1Jo 3,4
C.Eichhorn
Das Wesen der Sünde
Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das
Unrecht. 1. Joh. 3, 4
Hier öffnet uns der Apostel einen Blick in das Wesen der
Sünde. Sie ist eine Mißachtung und Auflehnung gegen das
Gesetz Gottes. "Unrecht" bedeutet eigentlich Gesetzlosigkeit
oder -widrigkeit.
Wie seicht und oberflächlich sind der Menschen Vorstellungen
über das, was Sünde ist! Man sieht in ihr eine Schwäche.
Statt von Sünde spricht man überhaupt lieber nur von Fehlern,
die verzeihlich sind, und die man sich selbst vor allem gern
nachsieht. "Es hat eben jeder seine Fehler." Gern bürdet man
sie auch den Eltern auf und beruhigt sich mit "erblicher
Belastung". Gar viele trösten sich bei ihren Fehltritten mit
ihrer Naturanlage: So bin ich nun einmal, was kann ich dafür?
Viele wollen überhaupt nichts von Sünde wissen. Jeder, so
sagen sie, hat das Recht, sich auszuleben. Woher kam der
tiefe Sturz unseres Volkes? Weil viele nicht mehr wissen,
was Sünde ist. Sie haben Gott und Gewissen verloren.
Die Sünde ist nicht nur ein Fehltritt, eine Verirrung oder
auch ein Unrecht gegen andere, sie ist eine Verletzung der
heiligen Gerechtigkeit Gottes, eine Majestätsbeleidigung des
höchsten Königs. Sollte denn Gott etwas übelnehmen? meinte
ein vielgelesener religiöser Schriftsteller, der aber die
Sünde nie in ihrer Schrecklichkeit erkannt hat. Gott ist
nicht wie ein gutherziger Mensch, der, wie man sagt, durch
die Finger sieht. Gott ist heilig, darum ist die Sünde ganz
unvereinbar mit ihm. Er kann sie so wenig dulden wie das
glühende Eisen den Wassertropfen. Sie ist ein unerträglicher
Widerspruch gegen sein Wesen. Er kann sie nicht einfach auf
sich beruhen lassen, er müßte sonst sich selbst untreu
werden.
Wer einmal die Sünde wirklich empfindet, der erblickt in ihr
nicht nur eine Entgleisung, er schämt sich auch nicht bloß
vor sich selbst, daß er sich so hat vergessen und hinreißen
lassen, sondern er spricht mit dem Psalmisten: An dir allein
habe ich gesündigt und übel vor dir getan ("das Böse in
deinen Augen"). Wer sich als Sünder erkennt, der steht nicht
vor einem menschlichen Richterstuhl, sondern vor Gott, den er
beleidigt, und dessen Strafurteil er auf sich geladen hat.
Die Sünde ist Feindschaft gegen Gott. Wer Böses tut, dem
steht Gott im Weg, er ist ihm unbequem; er möchte am
liebsten, daß es keinen Gott gäbe. Daher werden auch
Sündenmenschen schließlich zu Gottesleugnern. Der Haß gegen
Gott, der in der Sünde versteckt liegt, tritt immer mehr
heraus, bis er zuletzt zur direkten Auflehnung gegen Gott
wird und sich in frechem Spott über alles Heilige kundtut.
Es gibt eben nur ein Entweder - Oder, wie wir's am Schluß der
zehn Gebote vernehmen. Erst wenn wir die Sünde in ihrer
Furchtbarkeit erkennen, verstehen wir auch den Kreuzestod des
Sohnes Gottes, und wir preisen Gott, daß er am Kreuz sein
heiliges Recht zur Geltung gebracht, aber auch eine völlige
Tilgung der Sünde bewirkt hat.