Hebräerbrief

Hebr 10,32 J.Kroeker Vom Geheimnis unserer Leiden.

"Gedenket aber der früheren Tage, in welchen ihr nach eurer Erleuchtung viel Kampf erduldet, unter dem ihr zu leiden hattet, da ihr teils selbst Schmähungen und Plackereien öffentlich preisgegeben waret, teils Gemeinschaft hattet mit denen, welche so behandelt wurden." Hebr. 10,32 f.

Das ist nicht das Geheimnis eines Glaubensweges, wenn man den Glaubensweg eines anderen äußerlich nachzumachen sucht. Jeder Glaubensweg entsteht völlig neu aus unserem persönlichen Glaubensumgang mit Gott. Denn es gehört zum Charakter des Glaubens, dass seine Kraft nicht in dem liegt, was andere vor ihm getan haben. Sie fließt aus der Offenbarung, die ihn geweckt hat. Erst muss Gott in seiner Offenbarung gesprochen haben, bevor ein Jünger im Gehorsam an das ihm gewordene Wort Gottes handeln kann. Als Frucht solcher Hingebung an das Reden Gottes entsteht der Glaubensweg.

Dieser Glaubensweg lag zu jeder Zeit in einem Dunkel der Geschichte. Von den Zeitereignissen aus gesehen fällt kein Licht auf unser Leben und unsere Zukunft. Nur wenn wir lernen, von Gott aus das Geschehen der Zeit und das Schwere in unserer Alltäglichkeit zu sehen, fällt Licht auf unseren Weg, den auch wir allein im Glauben an Gottes Gegenwart, Majestät und Zukunft zu gehen vermögen.

Am dunkelsten erscheinen manchen, wie einst auch in der Gemeinde der Hebräerchristen, die Leidenskämpfe. Denn im Hebräerbrief handelt es sich nicht um Leiden im Allgemeinen, sondern um jene Leidenskämpfe, die man um der Gemeinschaft mit Christus zu erdulden hatte. Es handelte sich also um Christusleiden, wie Paulus sie in seinem Dienst und auf seinem Wege so reichlich zu ertragen hatte.

Diese wurden von manchen in der Hebräergemeinde nicht mehr verstanden. Das Blickfeld ihres Glaubens hatte sich verschoben. Anstatt von Gott aus ihre Leiden zu verstehen, suchten sie von ihren Leiden aus Gott und das Kommen seiner Königsherrschaft zu verstehen. Da verdunkelte sich ihr Blick. Sie verstanden Gott in seiner Verheißung und Offenbarung in Jesus Christus nicht mehr.

Da zeigt der Verfasser diesen in ihren Leidenskämpfen Müdegewordenen, dass die Offenbarung Gottes in Christus als dem Sohn größer, herrlicher und vollendeter ist, als je eine Offenbarung in den vergangenen Zeitaltern hat sein können. Von Christus und seiner Offenbarung aus muss auch die Finsternis Licht werden. Er zieht auch die Sünden und Auflehnungen der Welt mit in seine Königsherrschaft und verwendet sie als Vorbereitung für das Kommen des in ihm angebrochenen Gottesreiches. Mit Ihm ist daher auch seine Gemeinde nicht ohne zuversichtliche Glaubenserwartungen. Sie weiß, dass mit Ihm sich jenes alte Glaubenswort erfüllen muss: "Und das Warten der Gerechten wird Freude werden."