2Tim 1,7
C.Eichhorn
Ein ganzer Christ
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern
der Kraft und der Liebe und der Zucht. 2. Tim. 1, 7
Die Menschenfurcht hängt uns allen von Natur an. Es
ist schwer, einen anderen Weg einzuschlagen als die
große Mehrzahl. Es kostet Mut, sich zur kleinen und
vielgeschmähten Herde zu bekennen. Ein Petrus fühlte sich
mutig am Abend vor dem Leiden Jesu. Aber als es drauf und
dran kam, seinen Heiland zu bekennen, entsank ihm der Mut,
und er verleugnete ihn. Es gehört wirklich Kraft dazu, gegen
den Strom zu schwimmen. Gott gibt uns darum den Geist der
Kraft. Durch den Geist Jesu gewinnen wir die nötige
Festigkeit gegen die weltliche Gesellschaft, gegenüber den
alten Freunden, die uns in das frühere unordentliche Wesen
hineinziehen möchten, gegenüber allen Gefahren und Leiden,
die uns aus der Nachfolge Jesu erwachsen. - Wie es einen
Geist der Furcht gibt, so daß die Menschenfurcht und
Leidensfurcht eine Herrschaft über uns ausüben, so gibt es
auch einen Geist der Kraft. Er flößt einen hohen Mut ein.
Es kommt über uns eine Kraft, daß wir fertigbringen, was wir
von uns aus nie vermocht hätten. In dieser Kraft wird auch
das schwache Geschlecht stark. Man denke an die Frauen, die
dem Heiland bis unters Kreuz nachgefolgt sind! - Aber auch
den Geist der Liebe schenkt der Herr den Seinen. Kraft ohne
Liebe, Entschiedenheit ohne den warmen Hauch der Herzlichkeit
findet sich auch außerhalb des Christentums. Es hat zu allen
Zeiten Helden gegeben, die man bewundern muß. Aber Christen
werden von Liebe durchströmt. Darum haben sie etwas
Liebenswürdiges. Ihre Kraft wird nicht zur Härte. Man
bewundert sie nicht nur aus der Ferne, sondern man kann sich
auch innig an sie anschließen. Sie ziehen die Schwächeren
hebend zu sich empor. Sie haben nicht nur den Stachel der
Wahrheit, sondern auch den Balsam des Trostes. - Zu dem
Geist der Liebe kommt noch hinzu der Geist der Zucht. Liebe
in Verbindung mit Zucht ist heilige Liebe. Liebe ohne Zucht
ist gutmütige Schwäche, die mehr verdirbt als nützt. Zucht
ist da, wo der Mensch zuerst nach Gottes Gebot fragt und sich
in den Schranken seines Willens bewegt. Von Natur sind wir
zuchtlose Geschöpfe. Jeder möchte nur tun, wozu ihn die
Neigung treibt. - Heutzutage breitet sich grauenvolle
Zuchtlosigkeit vor unseren Augen aus. Alle Schranken werden
niedergerissen, die Autorität verhöhnt, die göttlichen Gebote
in den Kot gezogen. Das ist der Geist des Antichrists. Der
Geist Jesu ist ein Geist der Zucht. Wohl kann sich der
Mensch auch selbst bis zu einem gewissen Grad in Zucht halten
und beherrschen. Aber der Geist der Zucht ist doch etwas
anderes. Da wird man von oben gewarnt, die Schranken zu
überschreiten, von oben angetrieben, das Rechte zu tun.
Diesen Geist der Zucht empfängt man, wenn man seinen
Eigensinn und Leichtsinn, seine Zügellosigkeit und seinen
Widerspruchsgeist schmerzlich empfindet und sich unter Jesu
Joch begibt. Kraft, Liebe und Zucht machen einen ganzen
Christen.