Jak 4,2
Ch.Spurgeon
"Ihr erlanget es nicht, weil ihr nicht bittet." Jakobus 4,2
Ich tadle nicht gern, aber schreiende Übel fordern eine
öffentliche Rüge. Meint ihr nicht auch, daß dieser Text auf
viele unserer Gemeinden paßt? Sie haben kein Gedeihen, die
Versammlungen sind klein, und - die Hauptursache von allem
anderen Übel - sie haben kaum Gebetsversammlungen. An vielen
Orten besteht ein solcher Mangel an Interesse, daß die
Gebetsversammlungen nicht geschätzt, sondern als etwas
Untergeordnetes angesehen werden. Kann das Segen bringen?
An einigen Orten werden die Gebetsversammlungen schlecht
besucht, weil durch langatmige Gebete der Brüder, in denen
sie sich selbst lange Ansprachen halten, ihre Erfahrungen
mitteilen und ihre Bibelkunde ausbreiten, die Frische des
Gebets verlorengegangen ist. Man hat mir erzählt, daß unsere
Freunde von der Heilsarmee ein Lied anstimmen, sobald ein
Freund langweilig oder weitschweifig wird; und ich habe große
Sympathie für diese Praxis. Wenn Gebetsversammlungen in
Geschwätz ausarten, dürfen wir uns nicht wundern, wenn
kein Segen kommt. In solchen Fällen ist das Wort wahr:
"Ihr erlanget es nicht, weil ihr nicht bittet."
Wenn irgendein Gläubiger da wohnen sollte, wo die
Gebetsversammlungen vernachlässigt werden, soll er sich dazu
entschließen, sie wieder zu beleben. Als an einem Ort
beschlossen wurde, keine Gebetsversammlungen mehr abzuhalten,
erklärte eine Frau, daß das nicht geschehen werde; denn wenn
auch niemand anders da wäre: Sie würde am Platze sein. Sie
blieb ihrem Wort treu, und als an einem Morgen jemand etwas
scherzhaft fragte: "Habt ihr gestern abend Gebetsversammlung
gehabt?", erwiderte sie: "Gewiß haben wir!"
"Ich habe aber doch gehört, daß Sie dort allein gewesen
sind." "Nein", sagte sie. "Ich war zwar die einzige
sichtbare Person, aber der Vater war da, der Sohn war da, und
der Heilige Geist war da, und wir stimmten im Gebet überein."
Es dauerte nicht lange, da schämten sich andere im Blick auf
die Beständigkeit dieser armen, alten Frau; und bald gab es
eine neubelebte Gebetsversammlung und eine aufblühende
Gemeinde.
W.MacDonald
»Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet.« Jakobus 4,2
Ein solcher Vers wirft eine interessante Frage auf: Wenn wir
also nicht haben, weil wir nicht bitten, welche großen Dinge
fehlen dann in unserem Leben, einfach, weil wir nicht darum
beten?
Eine ähnliche Frage drängt sich auf, wenn wir Jakobus 5,16
lesen: »Viel vermag eines Gerechten Gebet in seiner Wirkung.«
Wenn dieser Gerechte nicht betet, folgt dann nicht daraus,
daß auch nur wenig durch ihn bewirkt wird?
Die Schwierigkeit bei den meisten von uns liegt darin, daß
wir nicht genug beten, oder daß wir, wenn wir beten, nur um
so wenig bitten. Wir sind so, wie C.T. Studd einmal gesagt
hat: »Wir knabbern nur am Möglichen, anstatt mit beiden
Händen nach dem Unmöglichen zu greifen.« Unsere Gebete sind
schüchtern und phantasielos, gerade dann, wenn sie kühn und
wagemutig sein sollten.
Wir sollten Gott damit ehren, daß wir um große Dinge bitten.
John Newton hat gesagt:
Komm her nun zum großen König
Mit vielen Wünschen geschritten;
Denn Seiner Gnade und Vollmacht
Sind nie zuviel unsere Bitten.
Wenn wir das tun, geben wir nicht nur Gott die Ehre; wir
machen uns auch selbst geistlich gesehen reich. Er öffnet
gern die Schätze des Himmels für uns, aber der heutige
Bibelvers gibt uns auch zu verstehen, daß Er das nur als
Antwort auf unser Gebet tut.
Mir scheint, dieser Vers beantwortet auch eine andere Frage,
die wir öfter hören: Bewegt das Gebet Gott tatsächlich dazu,
Dinge zu tun, die Er sonst nicht getan hätte, oder bringt es
uns nur in Übereinstimmung mit dem, was Gott sowieso getan
hätte? Die Antwort scheint klar zu heißen: Gott tut das, was
Er sonst nicht getan hätte, als Antwort auf unsere Gebete.
Unsere Vorstellung kann uns jetzt in zwei Richtungen
davontragen, wenn wir die Konsequenzen dieser Tatsache
erwägen. Erstens können wir an die ungeheuren
Errungenschaften denken, die sich als direktes Ergebnis
des Gebetes eingestellt haben. Mit den Worten aus Hebräer
11,33.34 erinnern wir uns an diejenigen, »die durch Glauben
Königreiche bezwangen, Gerechtigkeit wirkten, Verheißungen
erlangten, der Löwen Rachen verstopften, des Feuers Kraft
auslöschten, des Schwertes Schärfe entgingen, aus der
Schwachheit Kraft gewannen, im Kampf stark wurden, der
Fremden Heere zurücktrieben«.
Aber wir können auch überlegen, was wir selbst schon für
Christus alles hätten erreichen können, wenn wir nur darum
gebeten hätten. Wir können an die vielen über die Maßen
großartigen und kostbaren Verheißungen im Wort Gottes denken,
die wir noch nicht in Anspruch genommen haben. Wir sind
schwach gewesen, wenn wir doch hätten mächtig sein können.
Wir haben Gott mit ein paar einzelnen Menschen bekannt
gemacht, wenn wir doch in dieser Zeit Tausende oder sogar
Millionen hätten erreichen können. Wir haben um ein paar
Quadratmeter Land gebeten, wo wir doch um ganze Kontinente
hätten bitten können. Wir sind geistliche Hungerleider
gewesen, wo wir Großkapitalisten hätten sein können. Wir
haben nicht, weil wir nicht bitten.