2Tim 3,5
S.Keller
2. Tim. 3, 5: «... die da haben den Schein eines
gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie.»
Fromme Formen, aber leere Formen. Frömmigkeit der
Schablonen, aber es geht keine Kraft von ihnen aus. Ich
will nicht an die denken, die mit Absicht den Schein eines
gottseligen Wesens borgen, um andern Sand in die Augen zu
streuen, ohne daß sie die Kraft kennen; das sind arme Tropfe,
die früher oder später entlarvt werden; die schaden auch nur
sich. Gefährlicher für ihre Umgebung sind die andern, die
wohl wissen, was es um die wahre Kraft der Gottseligkeit für
eine herrliche Sache ist. Aber sie mochten den Einkaufspreis
nicht bezahlen: die Hingabe der eigenen Persönlichkeit an
Jesus. Darum begnügten sie sich mit dem billigeren Schein,
den ein aufmerksamer Kopf sich schnell angewöhnen kann. Nun
aber kommt der Betrug; sie lehren mit starker Betonung: das
sei das gesunde, richtige Christentum, wie sie es haben. Wer
darüber hinaus noch wirkliche Kraft Christi im praktischen
Leben und im Überwinden der Sünde haben will, sei ein
Schwärmer oder geistlicher Revolutionär. Da ihre Art der
Nachfolge Jesu spielend leicht ist, gewinnen sie schnell an
Ansehen und können als geistliche Führer weithin das Reich
Gottes aufhalten.
In die Kraft statt Heuchelschein führe, Herr, die Deinen
selbst von Tag zu Tag besser hinein. Lautlose Kraft statt
klappernder Formen gib uns, Herr Jesu. Wir leben von deiner
Kraft, wir sehnen uns nach deiner Kraft; offenbare du dich
in unserm Leben. Amen.
C.H.Spurgeon
Das Christentum, eine persönliche Angelegenheit.
»...die da haben den Schein eines gottseligen Wesens,
aber seine Kraft verleugnen sie.« 2.Tim. 3, 5.
Manche Leute sagen, der Wandel der Christen sei ihnen der wahre
Maßstab für die Heiligkeit der christlichen Religion. Zu einer
solchen Behauptung hat niemand ein Recht! Vielmehr ist das die
rechte Art, das Christentum zu erproben, wenn man seine Kraft
an sich selber erfährt. "Schmecket und sehet, wie freundlich
der Herr ist." Ja, schmecket und sehet, so erfahrt ihr Seine
Freundlichkeit, und erfahrt dann auch die heiligende Kraft
Seines Evangeliums. Euch obliegt es, Christus den Gekreuzigten
für euch selbst zu suchen, und euch nicht bloß an der Erfahrung
eines anderen zu erbauen, in welchem die Gnade das Verderben
überwunden und das Herz geheiligt hat. Weil Gott d i r eine
Bibel gegeben hat, so hat Er auch gewollt, daß d u sie liest:
es genügt Ihm nicht, wenn sie nur von anderen gelesen wird; du
sollst dich nicht mit Gefühlen zufrieden geben, welche durch
die Gespräche deiner Freunde in dir wachgerufen werden; die
Wahrheit des Evangeliums kannst du allein darin erfahren, daß
du den heiligen Geist Gottes auf d e i n Herz wirken läßt.
Du hast kein Recht, die göttliche Heilsordnung nach irgendetwas
zu beurteilen, was außerhalb des Kreises deiner eigenen
Heilserfahrung läge. Und wenn du das Evangelium verachtest,
bevor du seinen Segen an dir selber erfahren hast, so stehst
du vor dir selbst in dieser Welt als ein Tor da, und in der
zukünftigen als ein verdammungswürdiger Empörer. Und doch
verhält sich's leider mit den meisten Menschen so. Hörst
du einen über die Bibel spotten, so kannst du fast sicher
darauf zählen, daß er nie darin liest. Und redet einer mit
Geringschätzung vom Christentum, so ist es ein Beweis, daß er
nie erfahren hat, was es ist. Wenn einmal wahre Gottesfurcht
das Herz in Besitz nimmt, so leidet sie kein Widerstreben,
keine Feindschaft mehr. Solch ein Mensch, der nur den Herrn
Jesus kennt, nennt Ihn seinen besten Freund. So mancher hat die
Welt und ihre Freuden gekostet, bis sie ihm zum Ekel wurden;
wer aber einmal die Süßigkeit des Evangeliums geschmeckt hat,
wendet sich nie wieder aus Überdruß oder Übersättigung davon
ab. Nein! Nein! ihr selbst habt euch das furchtbare Blendwerk
gewünscht und habt es auf eure eigene Gefahr hin erwählt: ihr
hätschelt eure Götzen euch selbst zum Verderben. Denn wenn
ihr euch auf fremdes Ansehen hin eine Religion erwählt und
euch durch das Beispiel blinder Lehrer verleiten laßt, euer
Seelenheil zu verscherzen, so seid ihr darum nichts weniger
schuld an eurem eigenen Blut. Denn Gott hat euch nicht im
Ungewissen gelassen, daß ihr auf Menschenweisheit achten
müßtet; Er hat Euch Sein heiliges Wort gegeben, ein festes,
prophetisches Wort, und ihr tut wohl, daß ihr eure ganze
Aufmerksamkeit darauf richtet.