2Tim 4,16
A.Christlieb
In meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei. Sie
verließen mich alle. Es sei ihnen nicht zugerechnet. 2.
Tim. 4, 16
So schreibt Paulus aus Rom. Dort war er nach mehr als
zweijähriger Gefangenschaft zum erstenmal gerichtlich verhört
worden, und zwar vom Kaiser Nero selbst. Unter den Juden
hatte Paulus viele erbitterte Feinde, die ihm den Tod
wünschten. Wie wichtig wäre es da gewesen, daß treue
Christen sich mutig neben ihn gestellt und seine Unschuld
und Lauterkeit bezeugt hätten. Solche Christen gab es genug
in Rom. Stundenweit waren Brüder ihm bei seiner Ankunft
entgegengekommen. Sie waren von der Unschuld des Paulus
überzeugt. Es fehlte bei ihnen auch nicht an aufrichtiger
Liebe zu ihm, wohl aber an Bekennermut. Bei manchem mag die
innere Stimme gesagt haben: ,,Bekenne jetzt Farbe! Tritt
auf die Seite der Wahrheit!" Aber - da war die Macht der
einflußreichen Judenschaft! Wer für Paulus eintrat, zog sich
deren Haß zu. Alle Christen rückten daher von Paulus ab!
Nicht einer trat auf seine Seite. Das hat Paulus tief
geschmerzt. Wer es auch erlebt hat, daß Freunde ihn im Stich
ließen, der weiß, wie weh das tut. - Und Paulus? Er ließ
keine Bitterkeit aufkommen! Er schalt nicht in seinem Innern
über die Feigheit der Brüder in Rom. Er sprach das milde
Wort: ,,Es sei ihnen nicht zugerechnet." Das war ein großer
Sieg, der ihn davor bewahrte, aus der Liebe zu fallen. -
Und was hat ihm dazu geholfen? Neben der betrübenden durfte
er auch eine herrliche Erfahrung machen. Als alle untreu
wurden, erlebte er Jesu Treue: ,,Der H e r r aber s t a n d
b e i m i r !" Das half dem Paulus, über alle Bitterkeit
zu siegen und gab ihm neue Freudigkeit, sein Heroldsamt
auszuüben. Menschen sind entbehrlich. Einer nur ist
unentbehrlich. - Der Glaube wird all des Vertrauens
entkleidet, das nicht auf Gott allein gerichtet ist. So
gibt es Sieg.