Kol 1,24
J.Kroeker
Vom Geheimnis unserer Leiden.
"Nun freue ich mich in den Leiden für euch und erdulde
stellvertretend das Übrige der Trübsal Christi an meinem
Fleisch für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde."
Kol. 1,24.
Es ist nicht ganz leicht, festzustellen, was sich Paulus
unter der Ergänzung von dem Fehlenden der Trübsale Christi
dachte. Jedenfalls verstand er darunter nicht das
stellvertretende Sühneleiden des Christus. Das bedurfte für
ihn nicht der Ergänzung. Er spricht hier vielmehr von jenen
Leiden Christi, von denen er auch an die Gemeinde in Korinth
schreibt: "Gleichwie die ,Leiden Christi' sich reichlich über
uns ergießen, so ergießt sich auch der Trost reichlich durch
Christus. Mögen wir nun in Not sein, so geschieht es euch
zum Heil und Trost."
Was auch Paulus immer unter dem "Fehlenden der Trübsale
Christi" verstanden hat, eins sehen wir klar, dass ihm die
Gemeinde mit ihrem Haupte, Christus, ein sehr realer,
lebendiger Organismus war, mit dem er sich als Glied aufs
engste verbunden wusste. Seine persönlichen Leiden und
Kämpfe mussten daher unbedingt dem Gesamtorganismus zugute
kommen. Das ist eine sehr köstliche Wahrheit. So manche
Jesusjünger ahnen nicht, von welch weit tragender Bedeutung
es für die Gesamtkirche Jesu sein kann, wenn sie in ihrem
persönlichen Leiden oder in ihren verborgenen Kämpfen den
vollen Sieg erringen. Jeder Gewinn des einzelnen ist hier
Gewinn der Gesamtheit. Und wie würden manche in ihrer
Einsamkeit und auf ihren unbeobachteten Berufswegen weit mehr
in der Furcht Gottes wandeln, wenn sie wüssten, dass jede
innere Niederlage ganz bestimmte Wirkungen in dem lebendigen
Gesamtorganismus des Christus hervorrufen.
Obgleich nur einer bei der Eroberung Jerichos von dem
Verbannten etwas geraubt hatte, so litt doch ganz Israel
darunter. Und hätte David einst je gewagt, den Kampf mit dem
höhnenden Philister im Terebintental aufzunehmen, wenn
demselben nicht der wunderbare Sieg in der Einsamkeit der
Wüste beim Hüten der Schafherden seines Vaters vorangegangen
wäre? Als er im Vertrauen auf die Macht Gottes hinlief und
dem Löwen und dem Bären die geraubte Beute entriss, da
ahnte er nicht, welch entscheidende Bedeutung sein Sieg
etliche Monden später für sein ganzes Volk haben würde.
Was würde es doch auch in unseren Tagen bedeuten, wenn das
tiefe Bewusstsein von dem organischen Zusammenhang des
einzelnen Gliedes mit dem Gesamtorganismus des Christus
wieder lebendig würde und seine volle Kraft entfalten könnte!
Wir ahnen nicht, wie viel das zur Belebung, Bewahrung,
Befruchtung und Bereicherung der gesamten Jesusgemeinde
beitragen würde. Dieselbe würde wieder zu jener
weltüberwindenden Kraftentfaltung zurückkehren, in der
einst in den Tagen des Paulus die Welt überwunden wurde.
J.Kroeker
Vom Geheimnis unserer Leiden.
"Nun freue ich mich in den Leiden für euch und erdulde
stellvertretend das Übrige der Trübsal Christi an meinem
Fleisch für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde."
Kol. 1,24.
Für Paulus sind es Christusleiden, die ihm eine Quelle der
Freude und für die Gemeinde eine Quelle des Segens sind. So
war für ihn das Problem seiner Leiden gelöst. Sie hatten für
ihn ihre Bitterkeit und Härte verloren. Er sah ihre heilige
Zweckmäßigkeit und freute sich der köstlichen Frucht, die
er und andere aus seinen Leiden ernteten.
Denn was er da über seine Leiden schrieb, war nicht tote
Theorie, sondern tiefstes Erleben. Er kannte Leiden.
Als Gefangener schrieb er an die Gemeinde. Die Trübsale
Christi hatten bisher einen sehr wesentlichen Teil seines
Glaubenslebens ausgefüllt. Ihm war es aber nicht fraglich,
warum das so sei. Er wusste, dass Lammesjünger auch
Lammeswege zu gehen hätten. War das Haupt durch Leiden
vollendet worden, so konnten auch die Glieder dieses Hauptes
allein durch Leiden vollendet werden. Paulus konnte sich
keine Jesusjünger denken ohne Jesusleiden, und zwar weil ihm
eine Aussöhnung zwischen einem Jesusleben und dem Weltleben
unmöglich erschien. Eine Vermählung des Geistes mit dem
Fleisch, ein Aufhören der Feindschaft der Weltgemeinde gegen
die Auferstehungsgemeinde galt ihm für ausgeschlossen. Beide
sind durch ihr innerstes Wesen wie durch eine unüberbrückbare
Kluft voneinander geschieden.
Daher bildeten die Leiden für ihn keine Überraschung und
waren für ihn nichts Unerwartetes. Aber mehr: Sie bedeuteten
ihm auch keinen Verlust an Leben und Kraft. Sie raubten ihm
nicht seine Freude am Herrn. Sie brachen nicht seine Kraft
und Freudigkeit im Dienste des Herrn. Im Gegenteil: Sie
vermehrten ihm Kraft und Freude. Sie machten sein Leben
umso fruchtbarer für andere.
Nicht von den Leiden an sich erwartete er diesen Segen.
Leiden an sich konnten ihm nichts an Leben und Kraft geben.
Er erwartete und erlebte diesen Segen vom Auferstandenen,
dem seine Leiden zur Grundlage ganz neuer Kraft- und
Lebensentfaltung werden musste. Und das war für ihn Gewinn.
Jede neue und größere Lebensäußerung Christi bereicherte
sein Leben, erfüllte seine Seele mit Freuden und schuf in
seinem Dienst neue Frucht.
Mit am wertvollsten war ihm jedoch, dass er durch seine
Leiden für die Gemeinde ergänzen durfte "das Fehlende der
Trübsale Christi". Seine Christusleiden kamen dem ganzen
Christusleib zugute. Er hätte dieselben umgehen können, wenn
er sich der Fürsorge für die Gemeinden entzogen hätte. Das
hatte er jedoch nicht getan. Vielmehr hatte er freiwillig
all die Leiden auf sich genommen, die mit seinem Dienst
an den Gemeinden für ihn verbunden waren.