werden wir verdammt
werden. So spricht die Schrift und wir müssen es glauben.