1Kor 15,36
C.O.Rosenius
Du Narr, was du säst, wird nicht lebendig, es sterbe denn
... Gott aber gibt ihm einen Leib, wie Er will. 1. Kor.
15, 36 u. 38.
Der Apostel will gleichsam sagen: Du Narr, der du einen
Augenblick das für ungereimt und unmöglich ansehen kannst,
was du doch täglich in einem viel weniger wichtigen Fall vor
Augen hast, daß nämlich Gott die toten, trockenen Samenkörner
gerade während ihres Verfaulens in der Erde fruchtbringend
macht, so daß sie in neuen, lebendigen und schöneren
Gestalten auferstehen. Kannst du nicht begreifen, daß Gott
unseren begrabenen und vermoderten Leibern eine Auferstehung
geben kann, während du doch siehst, daß Er die unbedeutenden
Samenkörner des Weizens der Auferstehung würdigt? Du siehst
in jedem Frühjahr die Auferstehung vor Augen. Du siehst, wie
der Same, der im Herbst ganz trocken in die Erde gelegt wird,
als weggeworfen, verfault und im Winter steinhart gefroren
unter einem großen, dicken Leichentuch von Schnee und Eis
daliegt, wie kalte, rauhe Winterstürme über das weite Grab
dahinfahren und wie der Same während der langen Monate und
der finsteren Nächte des Winters dir gleichsam als ganz
verloren und weggeworfen erscheint. Aber wie geht es?
Endlich erscheint der langersehnte Frühling, die Sonne
breitet wieder ihre Strahlen aus, und durch ihre Wärme löst
der Schöpfer das Leichentuch auf und gebietet den Toten
aufzuerstehen. Jetzt steigen aus der Erde neue, lebendige
und frische Gestalten grüner Halme zu Tausenden hervor, die
dem Ackersmann den ausgestreuten Samen später vielfältig
wiedergeben.
Das hat Gott vor aller Menschen Augen hingestellt, und kein
Mensch wundert sich mehr darüber, nur weil wir es alljährlich
neu sehen. Wahrlich, wären wir nicht von unserer Geburt an
in der Gewohnheit herangewachsen, zu sehen, wie dieser
trockene Same im Frühling wieder aufersteht, dann würden wir
wohl auch dies höchst verwunderlich und unglaublich finden.
Jetzt dagegen ist man durch die alte Gewohnheit kaum imstande
zu bedenken, daß es ein Wunderwerk ist. Man sagt nur: ,,Es
wächst", und man bedenkt nicht, daß dieses Wachsen doch ein
eigentliches Werk unseres Schöpfers ist, da die Welt mit
aller ihrer Kunst keinen einzigen Strohhalm hervorzubringen
vermag. Das Emporkommen der Saat aus der Erde ist eine
solche Schöpfung, die ihren Keim in demselben Samenkorn hat,
das in der Erde verfaulte - ist also eine Auferstehung der
Toten.
Nun, die Welt kann solches nicht tun, es ist das eigene Werk
des Schöpfers. Derselbe Gott offenbart uns jetzt, daß Er in
gleicher Weise mit unseren Leibern handeln wird. Er wird sie
in die Erde begraben; und sie werden in ihr vergehen. Eines
Tages will Er sie aber wieder auferstehen lassen, wenn
nämlich der große Sommer der Ewigkeit naht und ,,die Sonne
der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln" wieder über
uns aufgeht." - Dieser allmächtige Gott sagt uns, daß Er dann
unseren toten Leibern befehlen wird aufzuerstehen. Und wir
finden es ungereimt und unmöglich. Verdienen darum nicht
auch wir die Anrede ,,Du Narr"? Bedenke nochmals: Während
wir sehen können, daß die unbedeutenden Samenkörner der
Früchte unserer Felder auferstehen, denken wir trotzdem, daß
die großen und kostbaren, so wunderbar erschaffenen und so
teuer erkauften Samenkörner, unsere Leiber die so hoch geehrt
sind, daß Gottes eigener Sohn einen Menschenleib annahm -
nicht die Ehre wie der Weizen und der Roggen haben würden
aufzuerstehen! Und warum? Nur darum, weil unsere arme
Vernunft nicht begreift, wie es möglich ist, daß der
Allmächtige tun kann, was Er gesagt hat. Verdienen wir
nicht, Narren genannt zu werden?
Die eigentliche und große Torheit aber besteht darin, daß wir
weder stillhalten noch bedenken, daß es sich dabei um ein
neues, großes Schöpfungswerk des allmächtigen Gottes handelt,
wie der Apostel hier bemerkt: ,,Gott gibt ihm einen Leib, wie
Er will." - Gott, nicht du, o Mensch, nicht das Samenkorn,
sondern Gott, der Schöpfer, der einst die ganze Erde und alle
Weltkörper aus nichts erschuf, von Ihm ist hier die Rede,
du Narr! ,,Gott gibt ihm einen Leib, wie Er will." Es hängt
nur von Seinem freien Belieben ab. Was ist dem allmächtigen
Schöpfer leichter, als das zu tun, was Er will? Aber seht
hier, wie wir ganz unbemerkt zu Narren werden, wenn wir Gott,
Seine Macht und Seine Worte verachten! Wir merken es kaum,
bevor wir in geistlichen Sachen so blind sind, daß die ersten
Begriffe von Gott, die selbst die Heiden schon durch die
Betrachtung der Schöpfung besitzen, uns genommen sind, so daß
wir uns wundern, wie dieses oder jenes möglich sei, während
wir doch von dem allmächtigen Gott reden. Wir sollen uns vor
dem Strafgericht der Verblendung fürchten. Gott ist groß und
heilig. Wer sich nicht demütig unter Seine Wahrheit und
Macht beugen will, den verblendet Er. ,,Gott macht die
Weisheit dieser Welt zur Torheit." ,,Da sie sich für weise
hielten, sind sie zu Narren geworden", wirklich zu Narren,
die jetzt das, was wir sonst vor Augen sehen, leugnen, daß
Gott nämlich mit Leichtigkeit alles tun kann, was Er will.
Das Korn, das im Herbste wir säen,
Wird nicht im Winter zunichte;
Wenn Lenzeshauche darauf wehen,
Dann ruft der Herr es zum Lichte.
Wenn einstmals die Erdpfeiler beben,
Die Himmelsposaune ertönet,
Die Erde ihr Pfand dann muß geben,
Veredelt, erneut und verschönet.