Philipperbrief

Phil 1,18 C.Eichhorn Die störenden Schatten, die aus dem Ichwesen auftauchen Was tut's? Daß nur Christus verkündigt wird auf allerlei Weise, so freue ich mich. Phil. 1, 18

Eine fröhliche Stimmung der Seele nehmen wir an Paulus wahr. Sie klingt durch den ganzen Brief an die Philipper hindurch. Seine äußere Lage war nicht dazu angetan. Er befand sich bereits das vierte Jahr in Gefangenschaft. Er durfte zwar in Rom ausgehen, aber angefesselt an den wachhabenden Soldaten. Jeder, der ihn sah, mußte ihn für einen Verbrecher halten. Nun kam seine Sache endlich zur Verhandlung. Die Philipper waren in Sorge um ihn. Paulus selbst sieht in dem öffentlichen Verhör nur Grund zur Freude, stellt es sich nun doch heraus, daß das Evangelium keine staatsgefährliche Sache ist. Man hatte ihn ja berichtigt, daß er mit seiner Predigt die öffentliche Ruhe störe und überall Zwiespalt anrichte. Nun zeigte es sich in der Verhandlung, daß die Botschaft von Jesu nicht dem politischen und sozialen Leben, sondern nur dem alten Menschen gefährlich ist. Viele Brüder in Rom gewannen nur desto mehr Zuversicht, mit dem Zeugnis von Jesu hervorzutreten; denn der Prozeß des Apostels nahm einen günstigen Verlauf. - Dem Paulus lag alles am Evangelium. Wenn nur die Sache seines Heilands Fortschritte machte, dann war er vergnügt. Sein persönliches Wohlergehen stand dagegen zurück. Neben wohlgesinnten Zeugen des Evangeliums gab es in Rom auch solche, die dem Apostel übelwollten. Es waren ehrsüchtige, unlautere Judenchristen, die sich bemühten, neben dem Apostel Kreise von Bekehrten zu sammeln. Sie dachten, er wolle das Haupt der ganzen Christenheit aus den Heiden bilden, und es werde ihn verdrießen, wenn sich außerdem Gemeinden bildeten, die sich nicht in seine Arbeit eingliederten. Sie schoben ihm also ihren eigenen Sinn unter. Aber sie verrechneten sich. Paulus ist nicht verstimmt über die Konkurrenzarbeit. Ihn freut es, wenn nur Christus verkündet wird, selbst wenn die Beweggründe hierzu nicht reiner Art sind, sondern neidischem und gehässigem Wesen entspringen. Er war los vom eigenen Ich, und hierin liegt der Grund seiner unverwüstlichen Heiterkeit und seiner unerschütterlichen Friedfertigkeit. - Menschen, die von ihrem Ich besessen und gefesselt sind, haben eine Quelle immer neuen Unmuts und Ärgernisses in sich. Sie nehmen alles persönlich und fühlen sich zurückgesetzt, auch wo ihnen niemand zu nahe treten will. Sie wollen keinen sich ins Gehege kommen lassen, sind voll Neid und Bitterkeit, wenn "Konkurrenten" auftauchen. Sie können sich auf die Dauer mit niemand vertragen, fangen immer wieder Händel an. Sie sind "zänkisch": selbst unglücklich und für andere beschwerend. Arme Menschen, die überall Grund zur Empfindlichkeit finden und an allen Leuten etwas auszusetzen haben, nur nicht das eigene ungebrochene Wesen erkennen! Glückliche Menschen, die vom eigenen Ich los sind, weil sie es an den Herrn Jesus verloren haben! Sie sind keine Störenfriede.





W.MacDonald »Wird doch auf alle Weise, sei es aus Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündigt, und darüber freue ich mich, ja, ich werde mich auch freuen.« Philipper 1,18

Es ist ein weit verbreitetes Übel unter den Menschen, nichts Gutes außerhalb ihres eigenen privaten Gesichtskreises anzuerkennen. Sie haben gleichsam ein Monopol, was Können und Leistung betrifft, und können unmöglich zugeben, daß irgend jemand sonst etwas Vergleichbares sein oder tun kann. Sie erinnern uns an den ironischen Autoaufkleber: »Ich bin Eins A, du bist so la la.« Und selbst das würden manche nur zähneknirschend zugeben. Ihre Gemeinde ist die einzig wahre. Ihr Dienst für den Herrn ist der einzige, der zählt. Ihre Ansichten über alle Dinge sind die einzig gültigen. Sie »sind die Menschen, mit denen die Weisheit aussterben wird«. Paulus gehörte nicht zu jener Schule. Er erkannte an, daß auch andere das Evangelium predigten. Zugegeben, einige taten es aus Neid, in der Hoffnung, ihn damit zu ärgern. Aber dennoch konnte er sie dafür loben, daß sie das Evangelium verkündigten, und dennoch konnte er sich darüber freuen, daß Christus gepredigt wurde. In seinem Kommentar über die Pastoralbriefe schrieb Donald Guthrie: »Unabhängige Denker brauchen viel Gnade, um anzuerkennen, daß die Wahrheit auch noch durch andere Kanäle als ihre eigenen fließen kann.« Es ist ein typisches Kennzeichen der Sekten, daß ihre Führer behaupten, in allen Fragen des Glaubens und der Moral das letzte Wort zu haben. Sie verlangen bedingungslosen Gehorsam allen ihren Forderungen gegenüber und versuchen, ihr Anhänger von jeder eventuellen Berührung mit abweichenden Meinungen zu isolieren. In der selten gelesenen Einleitung der King-James-Übersetzung der Bibel schreiben die Übersetzer von »eingebildeten Brüdern, die ihre eigenen Wege gehen und nichts anderes schätzen, als was von ihnen selbst erdacht und auf ihrem eigenen Amboß geschmiedet wurde«. Wir sollten daraus lernen, großherzig zu sein und jedes Gute anzuerkennen, wo immer wir es auch finden; und einzusehen, daß, wenn wir an christliche Gemeinschaft glauben, wir niemals behaupten können, »wir« wären die einzig Richtigen und hätten die Wahrheit gepachtet.