1Thes 4,7
C.O.Rosenius
Gott hat uns nicht zur Unreinigkeit berufen, sondern zur
Heiligung. 1. Thess. 4, 7,
Dieses Hauptstück von der Heiligung ist neben dem von der
Versöhnung Christi und ihrer Annahme durch den Glauben das
wichtigste für die Aufrechterhaltung des geistlichen Lebens,
richtiger gesagt: Das geistliche, ja, das ewige Leben ist in
diesen zwei Hauptstücken enthalten: Christi Gerechtigkeit für
uns - und des Geistes Heiligung in uns. Sie verhalten sich
im Reich der Gnade zueinander wie die Schöpfung und die
Erhaltung im Reiche der Natur. Tausende, die ,,im Geiste
angefangen hatten, haben im Fleisch vollendet", weil sie
nicht zeitig und ernstlich genug dieses Stück beherzigten und
das Wort und den Geist des Herrn nicht genügend beachteten,
als Er Heiligung in ihnen wirken wollte. Sieh hier ein
Beispiel:
Ein Mensch wird erweckt und fängt mit Besorgnis an, seine
Errettung zu suchen. Gewöhnlich kommt er zuerst unter die
Knechtschaft des Gesetzes und in die unglückliche Arbeit
hinein, seine eigene Gerechtigkeit aufzurichten. Er sucht
sich zu bessern, die Sünden abzulegen, gegen dieselben zu
wachen, zu beten und zu streiten, um, wenn dies einmal
gelungen ist, Gnade und Trost von Christus anzunehmen. Aber
es mißlingt immerfort. Die Sünde wird ihm übermächtig. Er
fällt, steht zwar wieder auf, aber er fällt aufs neue und tut
das, was er früher gemieden hat. Er wird so sicher, hart,
leichtsinnig, daß er erschrickt und verzweifelt - kurz, ,,die
Sünde fließt über." In diesem unglücklichen Zustand bekommt
er das Evangelium zu hören, wie Jesus gekommen ist, die
Sünder zu erretten und die Gottlosen gerecht zu machen, und
erfährt nun, daß wir gerecht werden ohne Verdienst, ohne
Werke, ohne Zutun des Gesetzes, allein aus Gnaden durch den
Glauben. Hier erhält er Leben, hier wird er errettet, in
diesem Gnadenworte findet er seine Erlösung, seinen Trost,
sein Himmelreich auf Erden, und fängt nun in Wahrheit an, in
der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes zu leben; denn ,,so
euch der Sohn freimacht, so seid ihr recht frei". Jetzt
folgt diesem Glaubensleben sogleich ein neuer, heiliger Sinn,
willig und bereit zu allen guten Werken. Der Mensch hat nun
eine neue Kraft und Freudigkeit, in der Nachfolge Christi zu
wandeln; und so ist die rechte Heiligung nun in Wahrheit
angefangen. Er ist jetzt an die rechte Stelle gepflanzt, wie
ein Weidenbaum an den Wasserbächen, nämlich in Christus
eingepfropft und immer in Seiner Versöhnung lebend.
Wer würde glauben, daß gerade bei diesem lieblichen
Frühlingsblühen, unter dem Wachstum verleihenden Regen und
Sonnenschein des Evangeliums der Wurm oder die Fäulnis
erzeugt werden könnte, die bald die ganze schöne Pflanzung
zunichtemachen wird? Das geschieht dennoch leider betrübend
oft; und zwar nicht selten z. B. in folgender Weise: Zuerst
findet sich die alte Schlange ein, die mit ihrer Hinterlist
Eva verführte. Der arglistige Satan, der den Menschen nicht
mehr mit dem Gesetz irreleiten und festhalten kann, findet
sich ein und will ihn von der entgegengesetzten Seite aus
versuchen und ihm einen Trost einflößen, den das Wort nie
gegeben hat. Da er von aller Schuld und von der Gewalt des
Teufels freigemacht wurde, sei er auch aller Gefahr enthoben,
so daß er nichts zu befürchten habe, sondern sich fortan
ganz der Ruhe hingeben könne. Aber dies ist eine ebenso
schädliche wie falsche Einflößung, denn der gerechtfertigte
Mensch ist noch nicht aller Gefahr entgangen, und diese ist
doppelt so groß und näher, wenn er sie nicht befürchtet. Er
ist gewiß frei von der Schuld, von dem Urteil und dem Fluch
der Sünde, hat aber immer noch den anderen Feind, der den
ganzen gewonnenen Schatz bald zunichtemachen könnte,
nämlich das böse Fleisch, das innewohnende Verderben, das
unausgesetzt mit dem Teufel und der Welt im Bunde stehen
will. - Obwohl diese innewohnende Sünde dir nun weder
zugerechnet wird, noch dich verdammt, solange du in Christus
bleibst, so kann sie doch ein anderes Übel verursachen, wenn
sie nicht beizeiten angegriffen und unter täglicher Buße
gekreuzigt und getötet wird, - ein entsetzliches Übel, das
darin besteht, daß sie dein geistliches Leben erstickt und
tötet.
Zu der Verblendung durch den Satan kommt noch einiges beim
Menschen hinzu. Er liest im Wort Gottes ernstliche
Warnungen, sich nicht aufs neue in das knechtische Joch
gefangennehmen zu lassen, sondern in der Freiheit zu
bestehen, zu der uns Christus befreit hat. Aus diesem nimmt
er neben der guten Lehre auch die falsche Meinung, daß er
sich jetzt nicht weiter um das Wort, das etwas von uns
fordert, zu kümmern brauche, sondern sich ausschließlich an
das liebliche Evangelium halten müsse. Er verwechselt also
(bezüglich der Freiheit vom Gesetz) das Gewissen mit dem
Fleisch, die Gerechtigkeit vor Gott mit dem Wandel auf Erden
und bezieht die Freiheit auf diese beiden weitgeschiedenen
Verhältnisse. Leider gibt er dem Fleisch und dem Wandel viel
mehr Freiheit als dem Gewissen. Denn die Seuche und Unart
liegen in unserer Natur, daß wir im Gewissen gesetzlich und
knechtisch, im Fleisch und im Wandel aber frei und gesetzlos
sein wollen. Da nun das Wort auch von der Freiheit vom
Gesetz redet und der Mensch nicht recht unterscheidet, was
frei und was gebunden sein sollte, und da außerdem besondere
Versuchungen zur Sünde hinzukommen, ist es leicht geschehen,
daß er ,,durch die Freiheit dem Fleische Raum gibt" und ,,die
Gnade unseres Gottes auf Mutwillen zieht." Und dann ist der
ganze Schatz doch wieder so verloren, als ob er ihn nie
gewonnen hätte.
Halt ja deine Krone feste,
Halte gläubig, was du hast;
Recht beharren ist das Beste;
Rückfall wird zur schweren Last.
Dies bedenke, meine Seele,
Nutze jeden Augenblick;
Halt mit immer frischem Öle
Deine Lampe im Geschick.