1Tim 5,4
W.MacDonald
»... gegen das eigene Haus fromm zu sein...«
1. Timotheus 5,4
Vielleicht kennen wir den Ausdruck: »Zu Hause ein Teufel,
ein Heiliger auswärts.« Er beschreibt die furchtbare
Neigung, den Menschen draußen gegenüber gütig und mitteilsam,
zu Hause aber barsch und unfreundlich zu sein.
Dieser Fehler ist nicht auf eine bestimmte Menschengruppe
beschränkt. Junge Menschen müssen auf der Hut davor sein.
Es ist so einfach, unter seinen Altersgenossen wie ein
Filmstar dazustehen, und doch ein Schrecken für die Eltern
zu sein. Ehemänner können ihren Geschäftspartnern gegenüber
eine lächelnde Fassade aufsetzen, doch wenn sie nach
Hause kommen, schalten sie das Lächeln ab und zeigen ihr
gewöhnliches, reizbares Ich. Prediger legen vielleicht auf
der Kanzel einen schillernden Stil an den Tag, im Wohnzimmer
aber sind sie launisch und mürrisch.
Es ist einer der perversen Züge unserer gefallenen Natur, daß
wir manchmal am gemeinsten zu denen sind, die uns am nächsten
stehen, die am meisten für uns tun, und die wir - in unseren
vernünftigeren Phasen - am meisten lieben. So schrieb Ella
Wheeler Wilcox:
Eine große Lebenswahrheit habe ich erkannt,
Als ich in den Westen reiste:
Die einzigen Menschen, die wir wirklich verletzen
Sind die, die wir am meisten lieben.
Wir schmeicheln denen, die wir kaum kennen,
Sind freundlich zum schnell dahineilenden Gast,
Und versetzen gar manchen gedankenlosen Schlag
Denen, die wir am meisten lieben.
Ein anderer Dichter empfand diesen Umstand folgendermaßen:
»Wir haben Grüße für den Fremden, ein Lächeln für den Gast,
doch für die Unseren oft nur ein bitteres Wort, obgleich wir
die Unseren am meisten lieben.«
»Es ist sehr einfach, eine 'Kirchen-Religion' oder
eine 'Gebetsversammlungs-Religion' oder eine
'Werk-des-Herrn-Religion' an den Tag zu legen; aber es
ist etwas völlig anderes, eine 'Alltags-Religion' zu
haben. 'Gegen das eigene Haus fromm zu sein' ist eines der
lebenswichtigsten Elemente des Christentums, aber leider auch
eines der seltensten. Es ist überhaupt nicht ungewöhnlich,
daß Christen 'ihre Gerechtigkeit' außerhalb, 'vor den
Menschen üben, um von ihnen gesehen zu werden', aber
jämmerlich versagen, gegen das eigene Haus fromm zu sein.
Ich kenne einen Familienvater, der in seinem Gebet bei der
wöchentlichen Gebetsversammlung so vollmächtig und in seiner
Ermahnung so eindrücklich war, daß die ganze Versammlung
durch seine Frömmigkeit erbaut wurde; aber wenn er nach den
Versammlungen nach Hause kam, war er so mürrisch und häßlich,
daß seine Frau und seine Familie in seiner Gegenwart nicht
einmal ein Wort zu sagen wagten.«
Samuel Johnson (1709-1784, berühmter englischer Essayist und
Lexikograph) sagt: »Jedes Lebewesen rächt seine Schmerzen an
denen, die zufällig in der Nähe sind.« Der Mensch sollte
dieser natürlichen Neigung widerstehen.
Was wir zu Hause sind, ist ein klarerer Beweis unseres
Charakters als Christen, als was wir in der Öffentlichkeit
darstellen.