Röm 15,3
S.Keller
Röm. 15, 3: «Denn auch Christus nicht Gefallen an ihm selber
hatte.»
Bei ihm hätte es einen Sinn und eine Berechtigung gehabt;
denn er war gewiß von einer Schönheit und einem Adel der
Seele, für die uns Worte fehlen. Aber wir? Wer weiß denn
nicht mancherlei von sich selbst, was er lieber heute als
morgen los wäre. Und dennoch diese unaustilgbare Torheit,
immer wieder Gefallen an sich selbst zu haben! Das ist die
Keimzelle der meisten Sünden. Was spielt unser liebes Ich
für eine Rolle in unseren Reden! Wie viel mehr in unserm
Träumen und Sehnen. Unsere Empfindlichkeit, wenn jemand uns
antastet oder nicht die ausgesuchteste Rücksicht auf uns
nimmt - hält sich die Waage mit dem unausgesprochenen
Verlangen, daß man unsere Versäumnisse selbstverständlich
entschuldige, unsere Übereilungen, die nur unserem Naturell
entspringen, übersehe und vergesse. Wie selbstsüchtig sind
wir bis in das Allerheiligste unseres Gebetslebens! Solange
wir aber so Gefallen an uns selbst haben, spielt Gott,
Christus, Glauben und Lieben und Pflicht gegen den Nächsten -
alles nur eine nebensächliche Rolle. Selbstverliebtheit,
Eitelkeit, Wohlgefallen an sich selbst haben, kann für die
Seligkeit gefährlicher sein als Trunksucht und Unzucht, die
den Leib ruinieren und sich auf Erden schmerzlich strafen.
Ich beuge mich, Herr Jesu, und bekenne mich schuldig! Vergib
mir diese böse Art und reinige mich davon, wenn es auch weh
tut. Dann laß die ganze Liebe meines Herzens auf dich hin
sich wenden. Amen.