Phil 2,3
C.Eichhorn
Demutsgeist und Streitgeist
Nichts tut durch Zank oder eitle Ehre, sondern durch Demut
achte einer den andern höher denn sich selbst! Phil. 2, 3
Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich! Einer
komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor! Röm. 12, 10
Das Wort für "Zank" bedeutet wörtlich: "Eigensucht". Wo sie
im Spiel ist, gibt es dann freilich Zank, Anstöße und
Zusammenstöße. Man behauptet sein Recht, will nicht
nachgeben und zurücktreten, sich nichts bieten und gefallen
lassen, macht aus allem einen Zankapfel. "Wenn jemand mit
dir rechten will und deinen Rock nehmen, dem laß auch den
Mantel!" Dann ist es mit dem Streit vorbei. "Nötigt dich
jemand eine Meile, so gehe mit ihm zwei!" Zur Zeit Jesu gab's
noch keine geordnete Post wie heute. Die Regierungen hatten
ihre Boten. Waren diese schwer mit Sendungen beladen, so
konnten sie einen Ortseinwohner, und wer ihnen sonst in den
Weg kam, aufgreifen und nötigen, ihnen eine Strecke Weges
tragen zu helfen. Das war jedem eine lästige Zumutung, der
er sich möglichst zu entziehen suchte. Jeder hatte eine
Ausrede und suchte einen andern vorzuschieben, der das
leichter vermöge. Jünger Jesu sollen nicht auf andere
abladen und sich drehen und winden, wenn etwas Unangenehmes
an sie herantritt, sich nicht empören und beschweren.
Im Gegenteil, statt zu murren, lieber das Doppelte von
dem Verlangten tun. Dann ist der Hader beseitigt.
Selbstsüchtige Menschen haben immer zu prozessieren. Sie
können zu Querulanten werden, die überhaupt vom Nörgeln und
Streiten nicht loskommen.
Die Sucht nach eitler Ehre ist auch eine unversiegbare Quelle
der Empfindlichkeit, des Übelnehmens und Grollens. Die Demut
macht das Zusammenleben frei von Reibereien und häßlichen
Störungen. Demütige Jünger und Jüngerinnen achten sich
keiner Ehre wert und sind dankbar für die völlig unverdiente
Ehre, ein Gotteskind heißen zu dürfen. Im Vergleich zu
dieser Ehre erscheint ihnen alle andere Ehre sogar nichtig.
Innerlich gebeugte Seelen sehen tief hinein in ihr sündiges,
verderbtes Herz. Sie kennen sich, und weil sie sich allein
ganz und viel besser kennen als andere, so stellen sie gern
jeden über sich. Sie beanspruchen keine besondere Ehre,
sondern kommen den anderen mit Ehrerbietung zuvor. Sind
wir solch demütige und selbstlose Friedenskinder, die
den Lammessinn des Heilands haben?
"Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor!" Was dem
Menschen seine Ehre gibt, ist das Ebenbild Gottes. Man soll
es auch im verkommensten Menschen noch achten. Wieviel mehr
sollten wir ein Gotteskind ehren, in dem das Ebenbild Gottes
wiederhergestellt ist! Finden wir noch manche Züge des
häßlichen Adamsbildes, dann wollen wir das Auge daran nicht
haften lassen, sondern auf das blicken, was Gottes Geist an
ihm zustande gebracht hat. Es wird uns nicht schwer werden,
den anderen höher zu achten als uns selbst, wenn wir an die
Abscheulichkeit unseres eigenen Wesens denken.
S.Keller
Phil. 2, 3: «... durch Demut achte einer den andern höher,
denn sich selbst.»
Ist es nicht sehr bezeichnend, daß in manchen Sprachen der
Heiden die Missionare kein Wort für Demut finden konnten?
Der Begriff, die Vorstellung davon fehlte; darum gab's auch
kein Wort dafür. Ist es aber nicht ebenso bezeichnend, daß
kein Vorwurf von der Welt gegen die Gläubigen so oft erhoben
wird, als daß sie an geistlichem Hochmut leiden? Sollte
das alles nur Mißverständnis und Verwechslung mit dem
berechtigten Hochgefühl der geretteten Christen sein? In
einer Versammlung von mehreren hundert Reichsgottesarbeitern
stritt man sich lange über ernste Fragen der Heiligung;
plötzlich bat ein erfahrener Christ ums Wort und sagte nur:
,,Brüder, wenn ihr die Adresse eines wahrhaft demütigen und
dabei tüchtigen Pfarrers, Missionars, Evangelisten oder
Stadtmissionars kennt, so seid so gut und schreibt sie
mir auf jenen Bogen, den ich auf den Tisch am Ausgang
niedergelegt habe." Die Diskussion war zu Ende; jeder hatte
nachzudenken bekommen, aber auf dem Bogen war später, wie ich
mich überzeugte, keine einzige Adresse. Wo war der Demütige?
Oder waren wir nicht demütig genug, einem andern dieses Lob
zu spenden?
Herr, erbarme dich über uns! Wir leben doch alle von deiner
Gnade; wir haben nichts, worauf wir uns was einbilden
könnten. Ach, laß uns keine Demut heucheln, wenn wir sie
nicht haben. Aber hilf uns, sie suchen. Amen.
W.MacDonald
»In der Demut einer den anderen höher achtend als sich
selbst.« Philipper 2,3b
Andere höher zu achten als sich selbst ist unnatürlich; die
gefallene menschliche Natur wehrt sich dagegen, wenn ihrem
Ego ein solcher Schlag versetzt wird. Es ist menschlich
einfach unmöglich; wir haben in uns selbst nicht die Kraft,
ein solches übernatürliches Leben zu leben. Aber durch die
Kraft Gottes ist es möglich; der in uns wohnende Heilige
Geist befähigt uns, unser Ich zurückzustellen, so daß andere
geehrt werden.
Gideon ist eine schöne Illustration für unseren Vers.
Nachdem seine dreihundert Mann die Midianiter geschlagen
hatten, rief er die Männer von Ephraim, um dem Feind den
Todesstoß zu versetzen. Sie schnitten den Fluchtweg ab
und nahmen zwei Fürsten von Midian gefangen. Aber dennoch
beklagten sie sich, daß sie nicht eher zu Hilfe gerufen
worden waren. Gideon antwortete, die Nachlese Ephraims sei
besser als die Weinlese Abiesers (Richter 8,2), d.h. die
von den Ephraimiten durchgeführte Säuberungsaktion war nach
seinen Worten beeindruckender als der ganze Feldzug Gideons.
Diese selbstlose Haltung beruhigte die Männer von Ephraim.
Joab legte große Selbstlosigkeit an den Tag, als er Rabba
einnahm und dann David rief, um der so gut wie eroberten
Stadt den Gnadenstoß zu versetzen (2. Samuel 12,26-28).
Joab war es recht, ja es war sein Wunsch, daß David den
Ruhm des Sieges bekommen sollte. Dies war einer der edlen
Momente im Leben Joabs.
Der Apostel Paulus achtete die Philipper höher als sich
selbst. Er sagte, daß ihr Wandel und Dienst das eigentliche
Opfer für Gott war, während er selbst nichts weiter als ein
Trankopfer darstellte, das über das Opfer und den Dienst
ihres Glaubens gesprengt wurde (Philipper 2,17).
In neuerer Zeit hielt sich einmal ein hochgeschätzter Diener
des Herrn zusammen mit anderen bekannten Predigern im
Seitenzimmer eines großen Vortragssaales auf und wartete
darauf, mit ihnen zusammen die Bühne zu betreten. Als er
schließlich in der Tür erschien, erhob sich donnernder
Applaus. Doch er ging schnell zur Seite, damit die anderen,
die ihm folgten, den Beifall erhielten.
Das größte Beispiel der Selbstverleugnung ist der Herr
Jesus. Er erniedrigte Sich Selbst, damit wir erhöht würden.
Er wurde arm, damit wir reich würden. Er starb, damit wir
leben.
»Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christo Jesu
war.«