1Tim 2,1
A.Christlieb
Das Rauchwerk des Gebets
»So ermahne ich nun, daß man vor allen Dingen zuerst tue
Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen«
(1. Tim. 2, 1).
Vier Stücke gehörten nach 2. Mose 30, 34 zum Räuchwerk der
Stiftshütte: »Balsam, Stakte, Galban, Weihrauch.« Vier Stücke
gehören nach unserm Text auch zum rechten Gebet. Paulus
nennt sie Bitte, Gebet, Fürbitte, Danksagung.
1. Bitte
Die Gebete sind zumeist Bittgebete. Eine Bitte brachte
Hiskia vor, als er krank war und um Besserung flehte
(2. Kön. 20, 3).
Eine Bitte war es, als Jaebez um Segen und Erweiterung
der Grenzen bat (1. Chr. 4, 10).
Bitten bewegten die zehn Aussätzigen (Luk. 17, 13) und die
Mutter der Zebedäus Kinder (Matth. 20, 20 u. 21). Bitte
ertönt allenthalben.
2. Anbetung
Seltener ist Gebet = Anbetung, Vertiefung in die Gemeinschaft
mit Gott.
Abraham »blieb stehen« vor Gott (1. Mose 18, 22). David
»stärkte sich« in dem Herrn (1. Sam. 30, 6). Er blieb vor
dem Herrn.
Kennen wir solches Beten? Ach, wieviel oberflächliches
Bitten, wie selten das Anhalten und Bleiben im Gebet!
3. Fürbitte
Das dritte Stück heißt Fürbitte. Epaphras kann sie uns
lehren (Kol. 4, 12). Paulus trieb sie ohne Unterlaß (Röm.
1, 9 u. 10). Jesus übte sie aus vor seinem Tod (Luk. 23,
34).
Nicht für uns allein, für alle Welt dürfen wir bitten. Laßt
die Liebe Jesu ins Herz, dann ist die Fürbitte ein seliges
Üben!
4. Danksagung
Zuletzt ruft Paulus zum Danken auf.
Gehören wir zu den Undankbaren wie die neun Aussätzigen (Luk.
17, 17 u. 18)? Oder stehen wir mit in den »Dankchören, die
auf Jerusalems Mauern sind« (Neh. 12, 31)? Wie wird im
Himmel gedankt! Hier auf Erden soll dieser Himmelston
anfangen. Wie Matthanja müssen wir werden, von dem es heißt:
»Matthanja hatte das Dankamt« (Neh. 12, 8). Ins »Lobetal«
müssen wir hineingehen mit Josaphat (2. Chr. 20, 26) und
mit ihm schon vor den Kämpfen für Gottes Treue danken (V. 21
u. 22).
Laßt uns alle vier Teile des Räuchwerks zusammentun! Aber
eins! - Kein »fremdes Feuer« (3. Mose 10, 1)! Nicht im
Sturm etwas erzwingen wollen! »Sei stille dem Herrn und
warte auf ihn« (Ps. 37, 7)!
C.Eichhorn
Das Gebet geht allem vor
So ermahne ich nun, daß man vor allen Dingen zuerst tue
Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung. 1. Tim. 2, 1
Das Gebet ist im Christenleben Anfang, Mitte und Ende. Die
erste Berührung von oben weckt das Gebet auf. Das Suchen der
Seele spricht sich aus im Gebet. Ihren Kampf führt sie im
Gebet. Der Glaube äußert sich im Beten, sonst ist er stumm
und darum tot. Das Gebet ist für die Seele so unentbehrlich
wie das Atemholen für das leibliche Leben. Wir können in der
Heiligung, in der Nachfolge Jesu und auf dem Wege der Leiden
keinen Schritt gehen ohne Gebet. Das Gebet geht allem vor,
es ist die große Hauptsache. Allerdings knüpft die Bibel
unsere Seligkeit nicht an das Gebet, sondern an den Glauben.
Denn es beten viele, und doch fehlt ihnen die rechte
Herzensstellung, der lebendige Glaube an Christus. Die
Pharisäer beteten lang und viel. Aber dabei haßten und
töteten sie Jesus. Solches Gebet ist wertlos. "Obgleich sie
viel beten, hört sie Gott doch nicht." Aber es gibt keinen
lebendigen Glauben, der sich nicht im Gebet äußert; auch
gelangt niemand zum Glauben, der nicht ernstlich zu Gott
fleht. - Gotteskinder können von sich selbst nichts tun, sie
müssen sich alles schenken lassen. Sie sind ganz darauf
angewiesen, stets und in allen Anliegen zu beten. Auch die
irdischen Geschäfte dürfen sie nicht in eigner Kraft tun.
Weltmenschen bringen ihre Sachen ohne Gebet fertig. Aber
seinen Kindern läßt es Gott auch in äußeren Dingen nicht
gelingen, wenn sie nicht zuvor betend aufblicken. Vollends
im inneren Leben sind wir ganz auf das Glaubensgebet
angewiesen. Aller Kampf ist vergebens, wenn er nicht in der
Kraft geführt wird, die uns im Herrn geschenkt ist und im
Gebet immer aufs neue von uns angeeignet werden muß. Wenn
wir ein Wort reden wollen, das ins Gewissen dringt oder auch
dem Widersacher den Mund stopft, das den Niedergeschlagenen
aufrichtet und den Lässigen anfeuert, dann müssen wir es
uns von oben schenken lassen. Wie viele gutgemeinte Worte
und Ermahnungen prallen am Herzen des andern fruchtlos ab
und bewirken nur Abstumpfung! Warum? Weil sie nicht aus
betendem Sinn entspringen, sondern aus dem eigenen Vermögen
geschöpft werden. Viele fromme Worte berühren nur als
Schallwellen das äußere Ohr. Ein einziges Wort, das wir uns
unter herzlichem Flehen von oben erbitten, dringt wie ein
Pfeil ins Gewissen und legt sich wie Balsam aufs wunde Herz.
- Der Apostel will, daß wir vor allen Dingen zuerst dem Gebet
obliegen. Lassen wir es darum das erste an jedem Tage sein!
Die Morgenstunde ist die beste Zeit des Tages, und dem Herrn
gehört das Erste und Beste. Da sind wir frisch und noch
nicht zerstreut durch die Eindrücke des Tages. Abends sind
wir so erschöpft und verbraucht, daß wir uns schwer zu Gott
erheben können. Was wir am Morgen am Gebet versäumen, holen
wir schwer mehr ein. Darum sei das Gebet das erste an jedem
Tag, das erste vor all unserem Tun und Reden.