Kol 3,2
D.Rappard
Trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem,
das auf Erden ist.
Kol. 3,2.
Das Wort t r a c h t e n drückt ein sehnendes Verlangen,
ein ernstes Streben aus. D a r a u f s i n n e n, heißt
es in einer andern Übersetzung, und dies Wort gibt uns
eine bedeutsame Mahnung. Denn unsere Gedankenwelt ist die
Atmosphäre, in der wir leben. Wohin gehen unsere Gedanken
am häufigsten und natürlichsten? Das ist ein Prüfstein für
unser inneres Leben. Wo unser Schatz ist, da ist unser Herz,
und da sind auch unsere Gedanken.
Was ist das, was droben ist? Vor allem unser Herr Jesus
selbst, der herrliche Heiland. Das Vaterhaus ist da mit seinen
vielen Wohnungen, die Erlösten mit ihren weißen Gewändern
und goldenen Harfen. Heiligkeit ist da, Friede, Vollkommenheit,
unvergängliche Seligkeit. Diese Dinge liegen nicht erst in der
Zukunft. Sie sind da, und wer danach trachtet, hat hier schon
den Vorgeschmack davon.
Diesem Trachten stellt sich das Trachten nach dem, was auf
Erden ist, entgegen. Viel Köstliches ist ja hier, was uns des
himmlischen Vaters Liebe schenkt, und was wir fröhlich und
dankbar genießen dürfen. Aber i r g e n d etwas Irdisches zum
Ziel des brennenden Verlangens machen, ist für die Himmelsbürger
eine Gefahr. Es füllt die Gedanken aus und läßt das Herz leer.
Excelsior! Höher hinauf!
Ewigkeit, in die Zeit leuchte hell hinein,
Daß uns werde klein das Kleine
Und das Große groß erscheine,
Sel'ge Ewigkeit!
C.O.Rosenius
Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf
Erden ist! Kol. 3, 2.
Der Apostel will gleichsam sagen: ,,Hier seid ihr nicht zu
Hause, sondern nur Pilger und Wanderer in einem fremden, ja,
einem feindlichen Land, wo euer Herr oder die anderen aus
unserem geistlichen Geschlecht niemals Ruhe oder Heimat
gehabt haben, sondern das sie nur als gejagte Flüchtlinge
durchzogen haben. Darum muß alles Gute, das euch auf Erden
gegeben wird, für euch dasselbe sein wie dem Pilger eine
angenehme Nachtherberge, in der er nicht bleibt oder sich
niederläßt, weil das Ziel seiner Reise ein ganz anderes ist.
Einem jeden, der sich dessen bewußt ist, daß er ein elender
Sünder, ermüdet und verzweifelt, ja, durch das Gesetz getötet
worden ist, der aber seinen Trost, seine Gerechtigkeit und
sein Leben in Jesus Christus erhalten hat und der jetzt in
einem solchen Glauben und einem solchen Leben lebt, daß er
in der Welt und in der Sünde nicht Ruhe haben kann - einem
jeden, der sich dessen bewußt ist, gilt diese liebliche
Ermahnung:
,,Trachte nach dem, was droben ist, da dein Christus ist!"
Laß dich nimmermehr dadurch betrügen, daß du dir ein Paradies
auf Erden zu bereiten suchst! Es ist nur ein Betrug der
Einbildung, wenn ein Christ hier auf Erden oder in etwas
Irdischem eine größere Freude zu finden hofft, nachdem er
einmal seine Freude in Gott erhalten hat. Wenn etwas anderes
zu seiner größeren Lust und Freude wird, dann leidet sogleich
das Gnadenleben. Willst du darum ein friedvolles und seliges
Leben auf Erden haben und die Liebe des Vaters behalten, so
suche nur mehr und mehr himmlisch gesinnt zu werden, allen
anderen Gewinn und alle andere Lust zu vergessen und nur
nach dem zu trachten, was droben ist, da Christus ist. Denn
solange der Same Gottes in dir bleibt und du das wahre Leben
in Gott führst, bringen irdisches Glück und irdische Freude
dich sowohl in Furcht als auch in Gefahr. Sofern das Leben
des Geistes in dir bleibt, bekommst du nie Ruhe, solange du
mehr Lust und Zufriedenheit in etwas anderem als in Gott
hast. Kannst du im Irdischen ein größeres Vergnügen, einen
lieberen Schatz und eine größere Befriedigung als in Gott und
Seiner Freundschaft haben und trotzdem ruhig und froh sein,
dann steht es nicht wohl mit deinem Leben in Christus.
Arbeiten und Wandeln mußt du auf Erden, das Irdische haben
und brauchen mußt du auch, dies aber nur dem Leibe nach. Das
Herz muß im Himmel sein, da Christus ist. Der Liebeseifer
deines Bräutigams um deine Liebe fordert es. Wenn Gott
dir etwas Liebliches gibt, so nimm es an mit Dankbarkeit,
zugleich aber auch mit Furcht, damit dein Herz davon nicht
eingenommen werde. Alles, was nicht Gott und Seine Gnade
ist, darf auch nicht des Herzens Schatz und Trost sein.
Ein gutes irdisches Durchkommen, Reichtum, Bequemlichkeit,
Ansehen und Ehre oder geistliche Gaben, Erkenntnis,
Erfahrung, guter Wandel, Vertrauen der Brüder alles sind
gute Gaben Gottes, für die du danken mußt, dies aber mit
Ernst, damit sie nicht deines Herzens vornehmlichste Lust
und Zuflucht werden.
Wenn ein Christ also in allen Fällen doch in Gott seine
höchste Lust und Befriedung haben muß, so ist es wahrlich
nicht wert, irdisches Glück und irdische Befriedigung zu
suchen. Denn gewinne ich es, dann ist es meine Gefahr,
gewinne ich es nicht, dann ist es meine Plage. Wenn etwas
Irdisches meinem Herzen zu größerem Glück und größerer Freude
wird als diejenige, die ich in Gott habe, dann wäre das ja
mein ewiges Verderben; würde es dagegen keine größere Freude
und Befriedigung sein als diejenige, die ich schon in Gott
habe, dann ist es - wir sagten es schon - wirklich nicht der
Mühe wert, danach zu trachten, weil ich ja schon im voraus
eine weit größere Freude und Glückseligkeit habe.
Da nun hierzu kommt, daß das Menschenherz einen unendlichen
Durst danach hat, einen anderen Schatz und eine andere Freude
als die in Gott zu erhalten, dann muß man den Worten des
Prätorius recht geben: ,,Das größte Glück der Christen ist,
kein Glück hier auf Erden zu haben." Dann muß derjenige, der
wirklich den Himmel einnehmen will, bald dahin kommen, daß er
Armut mehr als Reichtum, Verachtung mehr als Ehre, Leiden
mehr als Genuß, ja, den Tod mehr als das Leben liebt. Das
mag wohl heißen: ,,Ihr seid gestorben und gekreuzigt mit
Christus." - Ach, eine dem Fleisch allzu bittere Sache!
Hier wird ein jeder merken, wie notwendig es für den ist,
der solchen Gesetzen folgen will, zuerst mit Christus
auferstanden zu sein, und damit ein anderes Leben als nur das
der Natur zu haben, von Gott geboren und in Gott glücklich zu
sein, ja, das Himmelreich im Herzen zu haben, so daß Christus
unser Leben, unser Schatz und unsere Freude ist. Denn sonst
wird es uns allzu unerträglich - ja, unmöglich - in Wahrheit
und beständig nach dem zu trachten, was droben ist, und nicht
nach dem, was auf Erden ist. Das menschliche Herz trachtet
doch nach dem, was auf Erden ist, nach eigener Ehre und
Reichtum, solange man nicht Freude im Herrn oder Leben und
Zufriedenheit in Gott hat. Zwar haben auch rechte Christen
ein irdisches, sündiges Fleisch voller Lüste und Begierden,
sie sind aber doch mit Christus gekreuzigt. Asaph bekennt,
daß es ihm wehetat und in die Nieren stach, sehen zu müssen,
daß der Gottlose alles Glück habe, während der Gerechte viel
leiden müsse, er fügte aber hinzu: ,,Dennoch bleibe ich stets
an Dir, Herr. Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts
nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele
verschmachten, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens
Trost und mein Teil."
Du selber mich bewahre,
Mein Heiland Jesu Christ,
Bis einstens ich mit Freuden
Dich schaue, wie Du bist.