Gal 2,20
C.H.Spurgeon
,,Was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des
Sohnes Gottes."
Gal. 2, 20.
Als der Herr in seiner Barmherzigkeit vorüberging, und uns
liegen sah in unserem Blut, da sprach Er vor allem: ,,Lebe;" und
das tat Er zuerst, weil im Geistlichen das Leben eines der
unerläßlichsten und ersten Erfordernisse ist; und bevor es uns
verliehen ist, sind wir untüchtig, teilzuhaben an den Gütern des
Königreichs. Das Leben aber, das die Gnade den Heiligen in dem
Augenblick schenkt, wo sie zu einem neuen Dasein erweckt werden,
ist kein andres als das Leben Christi, welches uns aus Ihm
zuströmt wie der Saft des Stammes den Zweigen, und unsre Seele
in eine lebendige Verbindung und Wechselwirkung mit Jesu bringt.
Der Glaube ist die Gnade, welche diese Vereinigung bewirkt, denn
sie ist von ihm ausgegangen als seine Erstlingsfrucht. Er ist
der Hals, welcher den Leib der Gemeinde mit ihrem herrlich
strahlenden Haupte verbindet.
,,O, mein Erbarmer, Du mein Ruhm,
Den Erd' und Himmel ehret:
Bekehre mich, Dein Eigentum,
So werd' ich recht bekehret!
Ja, nimm Dich meiner herzlich an,
Denn Du bist's nur, der helfen kann!
Dann ist mir recht geholfen."
Der Glaube hält fest am Herrn Jesu mit inniger und
unerschrockener Liebe. Er kennt seine Würde und seinen Wert,
seine Vortrefflichkeit und seine Herrlichkeit, und keine
Versuchung vermag ihn dahin zu bringen, daß er sein Vertrauen
auf etwas andres setze; und der Herr Jesus findet so großes
Gefallen an dieser himmelentstammten Gnade, daß Er nimmer
aufhört, dieselbe zu stärken und zu erhalten mit der liebenden
Umarmung und der allgenugsamen Kraft seiner ewigen Arme. Darum
ist hier eine lebendige, fühlbare und wonnevolle Vereinigung,
welche Ströme der Liebe, des Vertrauens, der Teilnahme, der
Gütigkeit und der Freude spendet, aus denen beide, der Bräutigam
und die Braut, so gern trinken. Wenn die Seele sichtbar diese
Übereinstimmung mit Christo an sich wahrnimmt, dann schlägt
derselbe Puls in beider Herzen, und ein Blut strömt durch beider
Adern. Dann ist das Herz dem Himmel so nahe, als es nur je auf
Erden sein kann, und ist zubereitet zum Genuß der erhabensten
und geistigsten Liebesgemeinschaft.
W.Nee
Ich bin mit Christus gekreuzigt. Galater 2,20
Was bedeutet es für mich, dieses »Gekreuzigt«-Sein? Ich
glaube, es läßt sich am besten zusammenfassen in den
Worten, mit denen die Volksmenge auf die Frage des Pilatus
antwortete: »Hinweg mit ihm!« Gott läßt nicht zu, daß dies
eine bloße Theorie für uns bleibt. Für mich, muß ich
gestehen, war es viele Jahre leider reine Theorie. Zwar
predigte ich das Kreuz in jenem Sinn, aber persönlich
erfahren hatte ich es nicht - bis ich dann eines Tages
schlagartig sah, daß ich selbst es war, Nec To-sheng, der
dort mit Christus gestorben war. »Hinweg mit ihm!« hatten
sie gesagt und damit unbewußt das Urteil Gottes über mich
selbst ausgesprochen. Und dieses Todesurteil über mich war
an ihm, an Christus, vollstreckt worden. Diese plötzliche
Entdeckung erschütterte mich fast genauso heftig wie früher
die erste Erkenntnis meiner Errettung. Sieben ganze Monate
fühlte ich mich so gedemütigt, daß ich keine einzige Predigt
mehr halten konnte, während vorher das Predigen eine
verzehrende Leidenschaft bei mir gewesen war.
C.Eichhorn
Das neue Leben: Christus in uns
Nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Gal. 2, 20
Das Leben hat für Paulus erst begonnen, als er Christum fand.
Vorher hat es den Namen "Leben" nicht verdient. Wir leben
erst, wenn Christus unseres Lebens Kraft und Mittelpunkt
wird. Das Leben eines unbekehrten Menschen bewegt sich in
der Welt und um das eigene Ich. Seine Quellen sind unten,
seine Ziele irdisch. Wenn er sein Leben nicht genießen kann,
hat es überhaupt keinen Wert für ihn. Er wirft es weg. Sein
Leben geht auf im Jagen nach Besitz. Verliert er sein Geld
und Gut, dann hat das Leben für ihn keinen Reiz. Sein Leben
dreht sich um Ehre und Ansehen vor dem Menschen. Die Ehre
verloren heißt für ihn alles verloren. Oft macht man gar
dem Leben ein Ende. - Wo deine ganze Liebe, wo dein Trachten,
Denken und Sorgen hingeht, woran du mit allen Fasern hängst,
das ist dein Leben. Daher auch die Redensart: Für mein Leben
gern tue ich dies oder das.
Der Glaube bringt in eine innerste Verbindung mit Christus.
Der Glaubende wird in Christus eingepflanzt und mit ihm
verbunden. Er hat Anteil an Jesu Tod und Auferstehung. Das
Ich, das bisher auf dem Thron saß, ist mitgekreuzigt und
mitgestorben. Christus lebt und herrscht nun im Herzen des
Begnadigten. An Stelle des alten Menschen hat Christus die
Herrschaft. Der Wiedergeborene lebt den Herrn Jesus Christus
aus. Er lebt nicht mehr sich, sondern Christus. An Stelle
der Eigenliebe und Selbstsucht tritt die Liebe, die nicht
nimmt, sondern gibt; die nicht herrscht, sondern dient; die
nicht genießt, sondern verzichtet. Für Gotteskinder ist
Christus ihr Leben: Streich ihn aus, entferne ihn aus
ihrem Leben, so hat es für sie keine Bedeutung mehr.
Sie möchten keine Stunde weiterleben. Ihr Lebensnerv wäre
durchschnitten. Doch wer will ihn mir nehmen, wenn ich
ihn nicht durch eigene Schuld verliere? Auch der Tod raubt
ihn mir nicht. Im Gegenteil, er bringt mich näher zu ihm.
Ist Jesus schon deines Lebens Leben geworden? Nur durch
Verlieren des alten, unbrauchbaren Lebens gewinnst du in
ihm das wahre Leben. Nur wer sein Leben verliert, wird es
erhalten. Wer sein irdisch-weltliches Leben festhalten will,
kommt darum. Für ihn bedeutet Tod nur Verlust. Er bringt
ihn um alles. Geben wir doch unser altes, sündliches Leben
in den Tod! Dahin gehört es. Es taugt nichts. Dann werden
wir in Jesu eine neue Existenz gewinnen, ein Leben finden,
das nicht mit der Zeit zerrinnt und immer ärmer, hinfälliger
wird, sondern ein Leben, das immer reicher wird, immer
kraftvoller, je mehr Christus in uns wächst. Es geht nicht
unter mit dem Sterben. Seine Schwingen werden erst ganz frei
und mächtig, wenn zuletzt auch der neue Leib dazu kommt. So
geht es, wo Christus ist, von Leben zu Leben.
S.Keller
Galat. 2, 20: «... sondern Christus lebt in mir ...»
Heute las ich ein Wort, bei dem ich stutzte: ,,Das Eine in
allen Menschen, was sich ohne ihn nicht ändert, ist die
Leidenschaft des eigenen Wollens, ist diese innere Gewalt,
gegen die selbst die Stimme des Gewissens vergebens ruft."
Bei etwas Nachdenken muß man dem Wort zustimmen. Das eigene
Wollen ist eine Grundgewalt, gegen die das Gewissen wohl ein
Zeugnis ablegt, aber gegen die es nichts ausrichtet. Wohl
kann es einen solchen Menschen heimlich unglücklich machen,
weil es ihm nicht erlaubt, diesen klaffenden Widerspruch
zu vertuschen - der Riß zwischen sittlicher Überzeugung
und wirklichem Leben bleibt! - aber den Willen entwaffnen,
umbiegen kann das schreiende Gewissen nicht. Aber Jesus kann
das! Sobald er in uns zu Worte kommt und sein Leben in
unserem Leben Platz ergreift, erfährt der Wille selbst seine
Umgestaltung: er kann auf nichts Christusfeindliches mehr
gerichtet sein. Er wird vielmehr Christus ähnlich, auf Ziele
und Wege besonnen sein, die Christus entsprechen. Das Leben
des Ich wird von diesem neuen Willen bestimmt und geregelt.
Daß du in mir lebst, Herr Jesu, glaube ich. Aber ich bitte
dich, beweise dein Regiment, daß es an den Tag komme, daß
ich nichts mehr wollen und ersehnen kann, was zu dir nicht
stimmt. Setze du dein Leben in meinem Leben spürbar durch
zu deiner Ehre. Nimm mich, ich hin dem'. Amen.
D.Rappard
Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt
in mir.
Gal. 2,20.
In der Stille des inneren Heiligtums geschieht der
grundlegende Akt, von dem unser gestriges Wort redete. Der
Mensch muß allein sein mit seinem Gott, wenn er sich in
den Abgrund der Barmherzigkeit versenkt. Aber was in der
Verborgenheit geboren wird, muß sich offenbaren im Licht, und
da tritt uns gleich wieder einer jener ,,Gegensätze" vor Augen.
Nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Ja, das neue
Leben bedeutet nichts weniger, als den Tod des alten. Die
eigenen Triebe können und dürfen nicht mehr herrschen in einem
Herzen, das durch Gottes Barmherzigkeit selig geworden ist.
Zwischen dem alten und dem neuen Leben steht das Kreuz
Jesu Christi, der mich geliebt und sich selbst für mich gegeben
hat. In alle Ewigkeit soll es gelten: N i c h t i c h, s o n d e r n
C h r i s t u s.
Daß das praktische Ausleben dieser Wahrheit nicht mit
einem Schlag vollendet ist, weiß jeder ernste Christ.
Immer wieder und in immer neuen Formen will das Ichleben
hervorsprießen. Aber es hilft sehr zum Sieg, einmal vor Gottes
Angesicht mit voller Entschlossenheit die Stellung eingenommen
zu haben: I c h w i l l i g e v o n g a n z e m H e r z e n
e i n i n d a s D u r c h g e s t r i c h e n s e i n m e i n es
L e b e n s, d a m i t D u, o J e s u, l e b s t i n m i r.
Herr, der Du das heilige Wollen in mir gewirkt hast, ganz
Dein zu sein und ganz für Dich zu leben, schenke mir auch
das Vollbringen, ausGnaden!
W.MacDonald
»Ich bin mit Christo gekreuzigt.« Galater 2,20
Als der Herr Jesus am Kreuz starb, starb Er nicht nur als
mein Stellvertreter, Er starb auch als meine Verkörperung.
Er starb nicht nur für mich, sondern auch als meine Person.
Als Er starb, bin in einem sehr realen Sinn auch ich
gestorben. Alles, was ich als Sohn Adams war, mein ganzes
altes, böses, nicht wiedergeborenes Ich wurde an das Kreuz
genagelt. Nach Gottes Gedanken hat damit meine Geschichte
als Mensch im Fleisch ein Ende gefunden.
Aber das ist noch nicht alles! Als unser Heiland begraben
wurde, wurde auch ich begraben. Ich bin einsgemacht mit
Christus in Seinem Begräbnis. Das bedeutet das Wegtun des
alten Ich aus Gottes Augen für immer und ewig.
Und als der Herr Jesus von den Toten auferstand, bin auch
ich auferstanden. Aber hier ändert sich das Bild. Nicht
derjenige, der begraben wurde, ist auferstanden, nicht das
alte Ich. Nein, es ist der neue Mensch - Christus lebend in
mir. Ich bin mit Christus auferstanden, um in Neuheit des
Lebens zu wandeln.
Gott sieht dies alles als vollendete Tatsachen an - was meine
Stellung betrifft. Jetzt möchte Er, daß es in der Praxis
meines Lebens Wirklichkeit wird. Er will, daß ich erkenne
und als Tatsache anerkenne, daß ich durch diesen Kreislauf
von Tod, Begräbnis und Auferstehung gegangen bin. Aber wie
kann ich das verwirklichen?
Wenn die Versuchung auf mich eindringt, sollte ich darauf
genauso antworten, wie ein Leichnam auf eine Herausforderung
zum Bösen reagiert: Keine Reaktion! Ich muß praktisch sagen:
»Ich bin der Sünde gestorben. Du bist nicht mehr meine
Herrin. Was dich betrifft, bin ich tot.« Tag für Tag
sollte ich es als Tatsache anerkennen, daß mein altes,
verdorbenes Ich im Grab Jesu sein Ende fand. Das bedeutet,
daß ich mit ihm nicht ständig in nabelschauerischer Weise
beschäftigt bin. Ich erwarte überhaupt nichts Gutes mehr von
ihm und bin auch von seiner absoluten Verderbtheit nicht mehr
enttäuscht.
Schließlich werde ich andererseits jeden Augenblick leben als
jemand, der mit Christus zu neuem Leben auferstanden ist -
neuen Zielen, neuen Wünschen, neuen Motiven, neuer Freiheit
und neuer Kraft. Georg Müller erzählt, wie ihm diese
Wahrheit der Einsmachung mit Christus zum ersten Mal klar
wurde:
»Es gab einen Tag, an dem ich starb. Für Georg Müller
starb, seinen Meinungen, seinen Vorlieben, seinen Neigungen
und seinem Willen; der Welt starb, ihrem Beifall und ihrer
Verachtung, ja auch dem Lob oder Tadel meiner Brüder und
Freunde, und seither habe ich nur nach einem gestrebt: mich
selbst ,Gott bewährt darzustellen'.«