Philipperbrief

Phil 2,6 C.Eichhorn Christi Demutssinn im Gegensatz zum gewalttätigen, räuberischen Sinn Jesus Christus, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er's nicht für einen Raub, Gott gleich sein. Phil. 2, 6

In uns wohnt von Natur ein räuberischer Sinn. Er ist in uns gekommen durch den Sündenfall. Schon zuvor ist ein Engelfürst zum Räuber geworden. Ihn gelüstete nach der geschaffenen Welt, die in ihrer ursprünglichen, gottgeschaffenen Pracht vor seinen Augen stand. Er wollte sie an sich bringen als einen Raub und sich zu ihrem Herrn machen. Das führte zu seinem Sturz. Er wollte sich selbst erhöhen und ist darum erniedrigt worden. Er ist allerdings immer noch ein Fürst und Machthaber. Er heißt sogar der "Gott dieser Welt". Aber er herrscht nur in der Finsternis, soweit die Sünde reicht. Er hat in der Welt nur Macht, soweit sie in der Sünde lebt und durch die Sünde verderbt ist. Er hat die Gewalt des Todes, aber nicht des Lebens. Dieser Erzräuber hat uns alle mit seinem Sinn angesteckt. "Ihr werdet sein wie Gott", flüsterte er den ersten Menschen zu. Und so raffte der Mensch eigenwillig ein Gut an sich, welches Gott für ihn in Aussicht genommen hatte. Er soll an der göttlichen Natur teilhaben, aber das Ziel nur erreichen auf dem Weg demütigen Gehorsams. Er soll sich seine hohe Würde schenken lassen, nicht aber eigenwillig an sich ziehen wie einen Raub. Das ist nun leider seitdem der Charakter des Menschen: er will an sich raffen, was ihm beliebt. Er möchte alles für sich haben auf Kosten anderer. Er will aus sich etwas machen, sich emporschwingen und andere womöglich unterkriegen. Durch die ganze Menschheitsgeschichte bis in die neueste Zeit beobachten wir den Gegensatz der herrschenden und der beherrschten Klasse, der Unterdrücker und der Unterdrückten. In der Neuzeit ist der Kapitalismus mächtig in die Höhe gekommen. Die wirtschaftlich Starken suchen die Schwachen möglichst auszubeuten. Man meint, wenn die Arbeiter das Heft in die Hand bekämen, würde es anders und besser werden. Seltsamer Irrtum! Sind die, welche bisher unterdrückt waren, etwa andere Menschen? Haben sie nicht denselben Sinn und dasselbe Bestreben in sich? Wollen sie nicht auch ihrem bisherigen Zwingherrn den Fuß auf den Nacken setzen? Reden sie nicht selbst von irgendwelcher Diktatur? Der räuberische Sinn ist und bleibt der Grundfehler unserer ererbten Natur. Man will nicht loslassen, was man einmal hat, sondern hält es krampfhaft fest. Und was man nicht hat, das sucht man mit allen Mitteln zu erringen. Man scheut vor Unrecht nicht zurück, geht rücksichtslos durch, stößt weg und tritt nieder, was sich in den Weg stellt. Dies steckt so tief drinnen, daß die meisten sich gar nicht denken können, daß es jemand anders machen könnte. Als der Heiland am Kreuz hing, riefen sie ihm zu: "Hilf dir selbst, steig herab!" Von einem freiwilligen Verzicht aus Gehorsam hatten diese Menschen keine Ahnung. So sind wir. Wie ganz anders hat der Herr Jesus es uns vorgelebt!