1Kor 7,31
S.Keller
1. Kor. 7, 31: «Die dieser Welt brauchen, daß sie dieselbe
nicht mißbrauchen.»
Wann tritt denn der Mißbrauch dieser Welt ein? Wenn man
entweder seiner Seele Leben an die Güter dieser Welt
verkauft, so daß nicht wir diese Güter haben, sondern sie
haben uns - oder in selbstsüchtiger Weise nur Genuß an ihnen
sucht und keine Pflicht in ihnen dem Nächsten zu dienen
anerkennt. Die äußere Stellung kann es ja mit sich bringen,
daß der eine ganz anders sich mit dieser Welt beschäftigt als
der andere. Ein Kaufmann, der aufs Verdienen angewiesen ist,
ein Fabrikant, von dessen guter Führung seines Unternehmens
Hunderte von Familien mit ihrem täglichen Brot abhängen,
steht anders zum Geld als der Beamte, der sein Gehalt oder
seine Pension hat, oder wie der Geistliche, der sich mit den
Seelen seiner Gemeinde beschäftigen soll. Da darf man nicht
ungerecht aburteilen über den andern, der anders als wir sich
mit dieser Welt Gütern abgeben muß. Nur wird die Grenze des
rechten oder falschen Gebrauchs klar gezogen werden müssen,
damit die Seele nicht notleidet. Hast du es leichter, dem
Glanz des roten Goldes dich zu entziehen als der andere, dann
wirf keinen Stein auf ihn, sondern biet' ihm die Hand zu der
Erlangung eines Gegengewichts: daß die zukünftige Welt in
sein Leben hineinkomme und etwas wirke, ehe es zu spät ist.
Herr, lehre uns gerecht und milde über andere urteilen, und
scharf und deutlich für uns selbst die Grenze finden, wo für
uns der Mißbrauch anfängt. Unser Herz soll dir gehören, und
dann kann alles unser sein. Amen.