1Jo 3,17
W.MacDonald
»Wer aber der Welt Güter hat und sieht seinen Bruder
Mangel leiden und verschließt sein Herz vor ihm, wie
bleibt die Liebe Gottes in ihm ?« 1. Johannes 3,17
In medizinischen Kreisen wäre es undenkbar, daß einer
ein Heilmittel für Krebs wüßte und es nicht sofort allen
Krebskranken in der Welt mitteilen würde. Denn wenn man
dieses Wissen für sich behielte, wäre das gefühllos und
unmenschlich.
Der Apostel Johannes zeichnet ein ähnliches Bild im Bereich
des Geistlichen. Hier ist ein Mann, ein bekennender Christ,
der einen ansehnlichen Reichtum angesammelt hat. Er lebt in
Luxus und Bequemlichkeit und läßt es sich wohl sein. Um ihn
herum ist eine Welt voll riesiger geistlicher und materieller
Not. Millionen in der Welt haben noch nie vom Evangelium
gehört. Sie leben in Dunkelheit, Aberglauben und
Hoffnungslosigkeit. Viele von ihnen leiden unter
Hungersnöten, Kriegen und Naturkatastrophen. Der reiche Mann
übersieht alle diese Not einfach. Er ist fähig, all das
Stöhnen und Schluchzen der leidenden Menschheit zu überhören.
Er könnte wohl helfen, wenn er wollte, aber er hält sein Geld
lieber zusammen.
An dieser Stelle läßt Johannes die Bombe platzen! Er fragt
geradeheraus: »Wie bleibt die Liebe Gottes in ihm?« Natürlich
wohnt die Liebe Gottes nicht in ihm. Und wenn von ihr nichts
mehr zu spüren ist, dann hat man guten Grund, daran zu
zweifeln, ob dieser Mann überhaupt noch ein wirklicher
Gläubiger ist.
Das ist eine sehr ernste Sache. Die Gemeinde von heute
feiert den reichen Mann, beruft ihn in den Kreis der Ältesten
der Gemeinde, zeigt ihn den Besuchern vor. Es herrscht die
allgemeine Grundeinstellung: »Es ist doch immer nett, reiche
Christen zu sehen.« Aber Johannes fragt: »Wenn er wirklich
ein Christ ist, wie kann er dann an all dem überflüssigen
Reichtum festhalten, wenn doch so viele Menschen nach Brot
schreien und vor Hunger sterben?«
Mir scheint, dieser Vers zwingt uns, einen der folgenden zwei
Wege einzuschlagen. Einerseits können wir die klare
Bedeutung der Worte des Johannes zurückweisen, die Stimme des
Gewissens unterdrücken und den Mann verurteilen, der es wagt,
eine solche Botschaft weiterzusagen. Oder aber wir können
das Wort mit Demut aufnehmen, unseren Reichtum dazu benutzen,
den Nöten unseres Bruders abzuhelfen, und dann ein reines
Gewissen gegenüber Gott und den Menschen haben. Der
Gläubige, der mit einem bescheidenen Lebensstandard zufrieden
ist, so daß alles, was darüber hinausgeht, in die Arbeit des
Herrn fließen kann, der kann in Frieden mit Gott und mit
seinem bedürftigen Bruder leben.