2. Korintherbrief

2Kor 6,9 W.Nee Als Unbekannte und doch erkannt, als Sterbende, und siehe, wir leben, als Gezüchtigte und doch nicht getötet, als Betrübte, aber allezeit fröhlich, als Arme, die aber viele reich machen, als solche, die nichts haben und doch alles besitzen. 2. Korinther 6,9

Ein Christ ist ein Mensch, in dem scheinbar sich widersprechende Eigenschaften nebeneinander existieren, in dem aber Gottes Kraft immer wieder siegreich durchbricht. Im Leben des Christen liegt ein geheimnisvolles Paradox, und dieses Paradox kommt von Gott. Wie kann Kraft in durchschlagender Weise zum Ausdruck kommen in einem schwachen Menschen? Durch sein Christsein; denn christliches Sein besteht eben darin. Es ist nicht so, daß die Schwachheit hinweggenommen wird oder daß nur göttliche Kraft in uns wirkt. Sondern diese bezeugt sich in uns, obwohl unsere menschliche Schwachheit bestehen bleibt. Denn was Gott in uns tut, ist weder etwas rein Negatives noch etwas rein Positives, sondern beides zugleich. Unsere Schwachheit nimmt er nicht von uns, und ebensowenig gießt er irgendeine Kraft in uns hinein. Nein, er beläßt uns die Schwachheit: in sie hinein gibt er seine Kraft.





S.Keller 2. Kor. 6, 9: «... als die Unbekannten und doch bekannt...»

Wenn man sieht, wie heute die Reklametrommel von der Welt gerührt wird für jeden, der das Evangelium des Fleisches predigt, dann versteht man etwas von dem ,,Als die Unbekannten". Es gibt große Lebensgebiete und Menschenkreise, die von den ersten Führern der christlichen Gegenwart nicht einmal den Namen wissen. Wer kannte auf dem Forum Romanum oder im römischen Senat oder unter den Lebemännern Roms damals Pauli Namen? Da können wir uns nicht wundern, daß damals fast die ganze zeitgenössische Literatur von Jesus schwieg. Als die Unbekannten! Was macht das, wenn man in politischen Kreisen oder auf der Börse deinen Namen nie hört! Wir sind bei Gottes Kindern doch bekannt. Wir sind droben beim Herrn doch bekannt. Er weiß sogar, wo wir wohnen und kennt alle Gedanken und Sorgen von ferne und schickt uns manche Aufmunterung gerade in dem Augenblick, wo wir ihrer bedurften. Es kennt der Herr die Seinen, und sie gehören in einer solchen Weise zueinander, daß man sich freut, wenn man in der Eisenbahn oder dem fremden Hotel aus einigen Worten die Blutsverwandtschaft des Reiches Gottes heraushört. Nicht wie viele uns kennen, sondern wer uns kennt, das ist unsere Freude.

Herr Jesus, du bist unser, wir sind dein. Du kennst uns, und wir lernen dich immer besser kennen. Segne uns auch die Bekanntschaft mit deinen Kindern auf Erden zu einem Hinweis auf die ewige Gemeinschaft. Amen.





S.Keller 2. Kor. 6, 9: «... als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht ertötet ...»

Auf ein Leben wie das des Paulus, paßt solch eine Beschreibung vortrefflich. Stets am Rande des Todes und wie eine tägliche Überraschung klingt es: siehe wir leben! Nicht unterzukriegen! Schwächlich, kränklich, tausend Gefahren, Verfolgungen und Unmöglicheit, durchzukommen, und jeder Tag wie ein Wunder. Schläge und Lasten, Enttäuschungen und Herzeleid, eine Welt voll Feindschaft, und Gottes Hand half doch stets wunderbar hindurch, daß er den Triumphgesang anstimmen kann: "In dem allem überwinden wir weit!" Ganz so großartig und dramatisch paßt die Schilderung wohl kaum auf einen unter uns. Aber wir sind auch kleinere Leute. Uns wirft schon am Tage des nervösen Druckes eine kleine Enttäuschung, ein liebloser Brief, ein unguter Widerspruch ganz um. Wenn wir abends einen arbeitsreichen, mühevollen Tag durchdenken, haben wir doch auch mit dankbarer Beschämung sagen müssen: Ohne Jesu Hand und Hilfe wäre das nicht so gut gegangen. Oder wenn wir verzagt gewesen und vieles verkehrt gemacht hatten, müssen wir Gott danken, daß man uns nicht so schwere Lasten aufgelegt wie dem großen Apostel. Wenn nur das Ende das Werk krönt und wir den unverwelklichen Kranz des Sieges erlangen.

Herr, du weißt, was für elende Leute wir sind und wie schnell wir verzagen. Halte uns bei der Hand und bringe uns durch. Wir trauen es dir zu, daß du es gut machen wirst und wollen in deinen treuen starken Händen bleiben. Amen.





W.MacDonald »... als Sterbende, und siehe, wir leben.« 2. Korinther 6,9

Die Bibel ist voller Paradoxe, d.h. Wahrheiten, die dem entgegenzustehen scheinen, was wir normalerweise erwarten würden, oder Wahrheiten, die scheinbar einander widersprechen. G.K. Chesterton meinte, daß ein Paradox die Wahrheit ist, die einen Kopfstand macht, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Wir retten unser Leben, indem wir es verlieren; wir verlieren unser Leben, indem wir es lieben (Markus 8,35).

Wir sind stark, wenn wir schwach sind (2. Korinther 12,10), und kraftlos in unserer eigenen Stärke (Johannes 15,5).

Wir finden vollkommene Freiheit als Sklaven Christi, aber Knechtschaft, wenn wir frei sind von Seinem Joch (Römer 6,17-20).

Wir erfahren mehr Freude, wenn wir mit anderen teilen, was wir haben, als wenn wir mehr bekommen. Oder, mit den Worten des Herrn: »Geben ist seliger als Nehmen« (Apostelgeschichte 20,35).

Wir vermehren, was wir haben, indem wir es ausstreuen, und werden arm, wenn wir es für uns selbst horten (Sprüche 11,24).

Wir haben eine neue Natur, die nicht sündigen kann (1. Johannes 3,9), und doch ist alles, was wir tun, von der Sünde befleckt (1. Johannes 1,8).

Wir siegen durch Unterwerfung (1. Mose 32,24-28) und unterliegen durch Kämpfen (1. Petrus 5,5c).

Wir werden erniedrigt, wenn wir uns erhöhen, aber Er erhöht uns, wenn wir uns erniedrigen (Lukas 14,11).

Durch Bedrängnis und Druck wird uns Raum gemacht (Psalm 4,1) und durch Wohlergehen schrumpfen wir zusammen (Jeremia 48,11; engl. Übersetzung).

Wir können alles besitzen und doch nichts haben; wir können arm sein, und doch viele reich machen (2. Korinther 6,10).

Wenn wir weise (in den Augen der Menschen) sind, dann sind wir Toren (in den Augen Gottes), aber wenn wir Narren um Christi willen sind, dann sind wir wirklich weise (1. Korinther 1,20.21).

Das Leben des Glaubens bringt Freiheit von Angst und Sorge; das Leben im Schauen bringt Angst vor Verlust durch Motten, Rost und Diebe (Matthäus 6,19).

Der Dichter sieht das Leben des Christen als Paradox von Anfang bis Ende:

Wie seltsam ist der Kurs, den ein Mensch steuern muß, Wie verwickelt der Pfad, den er zu gehen hat; Seine Hoffnung auf Glück entsteht aus der Angst, Und sein Leben empfängt er aus den Toten. Seine höchsten Ambitionen müssen zunichte werden, Seine besten Pläne durchkreuzt; Auch kann er nicht vollkommen gerettet werden, Bis er sich völlig verloren gibt. Wenn all das getan ist, und sein Herz gewiß ist Der völligen Vergebung der Sünden; Wenn sein Freispruch besiegelt, sein Friede gesichert ist, Von diesem Augenblick an beginnt sein eigentlicher Kampf.