Röm 15,13
S.Keller
Röm. 15, 13: «Der Gott aber der Hoffnung erfülle euch mit
aller Freude und Frieden im Glauben, daß ihr völlige Hoffnung
habt durch die Kraft des Heiligen Geistes.»
Aus diesem reichen Wort nehme ich mir heute abend nur den
Dreiklang heraus: "erfüllen, alle, völlige". Unsere Stellung
zum Herrn ist doch meist zu kurzsichtig und zu kleinmütig.
Millionäre, die mit Streichhölzern sparen, weil sie es aus
ihrer kargen Jugend nicht anders gewohnt waren! Wir tun so,
als wäre d a 5 Glauben, mit der Hälfte der Gaben Gottes
auszukommen und das übrige als Guthaben für den schwarzen Tag
in der himmlischen Bank zu belassen. Nein, er will uns nicht
bloß mit Friede und Freude bis zur Hälfte unseres Herzens
füllen, sondern ganz; er will uns nicht nur eine oder
anderthalb Freudenstücklein schenken und das übrige
sorgfältig aufsparen, sondern der Befehl ist ergangen: Gebt
meinen Kindern alle Freude und ganzen Frieden! Hätten wir
unser Herz weit gemacht, solche Gaben der Gegenwart ganz zu
nehmen, würde die Hoffnung auf eine herrliche Zukunft auch
nicht lahm und schmal am Rande unseres Christenlebens ihr
Leben fristen, sondern völlig, stark, mächtig, jauchzend
werden.
Lob sei dir und Dank, Herr, unser Gott, daß du gibst
über unser erbärmliches, spärliches Verstehen und unser
ängstliches Bitten. Erziehe uns für deinen Reichtum und
für den Überschwang deines Geben«. Amen.
C.O.Rosenius
Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und
Frieden im Glauben, daß ihr völlige Hoffnung habt durch die
Kraft des Heiligen Geistes. Röm. 15, 13.
Hier wünscht der Apostel uns kein geringes Maß des Trostes
und der Hoffnung, sondern eine völlige Glaubensgewißheit
bis hin zur ,,Freude". ,,Der Gott der Hoffnung", sagt er,
,,erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben."
Der Ausdruck ,,aller Freude und Frieden" erinnert uns an die
vielen Freudengegenstände, die wir durch die Vereinigung
mit Gott haben. ,,Freude und Friede im Glauben", sagt der
Apostel. Damit wird wiederum gesagt, daß es sich nicht um
eine Freude handelt, die von guten Umständen oder davon
abhängt, daß wir uns selbst für so fromm und so gut ansehen,
um uns darüber freuen zu können. Hier wird von einer Freude
geredet, die nur vom Glauben, von unserem Vertrauen auf
Gottes Wort und Seiner Verheißung abhängt, während wir an uns
selbst lauter Trauergegenstände sehen. Glauben heißt, nur
auf Gottes Verheißung hin Trost in etwas zu haben, was nicht
gesehen wird. Und hier ist der seligmachende Glaube an
Christus gemeint, weil derselbe ,,Freude und Frieden"
bewirkt, und zwar ,,durch die Kraft des Heiligen Geistes".
Dieser Glaube ist einzig und allein eine Gabe Gottes, um
die man bitten muß; er ist ein Werk, das Gott nur durch
die Predigt des Evangeliums zuwegebringt, wenn dieselbe
bettelarmen und ohnmächtigen Sündern durchs Herz geht.
Aber dann sehen und fühlen wir an uns selbst nur die
niederschlagendsten Dinge. Und so soll der Glaube auch in
allen möglichen Kümmernissen ein Vertrauen auf das bloße
Wort Gottes sein, während wir nur das sehen und fühlen,
was bedrohlich und betrübend ist. Wie aber können wir dann
Freude und Frieden haben? Ja, gerade dann werden die Freude
und der Friede übernatürlich sein, dann wird die Freude das
Werk Gottes sein. Und ein solches Gotteswerk wünscht der
Apostel uns hier, indem er hinzufügt:
,,Daß ihr völlige Hoffnung habt durch die Kraft des Heiligen
Geistes." Das ist nun die letzte und die lieblichste Frucht
von all dem Guten, was Gott tat und tut, daß wir nämlich eine
völlige, sichere Hoffnung auf die ewige Seligkeit haben.
Eine solche Hoffnung ist die größte Kraft unseres ganzen
Christentums. Sie gibt Lust und Kraft zum getreuen Laufen in
dem Kampf, der uns verordnet ist; sie gibt Mut und Stärke zum
Handeln, zum Leiden und zum Beharren in allem, was zum Kampfe
gehört. ,,Die Freude am Herrn ist eure Stärke", und die
Seligkeitshoffnung ist unser Helm im Streit. Das ganze Leben
ist sonst voller Trübsale, Prüfungen und Jammer, so daß es
wohl einer völligen Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott
geben wird, bedarf, auf daß wir auf dem Wege nicht ermüden
und saumselig werden, sondern geduldig und treu ausharren.
Das ist gewiß: Für die Hoffnung auf die Seligkeit haben wir
die stärksten Gründe. Denn für das ewige Leben sind wir
erschaffen. Für das ewige Leben sind wir teuer erkauft. Für
das ewige Leben, nicht aber für dieses kurze irdische Leben,
hat Christus sich zu einem Versöhnungsopfer dahingegeben.
Für das ewige Leben hat Gott uns den Feiertag, das Wort, die
Sakramente und das Werk des Heiligen Geistes in den Seelen
gegeben. Wenn wir Gottes Kinder und Seine Freunde sind,
werden wir auch Seine Erben sein. Er wird Seine Freunde
wahrlich einst recht froh und glücklich machen. Das ist
gewißlich wahr!
Obwohl die Gründe so fest und unerschütterlich sind, sind
unsere Herzen doch durch das Verderben der Natur so
zweifelsüchtig und so unstet, daß wir diese selige Hoffnung
nicht festhalten können, es sei denn, daß Gott selbst uns
diese teure Gabe gibt. Eine von unseren eigenen Bemühungen,
Gedanken und Beschlüssen abhängende Hoffnung ist immer
schwach und unsicher. Wenn aber Gott durch Seinen Heiligen
Geist uns die Gewißheit gibt und uns mit Freude und Frieden
im Glauben erfüllt, dann empfangen wir auch die hier vom
Apostel erwähnte völlige Hoffnung. Darum fügt er die Worte
,,durch die Kraft des Heiligen Geistes" hinzu. Hier nennt
der Apostel nun die dritte Person der Gottheit als wirksam
für unseren völligen Trost. Der ewige Vater, der hier ,,der
Gott der Hoffnung" genannt wird, bewirkt durch den Heiligen
Geist eine völlige Hoffnung in uns, indem Er uns mit Freude
und Frieden im Glauben erfüllt. Er wollte wieder daran
erinnern, daß wir selbst nichts zu tun und nichts zu nehmen
vermögen, sondern daß es uns von oben herab gegeben wird.
Wie wichtig ist es doch, tief zu bedenken, daß alle Gnade
und Kraft vom Geben Gottes abhängt! Unser Friede und unser
Wachsen im Guten werden unausgesetzt durch den Wahn
behindert, daß wir selbst etwas zu tun vermöchten. Dieser
Wahn der eigenen Kraft steckt so tief in unserer Natur, daß
er das größte Hindernis für das Werk Gottes in uns ist.
Teils muß Gott ihn dann dadurch niederschlagen, daß Er uns
unserer Ohnmacht überläßt, teils kommt aus diesem Wahn auch
alle jene Arbeit des Unglaubens, die das Wirken Gottes so
sehr in uns behindert. Wie warm und wie willig wird die
Seele dagegen, wenn wir erkennen und glauben, daß alles
Gute vom Geben Gottes kommt! Davon handeln auch Sprüche wie
diese: ,,Ohne Mich könnt ihr nichts tun". ,,Gott ist es, der
in uns wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach
Seinem Wohlgefallen." Daran wollte der Apostel uns mit den
Worten ,,Durch die Kraft des Heiligen Geistes" erinnern.
O Herr Jesu, laß mich nicht,
Laß mich nicht von Deiner Seite;
Du bist meine Zuversicht,
Deine Hand mich führ' und leite,
Bis du mich aus aller Not
Heim wirst hol'n zu Dir, mein Gott!