Tit 3,5
D.Rappard
Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir
getan haben, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte
er uns selig.
Tit. 3,5.
Gegensätze dienen dazu, die Wahrheit in helleres Licht zu
stellen. Über einige solcher Gegensätze wollen wir nachsinnen.
Unser heutiges Wort bringt uns gleich etwas Grundlegendes. Nicht
um unseres Verdienstes willen, sondern durch Gottes
Barmherzigkeit werden wir selig.
Tief will der Geist Gottes dies in unsere Herzen prägen;
denn von der richtigen Erkenntnis und E r f a h r u n g dieser
großen Tatsache hängt das ganze fernere Gedeihen unseres
Christenlebens ab. Bei einem Gebäude ist es von der größten
Wichtigkeit, daß die Fundamente tief und fest gelegt seien; im
Glaubensleben ist es nicht minder wichtig.
Die Selbstgerechtigkeit des natürlichen Herzens ist ein
schlammiger Boden, auf dem kein Gemäuer sicher stehen kann.
In den Stürmen der Not und der Trauer, in den Gewässern
der Krankheit und des Todes fällt das Haus zusammen und tut
einen großen Fall. Wir brauchen F e l s e n g r u n d. Gottes
Barmherzigkeit, sein vor Grundlegung der Welt gefaßter
Liebesrat, Jesu stellvertretender Tod, sein vergossenes Blut,
seine vollkommene Gerechtigkeit, seine unerschütterliche Treue,
das sind die granitenen Steine, die jedem Sturm trotzen. Wer
darauf gründet, sieht völlig ab von sich, sowohl von dem etwa
vorhandenen Guten als von dem ihn verurteilenden Bösen. Er baut
auf J e s u m a l l e i n.
Ich beuge mich und bin erfreut
Und rühme die Barmherzigkeit.
C.O.Rosenius
Nach Seiner Barmherzigkeit macht Er uns selig durch das Bad
der Wiedergeburt. Tit. 3, 5.
Welch große Gnadenschätze hat der Herr doch mit der Taufe
verbunden; was und wieviel empfangen wir da! Es heißt
nämlich nichts Geringeres als ,,selig zu werden". Selig
werden bedeutet und enthält, von allen unseren Sünden, vom
Tod und von der Gewalt des Teufels befreit und dafür in das
unendliche Erbe und die Güter der ewigen Seligkeit versetzt
zu werden, um auf einmal die volle Gnade, das Kindesrecht bei
Gott, die Ehre und die Herrlichkeit wiederzuerhalten, zu
denen wir bei der ersten Schöpfung bestimmt waren. Durch
den Sündenfall hatten wir sie verloren, durch Christi
Dazwischentreten mit Seinem Tun und Leiden, ja, mit Seinem
Tod und Seiner Auferstehung wurden wir aber wieder voll
berechtigt. Liebesrat sondergleichen! Dies alles wollte
Christus durch die angeführten Worte mit der Taufe verbinden
und in sie gleichsam hineinlegen, um in dieser Weise den
einzelnen Besitzer all dieser Gnade durch ein sichtbares
Zeichen in Seiner Gemeinde hervorheben zu können und uns
dadurch endlich dazu zu vermögen, Seine große, aber
geistliche und unsichtbare Gabe zu umfassen und daraus Trost
zu holen.
Das Taufwasser, wie gering es dem äußeren Auge auch scheinen
mag, ist also ein überaus reiches und kostbares Wasser. Es
verhält sich damit geradeso, als wenn ein sehr reicher Mann
von einem einfachen Ring sagt: ,,Wer diesen Ring bekommt und
annimmt, der soll mich und mein ganzes Vermögen besitzen."
Dann wäre dieser Ring, der an und für sich nur einige Mark
wert ist, dennoch ein wunderbar kostbarer Ring. Er besitzt
ja nicht nur seinen materiellen Wert, sondern mit ihm ist
zugleich die Person, die das Versprechen gab, und ihr ganzes
Vermögen verbunden. Und warum dies? Nur um des Versprechens
willen, daß nämlich derjenige, der diesen Ring bekommt und
annimmt, dies alles besitzen solle. Genauso verhält es sich
mit der Taufe. Ohne das Wort Gottes ist sie nur Wasser und
von keinem Wert, durch das Verheißungswort aber, das Christus
mit diesem Wasser verband, ist sie ein Sakrament, in das alle
Gnade und die ganze Seligkeit hineingelegt ist.
Wie oft verfährt Gott so, daß Er unsichtbare und himmlische
Gnadengaben mit irdischen und sichtbaren Dingen und Zeichen
verbindet. Das schwache, sinnliche und kleingläubige
Menschenherz hat immer dessen bedurft. Dafür haben wir viele
Beispiele im Alten Testament, Beispiele, die gerade unsere
Erlösung durch Christus bezeichnen. Als die Kinder Israel
vom Schwert des Würgeengels verschont bleiben sollten,
geschah dies durch das sichtbare Zeichen, daß die Türschwelle
mit dem Blut des Passahlammes bestrichen wurde. Als sie
in der Wüste von den feurigen Schlangen gebissen wurden,
sollten sie durch das Anschauen der ehernen Schlange vom
Tod errettet werden. Von diesem Rettungszeichen steht
ausdrücklich: ,,Welche sich zu demselben Zeichen kehrten, die
wurden gesund, nicht durch das, was sie anschauten, sondern
durch Dich, aller Heiland. - Denn es heilte sie weder Kraut
noch Pflaster, sondern Dein Wort, Herr, welches alles heilt."
In 2. Kön. 5 haben wir ein treffendes Vorbild auf die Taufe
sowie darauf, wie sich unsere Vernunft dazu stellt. Als der
syrische Feldhauptmann Naeman zum Propheten Elisa kam, um
Hilfe zu suchen und von seinem Aussatz gereinigt zu werden,
erhielt er durch seinen Boten lediglich die Zusage: ,,Wasche
dich siebenmal im Jordan, so wirst du rein." Das erzürnte
Naeman, und er zog weg, weil der Prophet nicht ein Mittel
anwandte, sondern ihm nur einen Diener mit einem so einfachen
Gebot sandte. Als er sich aber doch noch dazu bewegen ließ,
auf die Worte des Propheten hin in den Jordan zu steigen,
wurde er laut der Zusage sogleich vollständig gesund und
rein. Und wodurch geschah dies? Gewiß nicht wegen
irgendeiner Eigenschaft des Jordanwassers, sondern wegen des
damit verbundenen Verheißungswortes: ,,Wasche dich, so wirst
du rein!"
Welch ein Vorbild auf die Taufe - und auf uns! Erstens sehen
auch wir nur einen geringen Diener Gottes die Taufe
verrichten, und zwar in so schlichter und einfacher Weise.
Wenn wir Gott selbst mit himmlischer Feierlichkeit taufen
sähen und Ihn uns die Seligkeit zusagen hörten, dann würden
wir glauben, dann wäre es auch von Wichtigkeit und Wert; nun
aber ist es eine so alte und weit hergeholte Zusage, nun
sehen wir nichts vor Augen. Zweitens starren wir das Wasser
an und denken: ,,Ist denn nicht das Wasser z.B. meiner
reuevollen Tränen besser, um die Sünde damit abzuwaschen, als
dieses aus dem Brunnen geschöpfte, das auf den Leib gegossen
wird?" Fahren wir nun fort, nur auf das Wasser zu blicken und
die Worte der Verheißung zu vergessen, dann werden wir
leichtsinnige Verächter der Taufe und des Herrn Jesus und
verbleiben im Aussatz unserer Sünde. Können wir dagegen im
Glauben auf das Wort und auf die Verheißung Jesu zu diesem
Wasser sehen, dann wird es uns ganz dem Worte gemäß ergehen,
daß wir rein, ja, selig werden. Denn es ist weder ein Traum
noch eine Erdichtung, sondern es ist eine ewige, göttliche
Wahrheit. Er, der da spricht: ,,Wer da glaubt und getauft
wird, der wird selig werden," kann doch nicht lügen! Und
wenn dieser Herr ein Wort spricht, dann gilt das tausendmal
mehr als alle unsere Meinungen und Gedanken. Laßt uns darum
ohne die geringsten Seitenblicke die Augen fest auf die Worte
des Herrn gerichtet halten, denn nichts in der Welt ist
gewisser und zuverlässiger als dieses.
Wie die Gnadenworte lauten;
O, daß wir Ihm doch besser trauten,
Glaub' und Taufe stehn beisammen,
So wie Unglaub' und Verdammen.