Kol 3,11
W.MacDonald
»Da ist... Christus alles...« Kolosser 3,11
Es gibt eine Tendenz unter uns Christen, einen Großteil
unserer Zeit darauf zu verwenden, daß wir nach neuen
geistlichen Erfahrungen suchen, die uns irgendwie dauerhaften
Sieg garantieren oder Freiheit vom Auf und Ab des täglichen
Lebens. Wir rennen auf Tagungen, Konferenzen, Seminare und
Workshops auf der Suche nach der trügerischen Zauberformel,
welche die Probleme unseres Lebens beseitigen soll.
Hochglanzbroschüren versichern uns, daß Dr. Soundso seine
neue bahnbrechende Entdeckung mitteilen wird, die uns
»radioaktiv« werden läßt vor lauter Heiligem Geist. Oder
ein eifriger Nachbar will uns unbedingt in die Stadthalle
mitschleppen, wo es etwas über eine neulich entdeckte
Abkürzung auf dem Weg zum überfließenden Leben zu hören gibt.
Die verlockenden Angebote sind vielfach. Ein Prediger macht
Reklame für den Königsweg zur Erfüllung. Ein anderer wirbt
mit dem dreifachen Geheimnis des Sieges. Dann wird uns ein
Seminar über die Schlüssel zum tieferen Leben angeboten.
Nächste Woche gibt es eine Tagung über die fünf einfachen
Schritte zur Heiligung. Wir folgen dem Ruf zum Altar und
rennen nach vorn, um mit dem Heiligen Geist erfüllt zu
werden. Oder wir werden so mit der Heilung des Leibes
besessen, als ob das das wichtigste im Leben wäre. Plötzlich
fahren wir auf christliche Psychologie ab, im nächsten
Augenblick auf die Heilung der Erinnerung. Wir durchziehen
Land und Meer auf der Suche nach neuen geistlichen
Höhenflügen. Zweifelsohne sind viele dieser Redner ehrlich,
und manche Dinge, die sie sagen, haben auch einen gewissen
Wert. Aber wenn wir zum Alltagsleben zurückkehren, stellen
wir fest, daß es nun einmal keine Schnellstraße zur Heiligung
gibt, daß die Probleme immer noch da sind, und daß wir Tag
für Tag in Abhängigkeit vom Herrn leben müssen. Schließlich
sollten wir lernen, daß es besser ist, sich mit dem Herrn
Jesus zu beschäftigen als mit Erfahrungen. Bei Ihm gibt es
keine Enttäuschung. Alles, was wir brauchen, haben wir von
Ihm. Er ist der, der uns in allem volles Genüge gibt. A.B.
Simpson (1844-1919, amerikanischer Gründer der CMA, einer
weltweiten Missionsbewegung) verbrachte die frühen Jahre
seines Lebens mit der Suche nach Erfahrungen, aber sie
stellten ihn nicht zufrieden. Dann schrieb er das
wunderschöne Lied mit dem Titel »Er Selbst«, wovon die
erste Strophe und der Refrain folgendermaßen lauten:
Einst war es der Segen, Jetzt ist es der Herr; Einst war es
das Gefühl, Jetzt ist es Sein Wort; Einst wollte ich Seine
Gaben, Jetzt freue ich mich an dem Geber; Einst suchte ich
nach Heilung, Jetzt Ihn selbst allein.
Alles in allem und für immer: Jesus, will ich singen; Alles
in Jesus, und Jesus alles.
C.O.Rosenius
Alles und in allen Christus! Kol. 3, 11.
Welch ein starker Donnerschlag über die ganze Fülle der
Irrtümer der Eigengerechtigkeit! Aber auch welch eine
reiche Quelle der Lehre, des Trostes und der Erquickung
für die Elenden in allen möglichen geistlichen Nöten und
Besorgnissen! ,,Alles und in allen Christus!" Dies ist das
Geheimnis sowohl der Gerechtigkeit als auch der Heiligung
eines Christen sowie seiner Stärke und seines Bestehens in
der Gnade. Dies ist auch das Geheimnis des wunderbaren
Friedens, der Freude und der Freimütigkeit, die man bei
gewissen Menschen auch inmitten der größten Schwachheit und
des größten Elends sieht.
,,Alles und in allen Christus!" Dieser Satz ist leicht
gelernt, was die Worte und die Bedeutung betrifft. Viele
werden auch meinen, sie hätten nichts mehr daran zu lernen;
aber es ist doch gerade dieses Stück, das uns immer fehlt,
sooft Not und Sorgen sich einstellen. ,,Alles und in allen
Christus," das ist auch die Beschreibung dessen, was ein
rechter Christ heißen will, zum Unterschied von allen anderen
Arten von Frommen. Ein Christ ist nämlich ein Mensch, für
den Christus alles in allem geworden ist. Viele sind
religiös, halten aber im Herzen andere Dinge für wichtiger
als Christus, weshalb ihre Gedanken und ihre Worte sich auch
mehr um diese als um Christus drehen, wie Er selbst sagt:
,,Ihr meint, ihr habt das ewige Leben in der Schrift; aber zu
Mir wollt ihr nicht kommen, daß ihr das Leben haben möchtet."
Und was dem Herzen am meisten gilt, merkt man sehr wohl an
der Sprache. ,,Wes das Herz voll ist, des geht der Mund
über." Sie werden auch dieses Wort und diese Bemerkung lesen
und hören können, ohne so aufrichtig gegen sich zu sein, daß
sie darauf achtgäben, wie es mit ihnen bewandt ist. Und
obwohl sie daran erinnert und von ihrer Heuchelei und ihrem
finsteren Selbstverrat überzeugt werden und selbst fühlen,
daß es sie betrifft, können sie doch so abgestumpft sein, daß
sie nicht mehr vermögen, aufrichtig gegen sich selbst zu
werden.
Daneben gibt es Menschen, die in einer anderen Weise diese
Lehre ,,Alles und in allen Christus" nötig haben, die dem
Reich Gottes ganz nahe sind - auch unter denen, die einen
wirklichen Glauben an Christus haben -, die aber doch nicht
wissen, was sie an Ihm haben, wiewohl dieses sicher kein
Christ vollkommen weiß. Sie machen sich viele Sorgen, die,
wenn man denselben auch nicht ganz entgehen kann, doch ihr
Leben nicht so niederbeugen würden, wenn sie nur wüßten, was
sie in ihrem Herrn Christus haben. Johannes sagt, daß es
solche gibt, die ,,an den Namen des Sohnes Gottes glauben,
aber nicht wissen, daß sie ewiges Leben in Ihm haben."
,,Ich kann nie in der Gnade bestehenbleiben," seufzt der
eine, ,,man sieht, wie viele haben abfallen können, und wie
viele und mannigfache Gefahren es gibt. Was wird mit mir
geschehen, der ich so jämmerlich schwach bin, der ich ein
so zur Sünde geneigtes Fleisch, ein so leichtsinniges,
weltliches und heuchlerisches Herz habe?" - Ein anderer
klagt: ,,Ich werde nie etwas anderes als ein Sklave unter
der Sünde. Ich sehe das Böse, kann demselben aber nicht
widerstehen. Ich habe versucht zu glauben, zu beten, zu
wachen und zu streiten und habe gedacht, daß ich doch endlich
die rechte, gründliche, dauerhafte Heiligung bei mir finden
würde; aber nein, ich werde je länger desto ärger!" - Ein
dritter seufzt: ,,Meine Sünde ist immer vor mir! Ich erhalte
keinen Frieden und keine Gewißheit, daß ich die Gnade Gottes
und die Vergebung meiner begangenen Sünden habe; denn ich
fühle noch immer die Anklagen im Gewissen und kann außerdem
nie werden, wie ein Christ sein soll." - Ein vierter: ,,Mit
mir ist es so viel ärger, daß ich nicht einmal meine Sünden,
meinen Zustand fühlen, bereuen und mich davor fürchten kann,
sondern ich gehe ganz tot, kalt und gleichgültig einher" usw.
In all diesen Bekümmernissen und Seelennöten ist der
Hauptfehler stets der, daß man Christus so ganz und
gar vergißt, Ihn geflissentlich übersieht und in seinem
Tagesablauf nicht an Ihn denkt, sondern Ihn zu einem Nichts
macht, weil man in seinem Innern so dahinlebt, als gäbe
es keinen Christus, keinen Heiland, keine hinreichende
Gerechtigkeit vor Gott, keinen allmächtigen Helfer, keinen
zärtlichen Hirten - ja, als wären wir uns selbst überlassen,
und als müßte ein jeder sein eigner Heiland sein und selbst
die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, zuwegebringen, selbst
sein Hirte, sein Helfer, seine Stärke, sein Alles in allem
sein. Sieh, diese gräßliche Finsternis des Unglaubens ist
der Grund alles Bösen. Denn alles würde gut, und allem würde
abgeholfen werden, wenn Christus nur alles in allem sein
dürfte, so wie er uns von Gott gegeben und gemacht ist zur
Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur
Erlösung.
Jesum, Jesum mußt du haben,
Ohn' Ihn schmachtest du vergebens;
Er nur bietet dir das Wasser
Und das Brot des ew'gen Lebens.
Jesum, Jesum mußt du haben!
Graut dir unter'm Fluch der Sünde,
Er allein kann dich erlösen;
Drum auf Ihn dein Herz sich gründe!