1Jo 3,2
D.Rappard
Wir werden ihn sehen, wie er ist.
1. Joh. 3,2.
Ihn sehen, wie er ist! Suchen wir diesen Gedanken zu
fassen. Für uns hat es bisher geheißen: Selig sind, die
da nicht sehen und doch glauben. Wir haben auch etwas von
dieser Seligkeit gekostet, auch wo es galt, durch Finsternisse
sich h i n d u r c h z u g l a u b e n. Wir haben in mancher
heiligen Stunde etwas gespürt von seiner Nähe, aber es hieß im
tiefsten Herzen:
Doch, Heiland, ganz genügt's uns nicht:
Wir möchten schau'n Dein Angesicht
O, komme bald, Herr Jesu!
Nun aber, wenn er erscheint, wird das Sehnen gestillt.
Wir werden ihn s e h e n, sehen! Das wird die Sättigung
sein, von der schon David sang: Ich will s a t t w e r d e n an
Deinem Bilde. Dieses Anschauen wird allen Hunger stillen, allen
Durst löschen. Wie schön ist schon auf Erden das Wiedersehen
geliebter Menschen nach langer Trennung! Was muß es erst sein,
den Herrn zu schauen, der uns geliebt und mit seinem Blut erkauft
hat!
Meine Seele, gönne es dir, dich tief in diese freudevolle
Aussicht zu versenken, daß dein Verlangen immer stärker werde,
und auch die praktische Frucht sich zeige: Ein jeglicher, der solche
Hoffnung hat, reinigt sich, gleich wie er auch rein ist.
Laß die Hoffnung, Dich zu sehen, in mir so
lebendig sein, daß sie mir Sieg verleihe im Kampf
und Trost auch im tiefsten Leid.
C.H.Spurgeon
Wir sind nun Gottes Kinder. 1. Joh. 3, 2.
Ihr Lieben, ich möchte auf die Verbindung hinweisen, die
zwischen der Gegenwart und der Zukunft besteht; die Wichtigkeit
einer Seligkeit schon in der Gegenwart ergibt sich, wenn wir
folgendes bedenken: Die Seligkeit ist etwas, in Folge dessen
uns jetzt schon Segnungen zuteil werden. Wenn ihr in der
Schrift lest, wird euch die Tatsache auffallen, daß von jedem
Segen als in der gegenwärtigen Zeit gesprochen wird. Die
Rechtfertigung ist ein Segen der Gegenwart - "so ist nun keine
Verdammnis." Die Kindschaft ist ein Segen der Gegenwart, denn
es heißt: "Wir sind nun Gottes Kinder"; und wir wissen, daß
auch die Heiligung ein Segen der Gegenwart ist, denn der
Apostel nennt seine Leser in einem Brief "die Geheiligten in
Christo Jesu, die berufenen Heiligen." Von allen Segnungen des
neuen Bundes ist in der gegenwärtigen Zeit die Rede, weil sie,
ausgenommen die ewige Herrlichkeit im Himmel, alle hier
genossen werden sollen. Ich weiß, daß, wenn ich an Christus
glaube, ich einst mehr geheiligt sein werde, als heutigentages
- wenn nicht in dem Sinne der Rechtfertigung, so doch in dem
Sinne der inneren Reinheit - aber zur selben Zeit weiß ich
auch gewiß, daß, wenn ich einst stehen werde zur rechten Hand
Gottes, unter den Leuchtern, die ewig scheinen, wenn meine
Finger die goldenen Saiten mit Macht rühren und meine Stimme in
unsterblichen Liedern erklingen wird, ich nicht im Geringsten
mehr ein Kind Gottes sein werde, als ich es jetzt schon bin.
Und wenn ich mit dem weißen Kleide angetan bin und eine Krone
auf meinem Haupt trage, so werde ich doch nicht mehr
gerechtfertigt sein, als ich es schon im gegenwärtigen
Augenblick bin; denn das ist die Lehre der heiligen Schrift.
C.O.Rosenius
Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir
wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir Ihm gleich
sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie Er ist.
1. Joh. 3, 2.
Johannes sagt, daß wir, indem wir Gott anschauen, Ihm gleich
werden sollen. Der Apostel deutet damit an, daß dieses
selige Anschauen Gottes die Wirkung auf uns haben wird, daß
wir einen Widerschein der von Ihm ausstrahlenden Herrlichkeit
erhalten werden. Konnte Moses Antlitz nur dadurch glänzend
werden, daß er auf dem Berge Sinai vor dem Angesicht Gottes
stand, und können wir schon hier nur dadurch ,,verklärt
(verwandelt) werden in dasselbe Bild von einer Klarheit zu
der anderen", daß wir im Glauben und im Geist Gott schauen,
dann muß, wenn wir Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen
werden, Sein Bild sich uns gewiß in einer noch ganz anderen
Vollkommenheit als hier aufprägen. Die Weise, in der wir Ihm
gleich gemacht werden sollen, mag Gott anheimgestellt sein.
Soviel ist aber gewiß, daß Er dann vollständig Sein Bild
wiederaufrichten wird, das Bild, zu welchem Er im Anfang den
Menschen erschuf, das aber im Sündenfall verlorenging.
Die Schrift sagt ausdrücklich: ,,Wie wir getragen haben das
Bild des Irdischen, also werden wir auch tragen das Bild des
Himmlischen." Unser Herz wird dann nicht wie jetzt eine
unerschöpfliche Quelle der Sünde und Qual sein, sondern die
Heiligkeit und die Liebe Christi werden in uns wohnen. Unser
Verstand wird dann nicht mehr von der Finsternis unserer
gefallenen Natur umhüllt, sondern mit dem Licht des eigenen
Lichtes Gottes erfüllt sein. Unser Gewissen wird dann nicht
mehr die Unruhe, die Klage und Angst haben, die uns hier
plagten, sondern es wird ganz ruhig und friedvoll in der
Liebe Gottes und in dem Gefühl unserer uns dann innewohnenden
Heiligkeit sein. Wir werden dann nie mehr gegen unseren Gott
sündigen, nie mehr die Klage führen: ,,Das Gute, das ich
will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich hasse, das
tue ich"; denn wir werden dann vollkommen so gut, so fromm
und so heilig sein, wie wir hier zu sein gewünscht haben,
dies aber in noch viel höherem Grade, als wir es hier
wünschen konnten. Unser Leib wird nicht mehr mit
schändlichen Begierden oder mit Krankheit und Schwachheit
behaftet, sondern immer rein und schön, gesund, stark und
leicht sein; denn er wird jetzt dem verklärten Leibe Christi
ähnlich sein. Der Herr sagt ausdrücklich: ,,Dann werden die
Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich." Wir
werden Ihm gleich sein, da die Vollkommenheiten Gottes sich
in unseren Seelen und unseren Leibern abspiegeln und eine
vollkommene Herrschaft über dieselben haben werden, indem wir
wieder jene Eigenschaften haben werden, die dem Ebenbilde
Gottes angehörten und dem Wesen eines jeden guten Geistes zu
eigen sind - wie Gott uns erschaffen haben muß. Statt der
Unruhe, der Beschwerden und Schmerzen, die von unheiligen
Gemütsbewegungen und Begierden herrühren, wird jetzt in
unseren Herzen eine unerschöpfliche Quelle heiliger und
reiner, nie getrübter Erquickungen sein. Solches und viel
mehr muß dazu gehören, wenn wir dem heiligen, seligen Gott
gleich sein werden.
Aber die Schrift sagt im besonderen noch, daß wir Gott in
der Liebe gleich sein werden, wie ja die Liebe eine solche
Haupteigenschaft Gottes ist, daß Johannes sagt: ,,Gott ist
die Liebe." Wenn wir nun Gott in der Liebe gleich sein
werden, dann muß unsere Seligkeit in der Befriedigung der
wahren Liebe bestehen, nämlich darin, diese ganze unzählige
Schar Erretteter dieselbe Seligkeit und Sicherheit genießen
zu sehen, die wir genießen. Von dieser Liebesfreude, so
viele Selige zu sehen, können die Gläubigen sich eine
Vorstellung machen durch die begonnene Erfahrung, die sie
schon hier davon haben, wenn sie die Gnade Gottes an den
Seelen mächtig werden sehen. Bedenke! Im Paradiese Gottes
werden wir die unzähligen Scharen von Menschen erblicken, die
alle auf Erden mit Sünde, Gefahr und Furcht gekämpft haben,
jetzt aber selig und geborgen in der Ruhe Gottes sind. Diese
Seligkeit erstreckt sich durch die Liebe und das fröhliche
gegenseitige Mitteilen und durch die Einwirkung von Seele zu
Seele auf alle und breitet sich über alle aus. Alle Kinder
Gottes, die in den vier Winden zerstreut waren, sind im
Reiche ihres Vaters versammelt, alle im wesentlichen mit
denselben Erfahrungen ihrer eigenen vielfachen Sünden und
denen der großen Barmherzigkeit, Geduld und Treue Gottes.
Dann erinnern wir uns mit verklärten, vollkommenen
Seelenkräften aufs lebhafteste aller Proben der Hilfe und
Langmut Gottes, die wir hier in der Zeit erlebten, und
werden jetzt den Zusammenhang aller dieser Erfahrungen
verstehen. Gewiß wird dies alles unsere Herzen mit einer
unaussprechlichen Seligkeit erfüllen. Die Schrift sagt uns,
daß wir dann die Gnade Gottes nicht nur leise loben, sondern
mit großer Stimme schreien werden: ,,Heil sei dem, der auf
dem Thron sitzt, unserem Gott und dem Lamm!" Dann werden wir
in Erinnerung an die zurückgelegte Wanderung und im Genuß der
Seligkeit Gottes ausrufen: ,,Ist dies das Erbe, das Jesu
Christi Blut kostete? O, gesegnetes Lösegeld, gesegnete
Liebe! Ist dies das Ende des Glaubens? Ist dies die
Herrlichkeit, von der die Schrift redet? Ist dies das Ende
meiner Trübsale, meiner Demütigungen, meiner Gebete und
Kämpfe? Dann waren die Beschwerden gering gegenüber einem
solchen Gewinn." ,,Und der Tod wird nicht mehr sein, noch
Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das
Erste ist vergangen."
Wie wird's sein,
Wenn ich zieh in Salem ein,
In die Stadt der goldenen Gassen?
Herr, mein Gott, ich kann's nicht fassen,
Was das wird für Wonne sein!