Phil 2,7
C.Eichhorn
Christus stieg herab
Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an und ward
gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch
erfunden. Phil. 2, 7
"Gott gleich sein" (Phil. 2, 6) bedeutet: die gleiche
Stellung mit Gott haben. Wesensgleich mit Gott war Jesus
schon von Ewigkeit her, er befand sich in göttlicher
"Gestalt": er besaß Gottesherrlichkeit. Aber er war noch
nicht im Besitz der geschaffenen Welt. Diese gottgleiche
Machtstellung hat er aber nicht an sich genommen wie einen
Raub. Es hätte nahegelegen, weil er doch wesensgleich mit
Gott war, diese weltbeherrschende Stellung an sich zu
raffen. Aber er tat das Gegenteil. Er entäußerte sich der
Gottesherrlichkeit, die er schon von Ewigkeit her besaß. Er
nahm Knechtsgestalt an, das heißt: er wurde Mensch wie wir
und dadurch ebenso abhängig und gebunden, wie wir Menschen
auf allen Seiten sind. Wir kommen nicht los vom Erdboden;
denn die Erde hält uns alle fest vermöge ihrer
Anziehungskraft. Wir können nicht einmal fünf Minuten den
Sauerstoff der Luft entbehren. Unser Leben ist überall an
irdische Bedingungen geknüpft und von Schranken umgeben.
Auch unser Seelenleben ist in seinen Stimmungen von allerlei
Einflüssen abhängig. In diese Gebundenheit begab sich der
Sohn Gottes ganz freiwillig. Auch als er Mensch geworden
war, stieg er noch herab. Er strebte nicht nach Macht und
Ehre, sondern hielt sich herunter zu den Niedrigen. Er ließ
sich verachten, verschmähen und verspotten. Kein Sünder war
ihm zu schlecht. Er wollte keinen Heiligenschein, wie ihn
der fromme Mensch anstrebt und an sich rafft. Er ließ sich
den Sünderfreund nennen von den Pharisäern, die meinten, wer
heilig sei, müsse sich erhaben dünken über die gesunkenen
Menschen. Er wurde wiederholt versucht, eigenwillig etwas
an sich zu ziehen. Der Versucher bot ihm die ganze Welt mit
all ihrer Herrlichkeit an, falls er die Knie vor ihm beugen
würde. Aber der Heiland ging den Weg des Gehorsams, ob er
gleich tief und immer tiefer hinabführte. Er hat sich nie
selbst geholfen, niemals ein Wunder getan, um sich mit Brot
zu sättigen. Er war gehorsam bis zum Tod. Er, der allein
Sündlose, war eigentlich nicht dem Tod verfallen, welcher der
Lohn der Sünde ist. Er hat sich ihm freiwillig unterzogen,
und zwar dem Tod in seiner entehrendsten und martervollsten
Gestalt, dem Kreuzestod. Er starb den Tod eines Verbrechers.
Er ging den Weg des Gehorsams, der Verleugnung, des
Verzichtes. So hat er es uns vorgemacht, so ist sein Sinn.
O, wie müssen wir so völlig umdenken! Es wäre überhaupt
unmöglich, in diesen Sinn des Heilandes einzugehen, wenn uns
nicht durch die Gnade ein neuer Sinn geschenkt würde. Und
dann kostet es noch Kampf, den neuen Sinn des Geistes durchs
ganze Leben hindurch zu behaupten und durchzusetzen gegenüber
dem räuberischen, eigenwilligen, gewalttätigen und
herrschsüchtigen Sinn des alten Menschen.