Galaterbrief

Gal 5,1 C.H.Spurgeon ,,So bestehet nun in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat." Gal. 5, 1.

Diese ,,Freiheit" macht uns frei zur Aneignung der himmlischen Botschaft in Gottes Wort. Hier, liebe gläubige Seele, ist eine köstliche Schriftstelle für dich: ,,So du durchs Wasser gehest, will ich bei dir sein." Das ist dir frei geschenkt. Hier eine andre: ,,Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer;" auch das ist dir frei geschenkt. Du bist ein willkommener Gast bei dem Abendmahl der Verheißungen. Die Heilige Schrift ist eine unerschöpfliche Schatzkammer, gefüllt mit unabsehbaren Reichtümern der Gnade. Sie ist die Wechselbank des Himmels, du kannst Wechsel auf dieselbe ziehen, so viel und so hoch du nur immer willst, es wird dir alles ohne Abzug oder Einsprache ausbezahlt. Komm nur im Glauben, so bist du willkommen geheißen zum Empfang jeder Bundesgnade. Es gibt keine Verheißung im Wort, deren Erfüllung dir verweigert würde. In den tiefsten Trübsalen kann solche Freiheit dich aufrichten; inmitten der Wogen der Traurigkeit kann sie dich erquicken; wenn dich Pfeile umschwärmen, sei sie dein Trost. Sie ist deines Vaters Liebeszeichen; dir steht alles zu jeder Zeit offen. Du hast auch freien Zugang zum Gnadenthron. Welches auch unsre Wünsche, unsre Nöte seien, so dürfen wir alles offen vor Ihm dalegen. Es ist einerlei, wieviel oder wie schwer wir gesündigt haben, so dürfen wir dennoch stets um Vergebung flehen und darauf zählen, daß sie uns zuteil wird. Es hat nichts zu sagen, wie arm wir seien, wir dürfen uns auf seine Verheißung berufen, daß Er in allem Nötigen für uns sorgen will. Wir haben Erlaubnis, zu jeder Zeit und Stunde zu seinem Gnadenstuhl hinzutreten, es sei in der dunkeln, mitternächtigen Stunde oder in des Mittags brennender Schwüle. Brauche dein Recht, gläubiger Christ, und lebe auf der Höhe deiner Freiheit. Du hast freien Anteil an allem, was in Christo von Schätzen angesammelt ist: Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Es kommt nicht darauf an, was du bedarfst, denn in Christo ist Fülle die Genüge, und sie ist in Ihm für dich vorhanden. O, welch eine Freiheit ist dir geschenkt! Freiheit von der Verdammnis, Freiheit zur Aneignung aller Verheißungen, freier Zugang zum Thron der Gnade, und endlich Freiheit, den Himmel zu ererben!





C.O.Rosenius Bestehet in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, und laßt euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen. Gal. 5, 1.

Viele auch aufrichtige Christen kennen das eigentliche Wesen des geistlichen Lebens noch so wenig, daß sie diese Ermahnung nicht für so wichtig ansehen, sondern meinen, der Apostel lege dadurch nur eine besonders zärtliche Fürsorge um den Frieden und das Wohlbefinden der Galater an den Tag. Sie verstehen nicht, daß ihr geistliches Leben in Gefahr schwebt, wenn das Gewissen in das knechtische Joch des Gesetzes gezogen und gefangen wird. Möchte Gott sie doch alle aus ihrem Irrtum aufwecken! Der Apostel macht diese Ermahnung überaus wichtig. - Wenn du die Freiheit des Gewissens verlierst und unter das Gesetz gefangen wirst, so daß du anfängst, in deinen eigenen Werken deine Gerechtigkeit zu suchen oder Leben und Heiligung vom Gesetz zu erwarten, wirfst du ,,die Gnade Gottes weg." Dann bist du ,,der Magd Sohn", der nach seinem Dienst hinausgestoßen werden soll.

Unsere Natur neigt durch die Selbstvergötterung, mit der die Schlange im Sündenfall den Menschen erfüllte, so stark zu der Selbstgerechtigkeit in geistlichen Dingen, daß nichts der Vernunft so töricht und dem Herzen so tötend ist, wie die Annahme, daß wir zu gar nichts Gutem fähig sein, sondern als ganz Verlorene alles aus Gnade und als Gabe durch Christus haben sollen. Darum müßte doch ein jeder verstehen, daß die Gefahr, unter das Gesetz gefangen zu werden, nicht so gering ist, wie die Unkundigen meinen. - Dazu kommt, daß unser Feind, der Teufel, wohl weiß, daß er bei allem, was er uns tun kann, doch nichts Wesentliches gewonnen hat, solange wir noch im Glauben, in der Freistatt Christus beharren. Er weiß, daß wir erst dann des Todes sind, wenn es ihm gelingt, uns von der Liebe Christi zu eigener Arbeit unter dem knechtischen Joch und in den Unglauben zu führen, so daß das Leben im Sohn Gottes aufhört. Ja, dann sind wir des Todes, wenn wir auch den schönsten Wandel behalten. Darum kann man in Wahrheit sagen, daß alles, was der Teufel mit seinen Angriffen und Versuchungen, mit seinem ganzen Hölleneifer, seiner List und Macht beabsichtigt, darauf hinausläuft, uns aus dem guten Kindesverhältnis zu Gott, aus ,,der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat", wegzuführen und unter die Knechtschaft und den Unglauben zu bringen. Nicht ohne Grund gebraucht der Apostel das Wort ,,gefangen werden". Unter dem knechtischen Joch des Gesetzes sind wir zugleich auch Sklaven unter dem inneren Sündenwesen, ja, unter dem Teufel und dem Tod.

Zu dieser Knechtschaft kann der Teufel weniger geübte Christen durch den bloßen Hinweis darauf bringen, daß sie noch Sünder sind und daß Gott die Sünde haßt und verdammt. Hier hat er zwei Wahrheiten, mit denen er uns von der rechten Wahrheit ablenkt. Obwohl wir in Wahrheit von neuem geboren sind und einen heiligen, willigen Geist haben, durch den wir neue Menschen geworden sind, so ist das Fleisch, das alte Herz doch mit dem ganzen Sündenverderben erfüllt, das der Fall Adams mit sich führte und das sich in unzähligen Richtungen regt: In Gedanken, Gefühlen, Begierden, Worten und Werken, in Trägheit zum Guten, Kälte gegen Gott und den Nächsten, Unlust zum Wort und zum Gebet, sündlichen Gemütsbewegungen usw. Nun steht das Wort Gottes da und verdammt dies alles, und ich kann mich doch nicht davon frei machen. Wie soll ich dann glauben können, daß ich mich in einer beständigen Gnade und Freundschaft bei Gott befinde?

Ganz besonders schwer wird die Versuchung zur Verzweiflung und zum Unglauben, wenn der Teufel mir Gottes eigene Worte vorhält, die mich zu verdammen scheinen. Erstlich enthält die Bibel eine Menge ernsterer Drohungen an die Sicheren, Gottlosen und Heuchler. Da die Welt damit überfüllt ist, muß sie ja viel für sie enthalten. Eine geistlich arme Seele aber, die vom Geist gezüchtigt wird, fühlt alles Böse bei sich und sagt: ,,Ja, gerade ich bin sicher, gottlos, heuchlerisch usw.", denn das alles liegt in dem alten Herzen. Dies wendet der Teufel an, um dadurch unseren Glauben zunichtezumachen.

Da nun jeder Christ die Gebote als Richtschnur schätzt und unausgesetzt von ihnen gestraft wird, wie soll er dann doch glauben können, daß er in einer beständigen Gnade und Freundschaft bei Gott steht? Wir sollen ja den Willen Gottes nicht nur wissen, wir sollen ihn auch erfüllen. Bei allem aber, was die Gnade in mir wirkt, kann ich doch nicht finden, daß ich die Gebote Gottes erfülle. Da trifft dann das Urteil des Gesetzes gleich das Gewissen. - Welche Gnade und Weisheit sind hier erforderlich, welch ein Wunder Gottes, welch eine mächtige Gotteshilfe, wenn man hier fest im Glauben an die Gnade Gottes bleiben soll!

Hier ist nun von größter Wichtigkeit, gründlich zu betrachten, was der Gnadenbund Gottes enthält: Alle diese Urteile und Drohungen sollen nur diejenigen treffen, die außer Christus sind, - nur die Sünde und den äußeren Menschen. Sie betreffen aber nicht den Gnadenstand, solange ich in Christus bin. Gott will mit Seinem Gesetz zwar das strafen und berichtigen, was in meinem Leben verkehrt ist, ja, auch mit äußeren Strafen und Plagen meine Sünden verfolgen und töten. Zu gleicher Zeit befinde ich mich aber in einer ewigen Gnade. Er zürnt nur meinem Feinde, der Sünde, die auch ich dem Geiste nach hasse. Mir aber, der ich in Christus vollkommen frei bin von allem Zorn, von allen Urteilen und Drohungen des Gesetzes, der ich eine beständige Vergebung habe und schon im Himmel als Sein Kind und Erbe eingeschrieben bin, - mir zürnt Er nicht. Wie notwendig ist es doch, diesen Unterschied gründlich zu bedenken und die Gewißheit der ewigen Gnade durch Christus zu behalten. Dies ist wahre Freiheit vom Gesetz.