Gal 5,22
D.Rappard
Die Frucht des Geistes.
Gal. 5,22.
Darin wird mein Vater geehrt, daß ihr viel Frucht
bringet.
Joh. 15,8.
Wir wollen heute bei dem Wort Frucht verweilen. Frucht
entsteht durch das Zusammenwirken zweier Kräfte. So
ist es im Reich der Natur, so auch im Reich der Gnade. - Wenn
im Frühjahr die Bäume blühen und die Halme emporsprossen,
ist es von der größten Wichtigkeit, daß in jede Blüte etwas
von dem köstlichen Blütenstaub dringe, ohne den sich keine Frucht
bilden kann. Der weiche, empfängliche Blütenstempel ist dazu da,
um den befruchtenden Blütenstaub aufzunehmen. Dieser ist in
Fülle vorhanden. Linde Lüfte und fleißige Bienen vermitteln
ihn. Wunderschön ist es, ein Kornfeld zu sehen, wenn der Wind
darüber weht, und die Halme sich vor ihm neigen wie ein
wogendes Meer.
Und wie der Wind über unsere Fluren streicht, so weht ein
heiliger, lebenbringender Odem über das menschliche Ackerfeld.
Er ist königlich frei und königlich reich. Wo sich eine Herzblüte
öffnet und mit dem inneren Organ des Glaubens den Samen
des Wortes aufnimmt, da entsteht Leben. D e r H e i l i g e
G e i s t, v e r e i n t m i t u n s e r m G e i s t, b r i n g t
d i e F r u c h t h e r v o r, d i e G o t t s u c h t.
Seele, verspürst du eben jetzt etwas von dem göttlichen
Winde, der das Wort Gottes dir nahe bringt, o, so laß ihn ein!
Herr, auch ich möchte Frucht bringen zu Deiner
Ehre. Schaffe sie in mir. Ich öffne mich im
Glauben Deinem Walten.
D.Rappard
Die Frucht des Geistes ist Liebe.
Gal. 5,22.
Bleibet in meiner Liebe!
Joh. 15,9.
Die Frucht des Geistes wird im Verborgenen des Herzens
gewirkt und offenbart sich danach in Taten. Es ist nicht
verwunderlich, daß in der Reihe der süßen Geistesfrüchte,
die wir hier betrachten, die Liebe zuerst genannt wird.
Denn Gott ist die Liebe, und wo Er in ein Herz einzieht, da
zieht die Liebe ein.
Die göttliche Liebe quillt nicht hervor aus dem dürren
Boden des natürlichen Herzens; sie wird ausgegossen in das
Herz durch den Heiligen Geist (Röm. 5, 5). Jesu Liebe ist die
Quelle, daraus alle wahre Liebe fließt; darum sagt er: Bleibet
in meiner Liebe! Nur wer seine Liebe kennt, kann wahrhaft
lieben.
O wie ist die Liebe so schön, so überaus köstlich. Ohne Liebe
ist unser Christentum nichts. Ohne sie sind unsere beredtesten
Worte nur klingende Schellen. - Liebe überwindet die
Selbstsucht. Liebe ist Hingabe; sie sucht andere glücklich zu
machen. Die Liebe macht das Herz weit und die Arme lang.
Ein Herz, in dem die Liebe wohnt, fühlt sich gestraft und
unglücklich, sobald die Empfindlichkeit, Zorn oder gar Haß sich
darin regt. Es eilt zur Liebesquelle zurück, sucht Reinigung und
neue Gnade zu vollem Sieg.
Der Du die Liebe selber bist, fülle mein Herz
ganz, daß ich die Eigenliebe überwinden und
etwas von Deiner Liebe ausstrahlen möge.
D.Rappard
Die Frucht des Geistes ist . . . Freude.
Gal. 5,22.
Solches rede ich zu euch, auf daß meine Freude in euch bleibe.
Joh. 15,11.
Es gibt eine Freude dieser Erde. Sie erfüllt das Herz, wenn
die Sonne des Glücks uns lacht, wenn Liebe uns umgibt
und unsere schönsten Wünsche in Erfüllung gehen. Aber es gibt
eine höhere und bleibendere Freude, die eine Frucht des Geistes
ist. Jesus nennt sie s e i n e Freude, weil sie nur von seinem
Nahesein und nicht von irdischen Umständen abhängt. Sie
leuchtet gerade in der Trübsal am hellsten, wie die Sterne
in dunkler Nacht.
Ein Dichter, der unter seinen Genossen der fröhlichste sein
konnte, hat nachstehenden Vers hinterlassen:
Wenn ihr mich, möglichst spät, begrabt,
So sei auf meinem Stein zu lesen:
Er hat zeitlebens Glück gehabt,
D o c h g l ü c k l i c h i s t e r n i e g e w e s e n.
Wie anders lauten die Zeugnisse der Gotteskinder!
Paul Gerhardt singt:
Mein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein,
Ist voller Freud' und Singen, sieht lauter Sonnenschein;
Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesu Christ.
Das, was mich singen machet, ist was im Himmel ist.
Das ist die Sprache wahrer Freude. Solche Freude gibt
Kraft. Sie ist ein Zeugnis vor der Welt, die es an den
Gotteskindern merken sollte, w i e g u t d e r V a t e r i s t.
Laßt uns diese süße Frucht in treuem Herzen pflegen; ihr Gedeihen
hängt davon ab, daß wir stets der Sonne zugewandt sind.i
Unsre Seele dürstet nach wahrer Freude. Sie ist allein
in Dir, o Jesu. Darum erfülle Du mich ganz und gar!
D.Rappard
Die Frucht des Geistes ist . . . Friede.
Gal. 5,22.
Meinen Frieden gebe ich euch.
Joh. 14,27.
M e i n e Liebe! M e i n e Freude! So konnten wir schon hören.
Und bei der Betrachtung der herrlichen Frucht des Friedens grüßt
uns das Wort des Heilands: M e i n Friede. Wenn die Seele aus
ihrem Todesschlaf erwachtund merkt, daß ihre Sünde sie scheidet
von Gott; wenn sie dannin aufrichtiger Reue und wahrem Glauben
zu Jesu naht undunter seinem Kreuz Vergebung und Leben findet, da
hat sie F r i e d e n mit G o t t. All Fehd' hat nun ein Ende, und
anstatt des verdammenden Urteils ihres Gewissens hat sie in Jesu
selige Ruhe. F r i e d e in G o t t ist ihr Lebenselement geworden;
er ist geradezu unentbehrlich zu ihrem inneren Wohlsein und
Gedeihen. Und sie lernt aus Erfahrung verstehen, was es ist um
den Frieden Gottes, der die Herzen r e g i e r t (Kol. 3, 1 5), die
Sinne b e w a h r t (Phil. 4, 7), und höher ist als alle Vernunft.
O, hüten wir uns vor allem, was diesen Frieden stört.
Jede Sünde tut es, auch sogenannte kleine Sünden und Untreuen.
Sie sind wie ein böser Hauch, der den reinen Seelenspiegel
verdunkelt, so daß Jesu Antlitz nicht darauf strahlen kann.
Lieber auf einen Genuß verzichten, lieber einem heißen Wunsch
entsagen, lieber alles verlieren als den seligen Frieden.
Umschließ mich ganz mit Deinem Frieden,
Mein treuerkannter Seelenfreund!
Halt mich von allem abgeschieden,
Was Du nicht bist, was Dich nicht meint!
D.Rappard
Die Frucht des Geistes ist . . . Geduld.
Gal. 5,22.
Der Herr richte eure Herzen zu der Geduld Christi.
2. Thess. 3,5.
Geduld ist ein stilles Aushalten in Beschwerden, ein
demütiges Bleiben u n t e r einer auferlegten Last. Das
Wort wird in der Schrift auch gebraucht im Sinn von Beharren,
D u r c h h a l t e n. Lasset uns laufen durch Geduld im
Kampf, der uns verordnet ist (Hebr. 12, 1). Solche Geduld ist
dem natürlichen Herzen fremd; sie ist eine Frucht des Geistes.
Er lehrt uns g e d u l d i g s e i n i n T r ü b s a l, lehrt
uns stille halten seinem Walten, stille halten seiner Zucht. Trifft
uns ein Schmerz, so soll unser Bestreben nicht sein, möglichst
bald davon befreit zu werden, sondern möglichst still Gott zu
verherrlichen. Wohl dürfen wir ihm unsere Not bringen und ihn
um Hilfe anrufen, aber dann vertrauensvoll warten auf ihn.
Er lehrt uns G e d u l d ü b e n g e g e n M e n s c h e n,
die uns nicht verstehen, besonders gegen solche, die den Herrn
nicht verstehen. Wenn wir innerlich gereizt sind, weil wir keine
Frucht unserer Ermahnungen, keine Erhörung unserer Gebete
sehen, so ist unser Einfluß gelähmt.
O, wie viel Geduld hat Jesus in seinem Leben und Sterben
bewiesen! Wie viel Geduld hat er mit uns! Lebt er in uns, so
muß sich diese Gesinnung auch in uns offenbaren. - Ein Christ
ist ein Mensch, der geduldig warten kann.
Herr, stille Du mein ungeduldiges Herz. Lehre
mich, Dir Frucht bringen in Geduld. Mach mich
Dir gleichgesinnt!
D.Rappard
Die Frucht des Geistes ist . . . Freundlichkeit.
Gal. 5,22.
Es ist erschienen die Freundlichkeit Gottes, unsres Heilandes.
Tit. 3,4.
Eine Legende sagt, die Mitbürger Jesu hätten ihm während
seiner dreißigjährigen Wartezeit in Nazareth den Beinamen
gegeben: Die Freundlichkeit. Die Jünglinge aus den
umliegenden Ortschaften hätten jeweils an Festtagen gesagt:
,,Kommt, laßt uns heute zur ,,Freundlichkeit" gehen." Es bedarf
wahrlich solcher Legenden nicht um darzutun, wie freundlich
Jesus war. Wie hat er seine Freundlichkeit bewiesen an Kranken,
Trauernden, Schuldbeladenen, auch an den kleinen Kindern!
Wie hat er der Welt so wunderschön das Bild seines Vaters
geoffenbart, von dem das Wort Gottes ungezählte Male rühmt:
D e r H e r r i s t f r e u n d l i c h!
Es gibt eine falsche, gekünstelte Freundlichkeit, die sich
nur in äußerlichen Gebärden zeigt; von dieser reden wir nicht.
Die göttliche Freundlichkeit hat ihren Sitz in einem Herzen, das
los ist von sich selbst, und Jesum liebt. Sie ist eine Macht.
Mancher, der sich gegen Predigt und Ermahnung verschlossen
hatte, wurde gewonnen durch Freundlichkeit. - Hast du schon
bedacht, daß Gottes Wort uns den Befehl gibt: S e i d
u n t e r e i n a n d e r f r e u n d l i c h! Freundlich sein
im Familienkreis, freundlich gegen Leidende, freundlich gegen
Fremde, etwa auf Reisen oder in Schwierigkeiten, freundlich,
weil die wesentliche Freundlichkeit im Herzen wohnt, das ist
köstlich vor Gott und Menschen.
Jesu, Jesu! Hilf mir dazu,
Daß ich mag freundlich sein wie Du!
D.Rappard
Die Frucht des Geistes ist . . . Gütigkeit.
Gal. 5,22.
Ein gütiges Herz ist des Leibes Leben.
Spr. 14,30.
Weil Gott gut ist, muß etwas von seiner Güte aufgehen
in dem Herzen, das er bewohnt. Paulus rühmt von seinen
Römern: Ihr seid voll Gütigkeit. Gütigkeit ist eine überaus
wertvolle, aber eine seltene Frucht. Sie ist nicht Schwachheit,
die zwischen Recht und Unrecht nicht zu unterscheiden vermag.
Sie ist nicht bloße Gutmütigkeit, die aus Bequemlichkeit oder
gar Trägheit den Dingen ihren Lauf läßt. Sie ist nicht blind
gegen die Fehler derer, die sie liebt, aber sie deckt sie zu und
sucht, wie sie bessern kann. Wie Barnabas, von dem gerühmt wird,
er sei ein g u t e r Mann gewesen, sieht sie im Bruder vor allem
d i e G n a d e (Apost. 11, 23).
Gütigkeit ist das Gegenteil von Härte, von Starrköpfigkeit,
von Selbstsucht und von der B o s h e i t, die so tief im
natürlichen Herzen steckt. Sie leidet mit den Leidenden, und
sucht, wie sie ihnen wohltun kann.
Wie kannst du solch süße Frucht hervorbringen? Nur wenn
du dich auf's innigste verbindest mit d e m, der die Güte
selber ist. Verschließe dein Herz jeder Regung der Bosheit,
und öffne es dem reinen, warmen, heiligen Strahl von Gottes
großer Güte.
Herr, mein Gott, wie Deine Güte mich von
Kindesbeinen an umfangen hat, so laß diese
Deine Güte aus mir hervorleuchten, zu Deinem
Preise.
D.Rappard
Die Frucht des Geistes ist . . . Glaube.
Gal. 5,22.
Sei getreu bis in den Tod.
Off. 2,10.
Nur durch den Glauben empfängt ein Mensch den Heiligen
Geist und bringt Früchte des Geistes hervor. Daß der Glaube
hier als F r u c h t des Geistes genannt wird, hat daher
manche Übersetzer veranlaßt, das Wort mit Treue wiederzugeben,
wie es der Urtext auch zuläßt. Wir wollen diese edle,
köstliche Frucht nach allen Seiten hin betrachten und suchen,
sie uns zu eigen zu machen.
1. Frucht des Geistes ist Glaube im Sinn von immer festerer
V e r b i n d u n g mit dem Herrn. Es geht von Glauben
zu Glauben. Im Anfang ist der Glaube oft schwankend; je
inniger man mit dem Herrn zusammenwächst, desto
unerschütterlicher wird er.
2. Frucht des Geistes ist Glaube im Sinn von V e r t r a u e n
auf Gott in allen Lagen. Das ist der Glaube, der Berge versetzen
kann, der ruhig bleibt auch im Sturm, der geborgen ist in Gott.
3. Frucht des Geistes ist Glaube im Sinn von T r e u e
gegen den Herrn. Es gilt treu sein im Bekennen seines Namens.
Es gilt seine Schmach tragen auch in Verfolgung und Not.
4. Frucht des Geistes ist Glaube im Sinn von
Z u v e r l ä s s i g k e i t im ganzen Wesen. Ein
Geistesmensch ist treu in irdischen Pflichten, treu
im Gehorsam, treu im Kleinen.
Herr, lehre mich gehen von Glauben zu
Glauben, von Kraft zu Kraft, von Treue zu
Treue, von Gnade zu Gnade.
D.Rappard
Die Frucht des Geistes ist . . . Sanftmut.
Gal. 5,22.
Jesus spricht: Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.
Matth. 11,29.
Siehe, dein König kommt zu dir s a n f t m ü t i g, so lautet
das prophetische Wort Jahrhunderte vor der Erscheinung
unseres Herrn (Sach. 9, 9). Und als er kam und mit dem
freundlichen Ruf auftrat: Kommet her zu mir! da zeichnete
er sich selbst mit den Worten: Ich bin sanftmütig und demütig.
O meine Lieben! Wenn er in uns wohnt, muß seine Art, s e i n e
F r u c h t, an uns sich finden. Wir müssen auch sanftmütig und
demütig sein. Sind wir es nicht, streben wir nicht ernstlich
danach, so müssen wir den traurigen Schluß ziehen, daß wir
nichts oder wenig von ihm im Herzen haben.
Aber es kann anders werden. Geben wir uns willig in seine
Kur und beten:
A und O, Anfang und Ende,
Nimm mein Herz in Deine Hände
W i e d e r T ö p f e r s e i n e n T o n!
Ja, wie der Ton weich und geschmeidig ist in des Meisters
Hand, so wird die Seele sanft und gefügig, wenn der Herr
sie in seines Geistes Zucht und Behandlung nimmt. Den
Sanftmütigen wie den Demütigen gibt Gott Gnade. O sträuben
wir uns nicht gegen die Leidenswege, die uns zu solcher
Gnade verhelfen sollen.
Deiner Sanftmut Schild, Deiner Demut Bild
Mir anlege, in mich präge,
Daß kein Zorn noch Stolz sich rege;
Denn vor Dir nichts gilt als Dein eigen Bild.
D.Rappard
Die Frucht des Geistes ist . . . Keuschheit.
Gal. 5,22.
Die Weisheit von oben ist auf's erste keusch.
Jak. 3,17.
Das Wort Keuschheit, das hier als Geistesfrucht genannt
wird, kann auch übersetzt werden mit Mäßigkeit,
Selbstbeherrschung. Auf allen Gebieten des irdischen Lebens wird
ein Mensch, der sich der Wirkung des Heiligen Geistes hingibt, die
sanfte aber starke Zucht dieses göttlichen Regierers verspüren.
E s d a r f k e i n S i c h - g e h e n - l a s s e n
v o r k o m m e n. Auf keinem Gebiet ist dies so nötig wie
auf dem der Sittenreinheit; darum ist es so wichtig, auf
die Keuschheit zu achten.
Keuschheit ist Reinheit. Unsere Seele hat die hohe Bestimmung,
eine Wohnung des dreieinigen Gottes, unser Leib
ein Tempel des Heiligen Geistes zu sein. Kein Schmutz, keine
Gemeinheit soll diesen Tempel verunreinigen. Die weiße Lilie
der Keuschheit blüht in einem Herzen, das gewaschen ist in
des Lammes Blut. Sie ist
Der hohe, reine, bräutliche Sinn,
Der stets nur blickt auf den Einen hin.
Wer sie besitzt, ist keusch in Gedanken und in der Phantasie,
keusch in Worten und Gebärden, keusch in der Kleidung und
in der ganzen Erscheinung. Wohl den Erdenpilgern, denen der
verklärte Herr das Zeugnis geben kann: Sie haben ihre Kleider
nicht besudelt, und sie werden mit Mir wandeln in weißen
Kleidern! denn sie sind es wert (Off. 3, 4).
Schenke, Herr, auf meine Bitte
Mir ein göttliches Gemüte,
Einen königlichen Geist,
Mich als Dir verlobt zu tragen
Allem freudig abzusagen,
Was nur Welt und irdisch heißt.
W.MacDonald
»Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe...« Galater 5,22
Der Ausdruck »die Frucht des Geistes« lehrt uns von Anfang
an, daß die nachfolgend angeführten Eigenschaften nur vom
Heiligen Geist hervorgebracht werden können. Ein Unbekehrter
ist nicht in der Lage, auch nur eine dieser Tugenden zu
offenbaren. Auch ein wahrhaft Gläubiger ist unfähig, sie
aus eigener Kraft zu entwickeln. Wenn wir also an diese
Eigenschaften denken, dann müssen wir uns vor Augen halten,
daß sie übernatürlich sind und aus einer anderen Welt
stammen.
Die Liebe, von der hier beispielsweise gesprochen wird, ist
nicht der 'eros' (griechisch) der Leidenschaft oder die
'philia' der Freundschaft oder die 'storge' der Zuneigung.
Es ist die 'agape' - Liebe - die Art von Liebe, die Gott uns
erwiesen hat, und die wir nach Seinem Willen auch anderen
erweisen sollen.
Vielleicht kann ich das an einem Beispiel illustrieren.
Dr. T.E. McCully war der Vater von Ed McCully, einer der
fünf jungen Missionare, die in Ecuador von der Hand der
Auca-Indianer den Märtyrertod erlitten haben. Als eines
Abends Dr. McCully und ich in Oak Park, Illinois, im Gebet
zusammen auf unseren Knien waren, gingen seine Gedanken nach
Ecuador und zum Curaray-Fluß zurück, der immer noch das
Geheimnis des Verbleibs von Eds Leichnam verborgen hält.
Er betete: »Herr, laß mich lang genug leben, daß ich die
Rettung dieser Burschen erleben kann, die unsere Jungens
umgebracht haben, damit ich sie umarmen und ihnen sagen kann,
daß ich sie liebe, weil sie meinen Christus lieben.« Als
wir aufstanden, bemerkte ich die Tränen, die seinen Wangen
herabliefen.
Gott hat dieses Gebet der Liebe erhört. Einige dieser
Auca-Indianer kamen später zum Glauben an Christus. Dr.
McCully ging nach Ecuador, begegnete diesen Männern, die
seinen Sohn ermordet hatten, schloß sie in seine Arme und
sagte ihnen, daß er sie liebte, weil sie seinen Christus
liebten.
Das ist 'agape'-Liebe. Sie ist unparteiisch und sucht für
alle das Beste - für die Unscheinbaren ebenso wie für die
Beliebten, für die Feinde ebenso wie für die Freunde.
Sie ist bedingungslos und verlangt keinen Dank für ihr
beständiges Geben. Sie ist aufopfernd und fragt nie nach
den Kosten. Sie ist selbstlos und kümmert sich mehr um die
Nöte und Bedürfnisse der anderen als um die eigenen. Sie
ist rein, frei von jeder Spur von Ungeduld, Neid, Stolz,
Rachsucht und Groll.
Liebe ist die größte Tugend im christlichen Leben. Ohne
sie sind unsere edelsten Unternehmungen wertlos.
W.MacDonald
»Die Frucht des Geistes aber ist: ... Freude...«
Galater 5,22
Der Mensch findet solange keine wirkliche Freude, bis er
den Herrn gefunden hat. Dann erfährt er, was Petrus
»unaussprechliche und verherrlichte Freude« nennt
(1. Petrus 1,8).
Wenn die Umstände günstig sind, kann sich jeder freuen, aber
die Freude, die eine Frucht des Geistes ist, ist nicht ein
Produkt irdischer Umstände. Sie hat ihre Quelle in unserer
Beziehung zum Herrn und in den kostbaren Verheißungen, die
Er uns gegeben hat. Christus müßte erst entthront werden,
ehe die Gemeinde ihrer Freude beraubt werden könnte.
Christliche Freude kann neben und zusammen mit Leiden
existieren. Paulus schafft eine Verbindung der beiden, wenn
er von »allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden«
spricht (Kolosser 1,11). Die Heiligen in Thessalonich
hatten das Wort »in vieler Drangsal mit Freude des Heiligen
Geistes« aufgenommen (1. Thessalonicher 1,6). Heilige,
die leiden mußten, haben alle Jahrhunderte hindurch bezeugt,
wie der Herr ihnen »Gesänge in der Nacht« gab.
Freude kann neben und mit Schmerz existieren. Der Gläubige
kann am Grab eines geliebten Freundes oder Verwandten stehen
und Tränen über den Verlust vergießen, aber sich gleichzeitig
freuen in dem Bewußtsein, daß der Geliebte nun in der
Gegenwart des Herrn ist.
Aber Freude kann nicht neben und zusammen mit Sünde
existieren. Wann immer ein Christ sündigt, verliert er sein
Lied. Erst wenn er seine Sünde bekennt und läßt, kehrt die
Freude seines Heils zurück.
Der Herr Jesus empfahl seinen Jüngern, sich zu freuen, wenn
sie geschmäht, verfolgt und verleumdet würden (Matthäus 5,
11.12). Und sie handelten danach! Nur einige Jahre später
lesen wir von ihnen, wie sie den Gerichtssaal verließen
»voll Freude, daß sie gewürdigt worden waren, für den
Namen Schmach zu leiden« (Apostelgeschichte 5,41).
Unsere Freude vermehrt sich, wenn wir in der Erkenntnis des
Herrn wachsen. Zuerst sind wir vielleicht nur in der Lage,
uns bei kleineren Verärgerungen, chronischen Krankheiten und
alltäglichen Unannehmlichkeiten zu freuen. Aber der Geist
Gottes möchte uns an einen Punkt bringen, daß wir Gott
auch dann noch sehen können, wenn die Umstände absolut
unerträglich sind, und uns in dem Bewußtsein erfreuen
können, daß alle Seine Wege vollkommen sind. Wir sind zur
geistlichen Reife gelangt, wenn wir mit Habakuk sagen können:
»Denn der Feigenbaum wird nicht blühen, und kein Ertrag wird
an den Reben sein; und es trügt die Frucht des Olivenbaumes,
und die Getreidefelder tragen keine Speise; aus der Hürde ist
verschwunden das Kleinvieh, und kein Rind ist in den Ställen.
Ich aber, ich will in dem HERRN frohlocken, will jubeln in
dem Gott meines Heils« (Habakuk 3,17. 18).
W.MacDonald
»Die Frucht des Geistes aber ist: ... Friede...«
Galater 5,22
Sobald wir gerechtfertigt sind durch Glauben, haben wir
Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus (Römer
5,1). Das bedeutet, daß die Feindschaft zwischen uns und
Gott beendet ist, weil Christus die Ursache dieser
Feindschaft - unsere Sünden - völlig weggetan hat.
Wir haben deshalb auch Frieden des Gewissens, da wir wissen,
daß das Werk vollbracht ist, Christus die Strafe für unsere
Sünden auf Sich genommen und Gott sie vergessen hat.
Aber der Heilige Geist möchte auch, daß wir den Frieden
Gottes in unseren Herzen genießen. Dies ist die Gelassenheit
und Ruhe, die aus dem Wissen entspringen, daß unsere Zeiten
und Geschicke in der Hand Gottes sind, und daß uns nichts
außerhalb Seiner Zulassung zustoßen kann.
Darum können wir ruhig bleiben, wenn uns auf der
dichtbefahrenen Autobahn plötzlich ein Reifen platzt. Wir
brauchen unsere Beherrschung nicht zu verlieren, wenn wir
wegen eines Verkehrsstaus unser Flugzeug nicht mehr
erreichen. Frieden zu haben heißt auch, bei einem Autounfall
oder bei einer Fettexplosion auf dem Küchenherd die Nerven zu
behalten.
Diese Frucht des Geistes versetzt einen Petrus in die Lage,
im Gefängnis tief und fest zu schlafen, befähigt einen
Stephanus, für seine Mörder zu beten, ermöglicht es einem
Paulus, mitten in einem Schiffbruch andere zu trösten.
Wenn ein Flugzeug in starke Luftturbulenzen gerät und wie
eine Feder im Sturm hin- und hergeworfen wird, wenn die
Enden der Tragflächen vier Meter weit auf- und abschwingen,
wenn die meisten Fluggäste kreischen, während das Flugzeug
schlingert, sich aufbäumt und plötzlich abtaucht, dann
befähigt jener Friede den Gläubigen, seinen Kopf zu neigen,
seine Seele Gott anzubefehlen, und Gott dafür zu preisen,
wie immer der Ausgang sein wird.
Oder, um eine andere Illustration zu verwenden: Der Geist
Gottes kann uns auch Frieden geben, wenn wir im Büro unseres
Arztes sitzen und ihn sagen hören: »Es tut mir furchtbar
leid, Ihnen mitteilen zu müssen, daß die Geschwulst leider
bösartig ist.« Er kann uns zur Antwort befähigen: »Ich bin
bereit zu gehen, Herr Doktor. Ich bin durch Gottes Gnade
gerettet, und für mich wird es heißen, daß ich bald
'ausheimisch von dem Leibe und einheimisch bei dem Herrn'
sein werde.«
Deshalb können wir - mit den Worten von Bickersteths
wunderbarem Lied - »Frieden, vollkommenen Frieden in dieser
finsteren Welt der Sünde« haben, »von dringenden Pflichten
bedrängt ... wenn die Wogen der Leiden rings um uns
hochschlagen ... wenn die Geliebten weit weg sind ... und
unsere Zukunft völlig im Dunkel liegt«, weil wir »Jesus
kennen, und Er auf dem Thron ist«.
W.MacDonald
»Die Frucht des Geistes aber ist: ... Langmut...«
Galater 5,22
Langmut ist die Tugend, die die Kümmernisse des Lebens
geduldig erträgt und ihnen tapfer standhält. Das kann man
auf eine geduldige Haltung in schwierigen Umständen beziehen;
es bedeutet aber im allgemeinen ein nachsichtiges Ertragen
der Angriffe und Provokationen anderer Menschen.
Gott ist langmütig mit dem Menschen. Denken wir nur einen
Augenblick an die ungeheuerliche Sündhaftigkeit des heutigen
Menschengeschlechts - die Legalisierung der Prostitution,
die Popularisierung der Homosexualität, Gesetze, die die
Abtreibung erlauben, der Zusammenbruch von Ehe und Familie,
die völlige Verwerfung moralischer Maßstäbe und natürlich
die alles überragende Sünde des Menschen - die gänzliche
Verwerfung des Sohnes Gottes als alleinigen Herrn und
Heiland. Man könnte Gott kaum einen Vorwurf machen, wenn Er
die Menschheit auf einen Schlag ausradieren würde. Aber Er
tut es nicht. Seine Güte möchte die Menschen zur Umkehr
leiten. Er will nicht, daß auch nur einer verlorengeht.
Und es ist Sein Wille, daß diese Langmut sich im Leben der
Seinigen widerspiegelt, nachdem sie sich dem Heiligen Geist
ausgeliefert haben. Das heißt, daß wir nicht aufbrausend
sein sollten. Wir sollten nicht bei jeder Gelegenheit in die
Luft gehen. Wir sollten es den Menschen, die uns Unrecht
getan haben, nicht heimzuzahlen versuchen. Stattdessen
sollten wir eine, wie jemand formuliert hat, »einnehmende
Geduld« an den Tag legen.
Als Corrie und Betsie ten Boom im Konzentrationslager
unbeschreibliche Leiden ertragen mußten, sagte Betsie oft,
daß sie nach ihrer Entlassung diesen Menschen helfen müßten.
Sie würden einfach einen Weg finden müssen, ihnen zu helfen.
Corrie dachte, daß ihre Schwester an ein Programm zur
Wiederherstellung der Nazi-Opfer dachte. Erst später wurde
Corrie klar, daß Betsie an ihre Verfolger dachte. Sie wollte
einen Weg finden, wie man sie lehren könnte, zu lieben.
Corrie schreibt dazu in »Die Zuflucht«: »Und ich fragte
mich, und zwar nicht zum ersten Mal, was für ein Mensch
sie war, diese meine Schwester ... welcher Art Straße sie
folgte, während ich neben ihr auf dem allzufesten Erdboden
einherstapfte.«
Die Straße, der Betsie folgte, war der Weg der Langmut.
Und Corrie ging ihn ebenso, ungeachtet ihres bescheidenen
Dementis.
W.MacDonald
»Die Frucht des Geistes aber ist: ... Freundlichkeit...«
Galater 5,22
Freundlichkeit beschreibt die sanfte, gütige, freigebige,
innere Haltung, die sich nach außen in größeren und kleineren
Gefälligkeiten, in Wohltaten und Hilfsbereitschaft zeigt.
Ein freundlicher Mensch ist gütig, nicht schroff; er ist
mitleidig, nicht gleichgültig; er ist hilfsbereit, voller
Anteilnahme. Er ist rücksichtsvoll, mitfühlend und
nachsichtig.
Es gibt eine natürliche Freundlichkeit, die auch die Menschen
in der Welt einander erweisen. Aber die vom Heiligen Geist
gewirkte Freundlichkeit ist übernatürlich. Sie geht weit
über all das hinaus, was der Mensch aus sich selbst heraus
zu tun fähig ist. Sie befähigt den Gläubigen zu leihen,
ohne etwas zurückzuerwarten. Sie befähigt ihn, auch denen
Gastfreundschaft zu erzeigen, die es ihm nicht vergelten
können. Sie gibt ihm die Kraft, jede Beleidigung mit einer
Höflichkeit zu beantworten. Ein christlicher Student erwies
diese übernatürliche Freundlichkeit einem anderen Studenten,
der Alkoholiker war. Letzterer war schließlich so ekelhaft
geworden, daß ihm seine Kommilitonen den Rücken kehrten und
ihm schließlich sogar sein Zimmer im Wohnheim gekündigt
wurde. Der Christ hatte ein zweites Bett in seinem Zimmer
und lud den Trunkenbold ein, bei ihm zu wohnen. In vielen
Nächten mußte der Gläubige das Erbrochene seines Mitbewohners
aufputzen, ihn ausziehen, baden und ins Bett bringen. Es war
eine wunderbare Demonstration christlicher Freundlichkeit.
Und - um die Geschichte abzuschließen - sie zahlte sich aus.
Einmal, in einem nüchternen Augenblick, fragte ihn sein
heruntergekommener Zimmerkollege irritiert: »Sag mal, warum
tust du das alles für mich? Worauf bist du aus?« Der Christ
gab zurück: »Auf deine Seele bin ich aus« - und er bekam
sie.
Als Dr. Ironside einmal seinen Keller ausräumte, rief er
einen jüdischen Altwarenhändler an, um ihn zu bitten,
die Zeitungen, Zeitschriften, Lumpen und das Alteisen
wegzubringen. Dr. Ironside tat so, als wolle er ernsthaft
um einen guten Preis für den Abfall handeln, aber der Trödler
ging natürlich als Sieger hervor. Als er die letzte Ladung
zu seinem Lkw hinausbrachte, rief ihn Ironside freundlich
zurück und sagte: »O, ich habe noch etwas vergessen. Ich
möchte Ihnen dies im Namen des Herrn Jesus geben.« Und er
reichte ihm fünfzig Cents.
Der Altwarenhändler verabschiedete sich mit den Worten:
»Niemand hat mir bisher etwas im Namen Jesu gegeben.«
»Die Frucht des Geistes aber ist: ... Freundlichkeit.«
W.MacDonald
»Die Frucht des Geistes aber ist: ... Güte...«
Galater 5,22
Güte bedeutet charakterliche Vortrefflichkeit. Jemand hat
Güte einmal als »mit allem Zubehör ausgestattete Tugend«
definiert, was einfach heißt, daß der Mensch, der sie
besitzt, in jedem Lebensbereich freundlich, tüchtig und
rechtschaffen ist.
Güte ist das Gegenteil von Schlechtigkeit. Ein schlechter
Mensch kann betrügerisch, unmoralisch, verräterisch,
ungerecht, grausam, selbstsüchtig, gehässig, habsüchtig
und/oder zügellos sein. Ein guter Mensch aber legt, wenn er
auch nicht vollkommen ist, Wahrheit, Gerechtigkeit, Reinheit
und andere ähnlich erstrebenswerte Charakterzüge an den Tag.
In Römer 5,7 unterscheidet der Apostel Paulus zwischen einem
Gerechten und einem Gütigen. Der Gerechte ist aufrichtig,
ehrlich und geradlinig in seinem Handeln, aber er kann
anderen gegenüber kalt und gleichgültig sein. Der Gütige
dagegen ist warmherzig und liebenswürdig. Für einen
Gerechten würde man kaum sterben wollen, vielleicht dagegen
aber für einen Gütigen.
Und doch dürfen wir nicht vergessen, daß Güte auch konsequent
sein kann. Es wäre nicht gut, Sünde zu ignorieren oder
gar zu tolerieren. Deshalb kann wahre Güte auch tadeln,
zurechtweisen und züchtigen. Wir sehen dies deutlich, wenn
der Herr Jesus, der doch die Güte verkörpert in Seiner
Person, den Tempel reinigt.
Ein einzigartiger Zug der Güte ist es, daß sie das Böse
überwinden kann. Paulus schrieb an die Gläubigen in Rom:
»Laß dich nicht von dem Bösen überwinden, sondern überwinde
das Böse mit dem Guten« (Römer 12,21). Wenn wir zulassen,
daß der Haß eines anderen unsere innere Einstellung ruiniert,
dann sind wir vom Bösen überwunden worden. Aber wenn wir uns
davon nicht beeinflussen lassen und Gnade, Barmherzigkeit und
Liebe erweisen, haben wir das Böse mit dem Guten überwunden.
Murdoch Campbell berichtet von einem gottesfürchtigen Pfarrer
im schottischen Hochland, dessen Frau ihm sein Leben mit
allen Mitteln zu verleiden suchte. Als er eines Tages seine
Bibel las, riß sie sie ihm aus den Händen und warf sie ins
Feuer! Er blickte sie an und sagte ruhig: »Ich glaube
nicht, daß ich jemals an einem wärmeren Feuer gesessen bin.«
Seine Güte überwand das Böse. Seine Gattin wurde schließlich
zu einer liebevollen gütigen Ehefrau. Campbell kommentiert
dazu: »Seine Isebel wurde zu einer Lydia. Sein Dorn wurde
zu einer Lilie.« Die Güte hatte überwunden!
W.MacDonald
»Die Frucht des Geistes aber ist: ... Treue...«
Galater 5,22
Hier ist unsere Sorgfalt und Zuverlässigkeit im Umgang mit
dem Herrn und miteinander angesprochen. Jemand hat Treue
definiert als »sich selbst, seinem Wesen, jedem gegebenen
Versprechen, jeder anvertrauten Aufgabe treu zu sein«.
Wenn wir den Ausdruck »Ein Mann - ein Wort« gebrauchen,
meinen wir damit, daß im Umgang mit ihm kein schriftlicher
Vertrag nötig ist. Wenn er etwas zu tun versprochen hat,
kann man sich darauf verlassen, daß er es auch tatsächlich
tut.
Der Treue hält seine Verabredungen pünktlich ein, bezahlt
seine Rechnungen rechtzeitig, kommt regelmäßig zu den
Zusammenkünften der örtlichen Versammlung und führt ihm
anvertraute Aufgaben aus, ohne ständig daran erinnert werden
zu müssen. Er ist seinem Ehegelübde unerschütterlich treu
und absolut zuverlässig im Erledigen seiner familiären
Pflichten. Er legt gewissenhaft Geld für das Werk des Herrn
beiseite und geht sorgfältig mit der Einteilung seiner Zeit
und der Verwaltung seiner Talente um.
Treue bedeutet, sein Wort unbedingt zu halten, auch wenn
es uns persönlich sehr viel kostet. Wenn der Treue »zum
Schaden geschworen hat, so ändert er es nicht« (Psalm 15,
4b). Mit anderen Worten, er läßt nicht eine Verabredung zum
Abendessen platzen, wenn er eine andere Einladung erhält,
die besseres Essen oder angenehmere Gesellschaft verspricht.
Er läßt eine ihm zugewiesene Arbeitsaufgabe nicht einfach
liegen, um auf eine Urlaubsreise zu gehen (wenn er nicht
vorher für einen passenden Ersatzmann gesorgt hat). Er
verkauft sein Haus zum vereinbarten Preis, auch wenn ihm
gleich danach von anderer Seite 10 000 DM mehr geboten
werden.
Die zweifellos höchste Form von Treue ist die Bereitschaft,
lieber zu sterben, als unsere Verbindung mit dem Herrn
aufzugeben. Als ein König von einem treuen Christen
verlangte, sein Bekenntnis zu Christus zu widerrufen,
antwortete dieser: »Das Herz hat es gedacht, der Mund
ausgesprochen, die Hand unterschrieben; und, wenn nötig, wird
es durch Gottes Gnade das Blut besiegeln.« Als man Polykarp
für die Verleugnung des Herrn das Leben anbot, entschied er
sich, lieber auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden und
sagte: »Sechsundachtzig Jahre habe ich nun meinem Herrn
gedient. Er hat mir nichts als Gutes getan, und ich kann
jetzt meinen Herrn und Meister nicht verleugnen.«
Die Märtyrer waren getreu bis zum Tode und werden die Krone
des Lebens empfangen (Offenbarung 2,10).
W.MacDonald
»Die Frucht des Geistes aber ist : ... Sanftmut...«
Galater 5,22
Wenn wir das Wort Sanftmut hören, sind wir leicht geneigt, es
mit Schwäche, Weichlichkeit und Ängstlichkeit in Verbindung
zu bringen. Aber Sanftmut als Frucht des Geistes ist etwas
völlig anderes. Sie entspricht übernatürlicher Kraft, nicht
menschlicher Schwäche.
Zuerst bezieht sie sich auf die bereitwillige Unterwerfung
des Gläubigen unter alles Handeln Gottes in seinem Leben.
Der Sanftmütige beugt sich dem Willen Gottes ohne
Widerspruch, Fragen oder Klagen. Er weiß, daß Gott »zu
weise ist, um zu irren, und zu liebevoll, um unbarmherzig zu
sein«. Im Bewußtsein, daß es keinen blinden Zufall gibt,
glaubt er, daß durch das Wirken Gottes alles in seinem Leben
sich zum Guten wenden wird.
Sanftmut bezieht sich auch auf die Beziehung des Gläubigen
zu anderen. Der Sanftmütige handelt selbstlos, nicht
selbstbewußt, und demütig, nicht hochmütig. Er ist jemand,
der praktisch im Zerbruch lebt. Wenn er etwas Verkehrtes
gesagt oder getan hat, überwindet er seinen Stolz und sagt:
»Es tut mir leid. Bitte vergib mir!« Er möchte lieber sein
Gesicht als seine Selbstachtung verlieren. Wenn er für
Gutestun leidet, erträgt er es geduldig, ohne einen Gedanken
daran zu verwenden, wie er sich wehren könnte. Wenn er
fälschlich beschuldigt wird, verzichtet er auf Verteidigung.
Trench (Richard Chevenix, 1807-1886, englisch-irischer
Erzbischof und Gelehrter) sagt, daß der Sanftmütige
Beleidigungen und Verletzungen durch andere als Mittel aus
der Hand Gottes zu seiner Erziehung und Reinigung annimmt.
Dr. Ironside sah sich nach seinen Vorträgen oft mit Menschen
konfrontiert, die ihm in diesem oder jenem lehrmäßigen Detail
heftig widersprachen. Er pflegte ihre Angriffe mit den
einfachen Worten zu entschärfen: »Nun, Bruder, wenn wir
einmal in den Himmel kommen, wird sich herausstellen, daß
einer von uns Unrecht hat - und vielleicht bin ich es.« Es
ist äußerst schwierig, mit jemandem zu streiten, der
sanftmütig genug ist, zuzugeben, daß er vielleicht falsch
liegt.
Wir sind aufgerufen, das Joch Dessen auf uns zu nehmen, der
»sanftmütig und von Herzen demütig« ist. Wenn wir das tun,
finden wir Ruhe für unsere Seelen und werden schließlich das
Land ererben.
W.MacDonald
»Die Frucht des Geistes aber ist: ... Enthaltsamkeit...«
Galater 5,22
Diese letztgenannte Frucht des Heiligen Geistes wird
häufig auch mit »Selbstbeherrschung« wiedergegeben
(u.a. auch Fußnoten der Elberfelder Übersetzung). Bei
»Enthaltsamkeit« denken wir meist nur an Zurückhaltung im
Gebrauch von alkoholischen Getränken. Selbstbeherrschung
meint aber Mäßigung, Zucht und Verzicht, und zwar bezogen
auf jeden Lebensbereich.
Durch die Kraft des Heiligen Geistes kann der Gläubige seine
Gedankenwelt unter Kontrolle bringen, seine Eß- und
Trinklust, sein Reden, seine Geschlechtlichkeit, sein
Temperament und alle anderen natürlichen Fähigkeiten,
die Gott ihm gegeben hat. Er muß keinerlei Leidenschaft
oder Begierde zwangsweise unterworfen sein.
Paulus erinnert die Korinther daran, daß ein Wettkämpfer auf
jedem Gebiet Selbstbeherrschung praktiziert (1. Korinther
9,25). Er selbst war entschlossen, sich von nichts
überwältigen und versklaven zu lassen (1. Korinther 6,12),
und deswegen unterzog er seinen Körper einer harten
Disziplin, damit er nicht, nachdem er anderen gepredigt
hatte, selbst disqualifiziert würde (1. Korinther 9,27).
Ein disziplinierter Christ vermeidet unmäßiges Essen. Wenn
Kaffee, Tee oder regelmäßiges Colatrinken ihn zu beherrschen
drohen, dann gibt er diese Gewohnheit auf. Er läßt sich
nicht von Tabakgenuß, gleich welcher Form, abhängig machen.
Er vermeidet sorgfältig den Gebrauch von Beruhigungspillen,
Schlafmitteln und anderen Drogen, wenn sie nicht ausdrücklich
vom Arzt verschrieben sind. Er achtet darauf, daß er sich
nicht zuviel Schlaf gönnt. Wenn er mit geschlechtlicher
Begierde zu kämpfen hat, lernt er, unreine Gedanken zu
verdrängen, sich auf eine saubere Gedankenwelt zu
konzentrieren, und sich mit konstruktiven Tätigkeiten
zu beschäftigen. Für ihn ist jede Abhängigkeit und
sündige Gewohnheit ein Goliath, der besiegt werden muß.
Oft hören wir, wie Christen sich beklagen, daß sie mit
einer bestimmten Gewohnheit nicht fertig werden können. Eine
derartige pessimistische Haltung ist eine sichere Garantie
für konstante Niederlagen. Damit sagt man nämlich, daß der
Heilige Geist nicht in der Lage ist, uns den notwendigen Sieg
zu geben. Es ist eine Tatsache, daß unbekehrte Leute, die
den Geist nicht haben, oft mit Rauchen, Trinken, Spielen
und Fluchen aufhören können. Umso leichter sollten Christen
durch den Heiligen Geist, der in ihnen wohnt, dazu in der
Lage sein!
Selbstbeherrschung ist wie die anderen acht Früchte des
Heiligen Geistes etwas Übernatürliches. Sie befähigt den
Gläubigen, sein Leben in einer Weise in den Griff zu
bekommen, von der andere nur träumen können.