Phil 3,9
C.O.Rosenius
Daß ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz,
sondern die durch den Glauben an Christus kommt. Phil. 3, 9.
Wenn Paulus sagt: ,,So einer für alle gestorben ist, so sind
sie alle gestorben," dann heißt es auch: So einer das Gesetz
für alle erfüllt hat, so haben alle das Gesetz erfüllt. Der
Apostel sagt ausdrücklich, daß Christus unter das Gesetz
getan wurde, auf daß Er die erlöste, die unter dem Gesetz
waren. Einer hat das Gesetz für alle erfüllt. Will ich
darum ein Christ sein, dem Sohn recht glauben und Ihm
huldigen, so muß ich bestimmt sagen: Ich habe das Gesetz
vollkommen erfüllt, ich bin ganz schuldenfrei - nicht in mir,
nicht in meiner Person, sondern durch meinen Bürgen, Mittler
und Stellvertreter, Christus. Ich wäre wert, augenblicklich
in die äußerste Finsternis geworfen zu werden, wenn ich Ihm
für alle Seine Mühe nicht die Ehre gäbe, daß ich mich in
Ihm für vollkommen gerecht hielte. Wer das nicht glaubt und
bekennt, gibt zu verstehen, daß Jesus sein Werk nicht richtig
vollbracht, weder das Gesetz vollkommen gehalten noch die
Strafe für die Sünden erlitten hat; oder aber, daß es nicht
wirklich für uns geschah, sondern daß Er es für sich selbst
bedurft hätte. Welches Bekenntnis wäre das aber für einen
Christen!
Ein Königssohn legt sich aus großer Barmherzigkeit, aus
innigem Mitleid mit einem unglücklichen Diener, der das
Eigentum des Königs vergeudet hat und wegen seiner großen
Schuld ins Gefängnis geworfen wurde, für den Unglücklichen
ins Mittel, bezahlt die ganze Schuld und verbüßt außerdem die
Gefängnisstrafe, zu der der Diener verurteilt war. Wenn nun
der König dies einmal für gültig anerkannt hat, wie könnte
diese Schuld jemals wieder vom Diener gefordert werden? Und
was sollte der arme Diener wohl tun? Sollte er nicht in
inniger Freude und Dankbarkeit vor dem Königssohn
niederfallen und sagen: ,,Alles hast du wohlgemacht; es ist
genug und ewig gut, was du getan hast!"? Wäre es nicht Sünde
und Schande über alle andere Sünde, wenn er noch dächte und
spräche: ,,Ja, aber ich habe weder selbst in eigener Person
meine Strafe verbüßt noch habe ich mit eigenen Mitteln meine
Schuld bezahlt. Wie kann ich dann sicher sein, daß ich nicht
im Gefängnis bleiben muß?" Hieße das nicht soviel wie: ,,Wer
weiß, ob man darauf bauen kann, was der König und sein Sohn
gesagt und getan haben?" Und wäre das nicht töricht?
Nun steht ja ausdrücklich: ,,Was dem Gesetz unmöglich war,
das tat Gott und sandte Seinen Sohn in der Gestalt des
sündlichen Fleisches!" - Und ferner: ,,Unter das Gesetz
getan, auf daß Er die, so unter dem Gesetz waren, erlöste."
Es steht geschrieben, daß Gott Seinen Sohn sandte, auf daß
Er gerade das täte, was das Gesetz nicht bewirken konnte -
,,unter das Gesetz getan". Er war dann ja in unserem
Gefängnis, ,,auf daß Er die, die unter dem Gesetz waren,
erlöste". Und es ist weder ein Traum noch eine Erdichtung,
sondern die ewige, göttliche Wahrheit, die die ganze Schrift
von Anfang der Welt an als die Summe aller Offenbarung
bekundet und uns damit offenbart hat, daß Gott uns Seinen
Sohn zum Mittler und zum Heiland gab. Jesus sagt vom Gesetz:
,,Ich bin gekommen, um es zu erfüllen. Ich heilige Mich
selbst für sie, auf daß auch sie geheiligt seien in der
Wahrheit." ,,Siehe, Ich komme, (im Buche steht von Mir
geschrieben), daß Ich tun soll, Gott, Deinen Willen." -,,In
diesem Willen sind wir geheiligt auf einmal durch das Opfer
des Leibes Jesu Christi." Was wollen wir noch dabei tun?
Gewiß ist es allzuviel, daß Gott uns die Erfüllung des ganzen
Gesetzes schenkt; aber Er ist uns ja in allen Dingen gar zu
groß, zu wundersam und unbegreiflich. Was sollen wir nun
dabei anderes tun, als das uns Dargebotene wie Kinder
annehmen und danken und mit herzlicher Freude und Gegenliebe
die herrliche Freiheit benutzen sowie innig, gern und willig
als Kinder unseren gnädigen Vater lieben und Ihm dienen und
das Gute tun, wozu wir Gnade empfangen. Vor allen Dingen
aber sollen wir wissen, daß unsere Gerechtigkeit vor Gott in
den Werken eines anderen besteht, eine Gerechtigkeit, die
auch dann fest und unvermindert dasteht, wenn wir selbst am
elendsten sind, und die bewirkt, daß unsere Sünden uns nicht
zugerechnet werden.
,,Ab er", so fragst du, ,,was sollen wir tun, wenn das Gesetz
uns der Sünde anklagt?" Antwort: Wir sollen demselben
sogleich darin recht geben, daß in unserem Fleische nichts
Gutes wohnt. Dann aber sollen wir das uns anklagende Gesetz
augenblicklich an Christus als unsere einzige Gerechtigkeit
verweisen und sagen: ,,Dort ist der Mann, der an meiner Statt
alles erfüllt hat, was ich erfüllen sollte. Gehe zu Ihm,
Er ist mein Bürge. Er ist unter das Gesetz getan und hat
wahrlich nicht gesündigt." Und sollte es weiter heißen:
,,Du, du selbst solltest doch auch fromm sein und das tun,
was gut ist," so kann die Antwort nur heißen: ,,Das ist wahr,
und wenn es sich um meinen Wandel handelt und ich unter den
Menschen bin, die Ermahnung nötig haben, erinnere mich daran,
und ich will dich gern hören. Wenn es sich aber um meine
Gerechtigkeit vor Gott handelt, dann gelten nicht meine
Werke, weder meine Frömmigkeit noch meine Sünde etwas; wenn
ich danach gerichtet werden sollte, wäre es aus mit mir.
Aber nun habe ich eines anderen Frömmigkeit, Heiligkeit,
Reinheit, eines anderen Liebe und gute Werke - des Sohnes
Gottes, der unter das Gesetz getan war. In dieser Frage will
ich gern in mir selbst ein großer Sünder sein und nichts
anderes heißen, auf daß Christus allein meine Gerechtigkeit
sei. Hier spreche ich mit Paulus: ,,Daß ich nicht habe meine
Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den
Glauben kommt."
Es mag sich alles wider mich erbosen,
Den Grund der Seligkeit mir umzustoßen;
Hier steht er fest und läßt sich nie zerschmettern,
Trotz allen Wettern.
Kein Mensch, kein Richter, kein ergrimmter Teufel,
Kein in mir selbst entstand'ner schwerer Zweifel,
Nichts kann bei Jesu ew'gen Liebesflammen
Mein Herz verdammen.