Kolosserbrief

Kol 3,12 C.O.Rosenius So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld. Kol. 3, 12.

Seht hier, welche herrlichen Dinge die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten schmücken sollen! Der Apostel erinnert uns zunächst an die hohen Titel der Gläubigen und will, daß wir unserem Stand gemäß gekleidet sein sollen, wie es den Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten geziemt. Das ist auch die Ermahnung des Apostels in Eph. 4, wo er sagt: ,,So ermahne ich euch nun, daß ihr wandelt, wie sich's gebührt eurer Berufung, mit der ihr berufen seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Geduld." Beachte! ,,Wie sich's gebührt eurer Berufung." Was den Kindern der Welt wohl anstehen mag, kann einem Kind Gottes ganz ungebührlich und unpassend sein. Sein Gutes für sich zu behalten oder hoffärtig und eitel zu sein, mit einem Widersacher zu rechten oder viele eitle Worte zu reden, das ist allgemeine Sitte der Welt, und niemand wundert sich darüber. Den Kindern des Lichts aber wäre das ungebührlich; sie sollen einen den Kindern der Welt entgegengesetzten Weg wandeln. Es steht den Königskindern nicht an, wie Bettelkinder gekleidet zu gehen. Weil ihr nun Gottes Auserwählte, Heilige und Geliebte seid, sagt der Apostel, so kleidet euch so, wie es solchen geziemt.

Wir wollen jetzt die Kleidung selbst betrachten. Zuerst nennt der Apostel herzliches Erbarmen oder das Innerste der Barmherzigkeit, was eine innerliche und brennende Regung der Barmherzigkeit im Herzen bezeichnet, aus der dann Erbarmen folgt, teils darin, einen Fehler zu vergeben, teils einem bedürftigen und notleidenden Menschen zu helfen. Dies ist der Gegensatz zu dem kalten, selbstsüchtigen Sinn, der nur auf sein Recht blickt, und es ist eigentlich ein Teilhaftigsein der göttlichen Natur in den Herzen der Gläubigen, ja, gerade das Innerste und Bezeichnendste der Natur Gottes. Diese innige Barmherzigkeit meint Gott an vielen Stellen, z. B. wenn Er sagt: ,,Ist nicht Ephraim Mein teurer Sohn und Mein trautes Kind? Denn Ich gedenke noch wohl daran, was ich Ihm geredet habe; darum bricht Mir Mein Herz gegen ihn, daß Ich Mich seiner erbarmen muß, spricht der Herr." Das ist die innige Barmherzigkeit unseres Gottes, die sich in allen Seinen Kindern abspiegeln soll. Jesus sagt: ,,Seid barmherzig, wie auch euer Vater ,barmherzig ist", und abermals: ,,Auf daß ihr Kinder (oder das Ebenbild) eures Vaters im Himmel seid; denn Er läßt Seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten, und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte."

Das zweite Stück unserer Kleidung ist Freundlichkeit oder Güte und Wohlwollen, d. h. eine Neigung, den Menschen zu Diensten und zum Nutzen zu sein. Es ist eine so schöne Kleidung der Auserwählten Gottes, daß viele nur durch sie zu Gott und seinem Volk gezogen wurden. Gottes Kinder sollen die freundlichsten, dienstfertigsten Menschen auf Erden sein. Was eine Predigt nicht vermochte, hat oft diese Eigenschaft ausgerichtet. Darum war auch das ganze Leben Christi auf Erden lauter Freundlichkeit und Wohltun. ,,Er zog umher, hat wohlgetan und gesund gemacht alle." Die höchste Erleuchtung und die schönsten Worte schaffen keinen Nutzen, richten vielmehr nur Erbitterung an, wo ein kaltes, unfreundliches Wesen herrscht. Wie betrübend ist das! Diejenigen, die die herrliche Kunde mitzuteilen haben, müssen sie in das liebenswürdigste und freundlichste Wesen einhüllen.

Das dritte Stück, das ein jeder leicht versteht, die Demut, hängt nahe damit zusammen. Wenn ein Christ, getrieben von ,,herzlicher Barmherzigkeit", seinem Nächsten oft ein Warnungswort zur Erweckung sagen muß, so ist das an und für sich ein Werk, das leicht als geistlicher Hochmut gedeutet werden kann, weshalb auch die allgemeinste Beschuldigung der Welt gegen die Gläubigen die ist, daß sie hochmütig sind, obwohl gerade die Christen ihr eigenes Elend so sehr fühlen und beklagen. Wenn aber selbst der Inhalt des Bekenntnisses eines Christen von der Beschaffenheit sein muß, daß es den Kindern der Welt als Hochmut erscheint, so ist es um so notwendiger, daß wir auf jede nur mögliche Weise ausdrücken und zu erkennen geben, daß wir nicht aus Hochmut dazu getrieben werden. Es ist notwendig, daß wir nicht nur Demut im Herzen haben, sondern uns auch in Demut kleiden. Würden im Herzen Hochmut und Selbstgefallen entstehen und würden wir solches behalten und ihm huldigen, so ist eine größere Gefahr vorhanden und ein tiefer Fall oder eine andere Torheit bald vor der Tür; denn Gott widersteht den Hoffärtigen. Dann hilft auch keine Erkenntnis und keine Wachsamkeit, der Fallgrube, die uns in den Weg gelegt wird, zu entgehen. Darum sagt der Apostel: ,,Haltet fest an der Demut!" Es wird euch dennoch kaum möglich sein, darin zu bleiben; ,,trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den Niedrigen, haltet euch nicht selbst für klug!"

Das vierte Stück, das wir anziehen sollen, ist Sanftmut, oder daß man sich nicht so bald erzürnen läßt, und das fünfte ist Langmut, daß man in der vergebenden Sanftmut sich nicht ermüden läßt, so daß man nicht aufhört, an eine Freundschaft mit dem Mitmenschen zu denken, der unsere Geduld auf die Probe stellt.

Selig ist das Niedrigsein; Denn die Beugung unter alle wehrt dem Falle, Macht mich arm und dadurch reich, Christo gleich, Lehrt mich nach der Liebe trachten Und den Bruder höher achten; So vermehrt sich Gottes Reich.