1Jo 3,14
C.Eichhorn
Frucht des Heilsbesitzes
Wir wissen, daß wir aus dem Tode zum Leben hindurchgedrungen
sind; denn wir lieben die Brüder. 1. Joh. 3, 14
Unsere christliche Gewißheit ruht nicht eigentlich auf unserm
Verhalten. Doch ist unser Verhalten ein deutliches Merkmal,
aus dem wir und andere erkennen können, daß wir Gotteskinder
sind und Leben aus Gott besitzen. An der Frucht erkennt man
den Baum. Das Leben aus Gott äußert sich im Lobe Gottes und
in der Liebe. Der lebendige Glaube bewirkt eine gänzliche
Umwandlung. Man denkt anders, man fühlt anders, man hat ein
ganz anderes Wollen und Trachten als zuvor. Wiedergeborene
stehen nicht mehr in der Rebellion gegen Gott, sondern im
Gehorsam des Kindes gegen den Vater. Besonders aber erweist
sich jemand als Gotteskind durch die Liebe. Die Liebe ist
das eigentlichste Wesen Gottes, sie ist darum auch das
Element, in dem ein Gotteskind sich bewegt. Fühlst du
dich so recht von Herzen wohl in der Gemeinschaft von
Gotteskindern, dann bist du gewiß auch selbst eins.
Weltkinder fühlen unter Gotteskindern ein gewisses Unbehagen,
das sich bis zu einem förmlichen Widerwillen steigern kann.
Die Liebe besteht jedoch nicht nur in einem Herzenszug zu
Gleichgesinnten, sie muß sich auch beweisen in der Tat. Wenn
Gotteskinder miteinander in näherer Verbindung sind, so gibt
es auch Störungen, Mißverständnisse und Mißhelligkeiten, die
aus dem alten Wesen stammen. Da heißt es nun durch Liebe die
aufsteigenden Regungen des Unwillens überwinden und auch
solche lieben, die uns öfter betrüben oder sonst abstoßend auf
uns wirken. Wer seinen Bruder haßt, ist kein Gotteskind. Der
Haß kommt vom Teufel, wie Kains Beispiel zeigt. Wer gehässig
ist und seiner Gehässigkeit freien Lauf läßt, der sage ja
nicht, daß er ein Gotteskind wäre. Sonst ist er ein Lügner. Er
mag Leben gehabt haben, aber er hat es verloren, weil er sein
Herz gegen den Bruder verschlossen und der finsteren Abneigung
geöffnet hat. "Hat jemand die Güter der Welt und sieht seinen
Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu - wie bleibt
die Liebe Gottes in ihm?" Sie verläßt ihn. Er fällt aus der
Gemeinschaft mit Gott und wird ein Kind der Hölle zwiefach
mehr als zuvor. Jeder, der von Gott geboren ist, kann sich
überhaupt der Sünde nicht mehr hingeben. Kommt Sünde vor, so
schmerzt sie ihn; er empfindet sie als etwas, das seinem
innersten Wesen fremd ist. Er will sie los sein und recht tun
von Herzen. Das ist und bleibt ein unzweideutig sicheres
Erkennungszeichen eines Gotteskindes. Es kann damit sein Herz
stillen, sobald dasselbe es verdammen will. Es darf sagen:
Herr, du weißt, daß ich dich liebhabe im tiefsten
Herzensgrunde und nichts anderes will als in allem dir
wohlgefallen (1. Joh. 8, 19.20). Und so bin ich dennoch dein
Kind, auch wenn mein Herz es mir abstreiten will. Hüten wir
uns vor falscher Heilsgewißheit! Diese gründet sich auf ein
Erlebnis der Vergangenheit (Taufe, Bekehrung oder
Gnadenerfahrung). Jetzt müssen wir die untrüglichen
Kennzeichen eines Gotteskindes an uns haben (1. Joh. 2, 9).
C.O.Rosenius
Wir wissen, daß wir aus dem Tod in das Leben gekommen sind,
denn wir lieben die Brüder. 1. Joh. 3, 14.
Hat deine Bekehrung zum Herrn und hat dein Glaube an die
Gnade in Christus die Frucht zur Folge gehabt, daß du eine
neue, innige Liebe zu den Kindern Gottes erhalten hast,
nicht nur zu einem Christen, der dir vielleicht etwas Gutes
tat oder dich zu schätzen weiß oder der eine natürliche
Liebenswürdigkeit besitzt, die dich einnimmt, sondern
überhaupt zu allen denen, die du Jesus lieben oder suchen
siehst, so daß diese nun dein neues Geschlecht, deine
Geschwister sind? Diese Tatsache allein beweist viel mehr
als die herrlichsten Werke, daß eine Neugeburt aus dem Geiste
Gottes in deiner Seele vor sich gegangen ist. Es scheint dir
vielleicht nicht, daß du ein Kind Gottes sein könntest, da
dein Christentum dir gar zu mangelhaft vorkommt; aber alle
diese Mängel und dieses dein Meinen bedeuten nichts gegen
Christi Worte von diesem Zeichen.
Bist du hingegen wohl aus deinem alten Sündenschlaf erwacht
und hast dich auch von deinen Irrwegen zum Wege der
Gottesfurcht, zum Wort Gottes, zum Gebet und zur Buße
bekehrt, willst du mit anderen suchenden Seelen aber nichts
zu tun haben, sondern gedeihst am besten für dich allein -
wie du sagst, ,,mit Gott und dem Worte" - so scheint dies
gewiß sehr wacker und geistlich, aber es streitet ganz gegen
das Hauptmerkmal der Gnade Gottes, und damit ist deine
Bekehrung fürwahr falsch und selbstgemacht. Wäre deine
Bekehrung ein wahres Werk des Geistes, dann hätte sie auch
,,die Liebe zu den Brüdern"; dann würdest du über dich selbst
so niedergeschlagen sein, daß du andere suchende Mitmenschen
für besser als dich ansähest. Wäre das Blut des Lammes dein
einziger Trost und Ruhm geworden, wärest du in ,,der engen
Pforte" gewesen, wo sowohl deine Sünde als auch deine
Gerechtigkeit durch das Blut des Sohnes Gottes vernichtet
worden sind, und wäre dein Herz durch die überfließende
Gnade recht selig gemacht worden - kurz, lebtest du in der
Bekehrung, in der du abnähmest und Christus zunähme, dann
würdest du in dieser großen und für alle gemeinschaftlichen
Gabe mit allen Miterben so zusammenschmelzen, daß du fürwahr
,,ein Herz und eine Seele" mit ihnen würdest, wie es die
ersten Christen waren.
Hören wir aber weiter: Hast du auch einige Brüder, die dir
darum gefallen, weil sie in einer gewissen wichtigen Frage
mit dir einig sind, ist es aber nicht die Neugeburt aus Gott,
ist es nicht die große Gnade in Christus, die euch vereinigt,
dann ist dieses nicht die rechte, auszeichnende Liebe. Denn
Johannes sagt ausdrücklich: ,,Wer da liebt den, der ihn
geboren hat, der liebt auch den, der von Ihm geboren ist",
womit er zu verstehen gibt, daß die rechte Liebe zu den
Brüdern ihren Blick darauf gerichtet hat, daß sie von Gott
geboren sind und gerade darum auch geliebt werden, wie er
hinzufügt: ,,Daran erkennen wir, daß wir Gottes Kinder
lieben, wenn wir Gott lieben und Seine Gebote halten," d.h.,
wenn wir sie um des gemeinsamen lieben Vaters willen lieben.
Wer diesen Umstand nicht beachtet, muß sich gewiß betrügen
wollen - und wird auch betrogen werden!
Wie herrlich hingegen, wenn du dir bewußt bist, daß du die
Brüder gerade wegen des Gnadenwerkes in ihrem Herzen liebst -
ja, wenn deiner armen, elenden Bekehrung dennoch gleichsam
von selbst diese Frucht gefolgt ist, daß alle Gläubigen dein
neues Geschlecht, deine neuen geliebten Brüder geworden sind,
die dir so liebenswürdig erscheinen, daß dich oft dünkt,
nur du seiest ihrer Liebe unwürdig. O, welch ein seliger
Zustand! Wohl kannst du einen gewissen Bruder haben, den du
am meisten liebst, wie ja auch Jesus vorzugsweise Johannes
liebte; bei allen aber, die den Heiland suchen und lieben,
wird sich immer etwas finden, was sie dir so köstlich macht,
daß sie alle deine Brüder sind, und daß ihr Wohl und Wehe
dein eigenes ist. Mit der ,,allgemeinen Liebe" kannst du
wünschen, wenn es möglich wäre, allen Menschen zu dem
höchsten Gut zu verhelfen, das du kennst; mit der
,,brüderlichen Liebe" aber bist du in einer besonderen Weise
mit denen vereinigt, die mit dem Heiland in Vereinigung
stehen. Sieh, eine solche Liebe beweist: Wie übel es auch
sonst mit deinem Christentum aussehen mag, so ist Christus
doch dein Leben, und bei all deinen Mängeln wohnt Christi
Geist doch in deinem Herzen. Obwohl die Liebe vom Geist in
unseren Herzen geboren ist und aus unserer Vereinigung mit
dem Heiland wächst, bedarf sie doch, wie alle Geistesfrüchte,
wohl gepflegt und bewahrt zu werden. Daher alle Ermahnungen
und Aufforderungen der Schrift zur Liebe!
Wie diese Liebe aber eine so bezeichnende Frucht des wahren
Lebens in Christus ist, so ist sie auch stets von diesem
Leben abhängig, Solange ich in gesunder Übung der Buße und
des Glaubens stehe, liebe ich auch die Brüder. Wenn aber ein
irdischer Sinn bei einem Christen überhandzunehmen anfängt,
so daß er nicht mehr in täglicher Übung der Sündenerkenntnis
und des Umfassens der Gnade lebt, dann fängt er auch sogleich
an, kalt gegen die Brüder zu werden und statt der in ihnen
wohnenden Gnade mehr ihre Fehler zu sehen.
Des Marterlammes Fleisch und Blut,
Am Kreuzaltar dahingegeben,
Das hier und bis ins ew'ge Leben
Unendlich große Wunder tut:
Das ist's, was uns zusammenbind't;
Das kann zu solcher Lieb entflammen,
Daß Seine Gläubigen zusammen
Ein Herz und eine Seele sind.
C.O.Rosenius
Wir wissen, daß wir aus dem Tod in das Leben gekommen sind.
1. Joh. 3, 14.
Wer ein Christ sein will, die Gewißheit der Vergebung der
Sünden aber nicht sucht, sondern sich damit zufriedengibt,
immer in Ungewißheit seiner Begnadigung zu sein, der ist
gewiß nicht recht wach, sondern entweder ein schlafender
Heuchler oder wenigstens ein schläfriger Christ. Es liegt
dies in der Natur der Sache. Die Braut, die sich
zufriedengibt, ohne der Herzensgesinnung des Bräutigams
gewiß zu sein, hat keine rechte Liebe. Es ist darum ein
bezeichnendes Merkmal der Unbußfertigkeit, gleichwie es auch
eine der Entschuldigungen der Unbußfertigen ist, daß sie
die Möglichkeit und die Wirklichkeit dieser Gewißheit der
Vergebung der Sünden geradezu leugnen und sie für lauter
Vermessenheit, geistlichen Hochmut und Einbildung erklären.
Luther sagt: ,,Wenn Kain dies Bekenntnis hört (daß ein Christ
die Gewißheit seiner Begnadigung preist), so wird er sich
segnen mit Händen und Füßen und sprechen: Ei, behüte mich
Gott vor solcher Vermessenheit, daß ich sagen sollte, ich sei
ein Kind Gottes! Nein, ich will mich demütigen und mich für
einen armen Sünder erkennen, und Gott wird die Demütigen
ansehen!" Aber die Schrift sagt: ,,Wir wissen, daß wir aus
dem Tod in das Leben gekommen sind" - ,,Wir erkennen, daß
wir aus der Wahrheit sind" - ,,Wir wissen, daß Er in uns
bleibt" - ,,Wir wissen, daß wir von Gott sind". - ,,Wir
wissen, daß der Sohn Gottes gekommen ist und hat uns einen
Sinn gegeben, daß wir erkennen den Wahrhaftigen, und wir sind
in dem Wahrhaftigen, in Seinem Sohn Jesus Christus."
Wir wissen, daß wir Gottes Kinder sind und die Vergebung der
Sünden und das ewige Leben haben. ,,Darum", sagt Luther
wiederum, ,,sollen wir uns befleißigen, daß wir gründlich mit
Wurzeln und allem ausrotten mögen den schädlichsten Irrtum,
womit die ganze Welt verführet ist, nämlich diesen Wahn, daß
der Mensch nicht wissen solle, ob er in oder außer der Gnade
sei." Aber dieser Irrtum rührt nicht vom Verständnis her,
sondern vom Herzen, nicht von einer Unklarheit, denn die
Schrift redet überall so deutlich davon, sondern von der
Unbußfertigkeit des Herzens. Diejenigen, die diese Gewißheit
der Gnade Gottes weder besitzen noch suchen, wollen die
Möglichkeit derselben leugnen. Und wenn man diese Gewißheit
auch nicht leugnet, so ist es doch, wie oben gesagt, kein
gutes Zeichen, wenn man sie nicht sucht, sondern sich mit
seiner Ungewißheit zufriedengibt.
Wenn aber ein Mensch auch redlich ist, nach der Gerechtigkeit
hungert und dürstet, so ist es dennoch ein großer Mangel und
Schade in seinem Christentum, wenn er seiner Begnadigung
nicht gewiß ist. Es ist wahr, er kann wohl Gnade haben; es
ist wahr, was Luther sagt, daß ,,die Vergebung der Sünden
zweierlei ist, teils verborgen bei Gott, teils von der Seele
erkannt und ihr offenbar"; es ist wahr, daß Christus der
Sünderin, die zu Seinen Füßen lag, zuvor vergeben und dies
dem Simon mitgeteilt hatte, bevor Er sich an sie wandte und
zu ihr sagte: ,,Deine Sünden sind dir vergeben." Ja, es ist
wahr, daß eine gnadenhungrige Seele die Vergebung der Sünden
hat, bevor sie es weiß oder es glaubt, denn ,,selig sind, die
da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit." Aber recht
wohl steht es erst, wenn der Mensch auch die Gewißheit seiner
Begnadigung empfängt. Denn bevor dies nicht geschieht, wird
das ,,Reich Gottes" nie recht im Herzen sein; denn ,,das
Reich Gottes ist Gerechtigkeit und Friede und Freude im
Heiligen Geist". Bevor dies nicht geschieht, kann er nie
Kraft erhalten, nie Gott recht lieben, Ihm danken und Ihn
preisen, nie recht vor Ihm wandeln. Man hat wohl durch einen
schwachen Glauben dieselbe Gerechtigkeit wie durch einen
starken, nicht aber dieselbe Heiligung; denn die Heiligung,
die Kraft und die Früchte des Geistes hängen immer von der
Gewißheit und der Stärke des Glaubens ab. ,,Freude am Herrn
ist eure Stärke." Wie wichtig ist es darum, daß alle
rechtschaffenen Kinder Gottes zur vollen Gewißheit ihrer
Begnadigung gelangen!
Wer nun diese selige Glaubensgewißheit begehrt, der achte
genau auf den rechten Weg dazu. Der einzige Weg zur
Glaubensgewißheit ist der, Gott beim Wort zu nehmen oder mit
dem Glauben des Herzens das nachzusprechen, was Gott vorsagt.
Einer der alten Kirchenväter äußert: ,,Wie sicher und gewiß
bin ich, wenn ich nur das nachspreche, was mein Gott mir
vorsagt!" Paulus bezeugt, daß ,,der Glaube aus der Predigt
kommt". Der rechte Glaube und die Gewißheit entstehen in der
Weise, daß ich in bezug auf die Gnade Gottes nur durch das
getröstet, froh und gewiß werde, was Christus getan und Gott
bekräftigt hat, und daß ich diesen Trost erhalte, bevor ich
mich für würdig halte, glauben zu dürfen, und während ich
noch meine, daß mir allzuviel fehlt, ja, während ich noch
nicht daran denke zu glauben. Christus sagt, daß der
verlorene Sohn noch ferne von dannen war, als ihn der Vater
mit Seiner Gnade und Barmherzigkeit überraschte. Nachdem man
so in Christus und im Worte Trost erhalten hat, kann man auch
die Wirkungen und Eigenschaften des Glaubens bei sich finden,
wie Johannes sagt: ,,Wer da glaubt an den Sohn Gottes, der
hat solches Zeugnis bei sich." Die erste und die eigentliche
Glaubensgewißheit muß aber immer durch das Wort entstehen,
vor allen Früchten des Glaubens.
Selig, wer in Jesu Wunden
Seine Gnadenwahl erblickt.
Selig, wer den Schatz gefunden,
Der uns ewiglich beglückt!
Selig, wer sich täglich reinigt
Durch des Opferlammes Blut
Und mit Ihm, dem höchsten Gut,
Sich im Glauben fest vereinigt.
Solcher Gnadenkinder Los
Führt in Jesu Arm und Schoß!