Tit 3,3
C.Eichhorn
Ein trauriges, heruntergekommenes Bild
Wir waren auch weiland unweise, ungehorsam, verirrt, dienend
den Begierden und mancherlei Wollüsten, und wandelten in
Bosheit und Neid, waren verhaßt und haßten uns untereinander.
Tit. 3, 3
Wie ist doch der Mensch, das edelste aller Geschöpfe, so tief
gesunken! Wer hoch steht, fällt tief. Es ist kein schönes
Bild, das hier der Apostel entwirft, aber es entspricht genau
der Wirklichkeit. Unweise ist der Mensch, solange er fern
von Gott ist. Es fehlt ihm Licht über den Willen Gottes. In
irdischen Dingen kann er klug, scharfsichtig und von rascher
Auffassung sein, jedoch fehlt der sittliche Verstand und das
Auffassungsvermögen für das, was recht ist vor Gott. Das
Gewissen ist stumpf. Gottesfurcht ist der Weisheit Anfang.
Wo sie fehlt, handelt der Mensch nach eigenem Ermessen und
Gutdünken. Er fragt nicht, was Gott fordert, sondern was für
den Augenblick vorteilhaft und nützlich ist. Auch hat er
kein Verständnis für das Walten Gottes. Er sieht überall nur
Zufall und ist bitter und unzufrieden, wenn es anders geht,
als er denkt und wünscht. Es fehlt die Selbsterkenntnis,
darum versteht er nicht den inneren Zusammenhang zwischen
Leiden und Sünde. Der sittliche Unverstand kann zur völligen
Verdummung werden. Da ist dann der Mensch ganz verkehrt und
heißt Böses gut und Gutes böse. Vielleicht ist das Gewissen
noch nicht ganz erstorben, und man erkennt noch bis zu einem
gewissen Grad, was recht ist, aber man tut's nicht, man ist
ungehorsam und eben darum im Eigensinn auf dem Irrweg.
Solange sich der Mensch im Eigensinn nicht von Gottes Wort
und Willen leiten läßt, geht er fehl. Stellt man sich nicht
unter den rechten Führer, den Herrn Jesus, so fällt man den
Verführern in die Hände, wird falsch geleitet und jämmerlich
betrogen. "Wir dienten den Begierden und mancherlei
Wollüsten." Wer sein eigener Herr sein will, wird ein Sklave
unreiner Lüste und selbstischer Leidenschaften. Er muß, ob
er will oder nicht, der Wollust, der Habsucht und Ehrsucht
frönen und sinkt immer tiefer. "Und wandelten in Bosheit und
Neid." So viel Selbstliebe, so viel Haß gegen den
Nebenmenschen! Bosheit ist Lieblosigkeit. Weil man nur ein
Herz für sich hat, hat man keines für andere und betrachtet
jeden als Feind, der dem eigenen Nutzen und Interesse im Wege
steht, und hegt gegen jeden Neid, dem's besser geht, der mehr
hat oder mehr gilt. "Wir waren verhaßt" oder
verabscheuungswürdig. Solche selbstsüchtigen, gehässigen,
neidischen Menschen sind doch etwas sehr Unliebenswürdiges.
Sie beklagen sich wohl, daß man sie nicht mag, doch können
sie sich darüber nicht wundern. Sie schneiden sich selbst
die Liebe ab, nach der sie doch wieder begehren. "Wir haßten
uns untereinander." Keiner ist dem andern von Herzen gut.
So sind wir, bis eine Wendung von oben eintritt. Bis der
Sonnenschein der Gottesliebe das finstere, kalte Wesen
umwandelt. Sind wir noch im Dunkel? Oder dürfen wir mit dem
Apostel sprechen: Wir waren weiland solch wüste, traurige
Menschen?