1Petr 1,22
C.O.Rosenius
Habt euch untereinander brünstig lieb aus reinem Herzen, als
die da wiedergeboren sind. 1. Petr. 1, 22 u. 23.
Da die Liebe zu den Kindern Gottes eine Frucht und ein
Zeichen der Neugeburt ist, so folgt daraus, daß eine
Ermahnung zu dieser Liebe nur die wiedergeborenen Christen
angeht. Möchte man sich darum nie vornehmen, den zu
ermahnen, ,,der (nur) nach dem Fleische geboren ist", daß er
den liebe, ,,der nach dem Geist geboren ist". Denn es wird
immer eine vergebliche Arbeit bleiben, die alte Feindschaft
zwischen der Schlange Samen und des Weibes Samen, (zwischen
den Ungläubigen und den Gläubigen), aufzuheben. Nur die
Gläubigen betrifft es, wenn der Herr Jesus und Seine Apostel
ermahnen: ,,Habt euch untereinander brünstig lieb!" - Obwohl
die Liebe vom Geist in unseren Herzen geboren ist und aus
unserer Vereinigung mit dem Heiland wächst, bedarf sie doch -
wie alle Geistesfrüchte - wohl gepflegt und bewahrt zu
werden. Daher alle Ermahnungen und Aufforderungen der
Schrift zur Liebe. Es ist ein großer Verlust und eine große
Gefahr, wenn du deine Liebe zu den Brüdern verlierst. Zwar
sind auch viele Umstände da, die diese Liebe abkühlen wollen.
Unser abgesagter Feind, der wohl weiß, was er gewonnen hat,
wenn er dich vom Bruderkreise trennen kann, zielt stets auf
die Bruderliebe der Christen. Und er findet dafür in unseren
eigenen Herzen gar viele Mittel. Wie diese Liebe aber eine
so bezeichnende Frucht des Lebens in Christus ist, so ist
sie auch stets von diesem Leben abhängig. Solange ich in
gesunder Übung der Buße und des Glaubens stehe, liebe ich
auch die Brüder. Darum liegt die erste und wesentlichste
Ursache einer erkaltenden Liebe in einem geschwächten
Gnadenleben.
Wenn ein irdischer Sinn anfängt, bei einem Christen
überhandzunehmen, so daß er nicht mehr in täglicher Übung der
Buße und des Glaubens, der Erkenntnis der Sünde und des
Umfassens der Gnade lebt, dann fängt er sogleich an, kalt
gegen die Brüder zu werden und statt der in ihnen wohnenden
Gnade mehr ihre Fehler zu sehen. Auch hierin gehen die Worte
aus dem Mund des Herrn in Erfüllung: ,,Weil die
Ungerechtigkeit überhandnimmt, wird die Liebe in vielen
erkalten." Daneben finden sich bei den Brüdern auch viel
Unverstand und andere Unarten, die die Liebe abstoßen und
erkalten lassen können. Endlich kommen zuweilen auch
unterschiedliche Meinungen hinzu, die den Bruderkreis
spalten. Gewiß betreffen die Meinungsverschiedenheiten nur
weniger wesentliche Fragen, denn in der Hauptsache sind alle.
Gläubigen in der ganzen Welt einig. Dennoch aber können
diese Nebenansichten der Liebe tödliche Wunden schlagen, wenn
ich nicht verstehe, daß ein Bruder ein ebenso redlicher und
begnadigter Christ sein kann, auch wenn er nicht alle Punkte
im Wort Gottes so auffaßt wie ich, oder wenn ich nicht
verstehe daß unter denen, die in gewissen Fragen andere
Ansichten haben, auch gläubige Kinder Gottes sind.
Denn daraus folgt, daß ich anfange, alle diejenigen zu
verurteilen, die in irgendeiner Hinsicht anderer Meinung
sind als ich. Ein solches Richten aber wird immer die Liebe
verletzen. Etwas anderes ist es, wenn ich einer falschen
Ansicht widerstehe und einen Fehler oder ein unverständiges
Betragen meines Bruders strafe, etwa wie der Herr Jesus den
Petrus strafte, als dieser das Schwert ergriff, und als Er
ihn ein anderes Mal ,,Satan" (Widersacher) nannte. Solche
Bestrafung läßt sich immer mit der Liebe vereinigen.
Denjenigen aber zu verdammen, der in Christi Blut seinen
einzigen Trost, sein Alles in Allem hat, ist ganz gewiß gegen
die Liebe und tötet sie.
Dies geschieht auch, wenn diese Nebenfragen mir so groß und
wichtig werden, daß sie den ersten Platz in meinem Herzen
einnehmen, was sich dadurch beweist, daß alle, die in dieser
Sache mit mir einig sind, auch wenn sie nicht in Christus
leben, mir lieber werden als diejenigen Freunde Jesu, die
in dieser Sache nicht mit mir einig sind. Es ist immer ein
bedenkliches Zeichen, wenn eine Frage ganz oberflächlicher,
ja, weltlicher Bedeutung mir so wichtig wird, daß ich ihren
ungläubigen Befürwortern mit aller Wärme und viel größerer
Liebe begegne als den Geschwistern in Christus, die mit mir
denselben Glauben empfangen haben in der Gerechtigkeit, die
unser Gott gibt und der Heiland Jesus Christus." Sollte ein
Mensch, der ein Feind meines Herrn ist, und dem es noch nie
in den Sinn gekommen ist, seine Versöhnung und seinen Frieden
im Blutdes Lammes zu suchen, oder der noch nicht als ein
verlorener Sünder zu Jesu Füßen gelegen hat, sondern den Sohn
verachtet und das Blut des Testaments unrein achtet, mir
lieber sein als ein Freund Jesu, der in dem Tod und dem
Schmerz des Lammes sein Alles in Allein hat und der ein Kind
Gottes und mein Ewigkeitsbruder ist? Ist das nicht ein
bedenkliches, ein furchtbares Verhältnis? Zeugt es nicht
davon, daß jene Nebenfrage, die die Ursache von allem gewesen
ist, mir wichtiger wurde als der Heiland, wenn die Menschen,
die diese Ansicht mit mir teilen, mir lieber geworden sind
als die Brüder in Christus?
Da die Liebe zu den Kindern Gottes also durch so viele
Umstände erkalten kann, ist es sehr wichtig, genau auf sich
sowie auf die vielen Gründe achtzugeben, die wir haben, die
Gnadengeschwister zu lieben.
Die Welt, die blinde, soll unsre Liebe seh'n,
Sonst ist geschwinde das Ärgernis gescheh'n.
Daran soll man die Jünger kennen,
Daß sie recht herzlich in Liebe brennen.