Röm 12,21
Ch.Spurgeon
"Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das
Böse mit Gutem!" Römer 12,21
Entweder wirst du vom Bösen überwunden, oder du überwindest
das Böse; es gibt nur eins von beiden. Du kannst das Böse
nicht in Frieden lassen, und das Böse wird dich nicht in
Frieden lassen. Du mußt kämpfen, und in dem Streit wirst
du entweder siegen oder besiegt werden.
Die Worte, die uns vorliegen, erinnern mich an das Wort eines
schottischen Offiziers, das er angesichts der Feinde seinen
Soldaten zurief: "Jungens, da sind sie! Wenn ihr sie nicht
schlagt, werden sie euch schlagen!" Genauso führt uns Paulus
dem Bösen entgegen, und gleich einem weisen Anführer spornt
er uns zum Kampf an, indem er sagt: "Überwindet oder werdet
überwunden!" Es gibt kein Ausweichen vor dem Streit, keinen
Waffenstillstand, keine Verhandlungspause, keine Einstellung
der Feindseligkeiten, sondern die Schlacht muß zu Ende
gefochten werden und kann nur mit einem entscheidenden Sieg
auf der einen oder auf der anderen Seite beendet werden.
Mögen wir nie die Schande und das Elend kennen, vom
Bösen überwunden zu werden, weil uns die göttliche Gnade
beständig den Sieg geben möchte. Wenn wir auch nur für einen
Augenblick vom Bösen überwunden werden, so enthüllt dies die
traurige Schwäche unseres geistlichen Lebens und wird uns
großen Schmerz verursachen, wenn es richtig um uns steht.
Ein zartes Gewissen wird sehr bekümmert sein, wenn eine
Niederlage stattgefunden hat, und im Hinblick auf unseren
Fall wird es uns ein täglicher Schmerz sein, daß wir uns vom
Bösen überwinden ließen. Vom Bösen überwunden werden, bringt
unserem Herrn Unehre und öffnet den Mund der Gegner. Die,
welche auf unsere Fehltritte lauern, werden es mit viel Lärm
weit und breit im Lande verkünden, daß ein Diener Christi
vom Bösen überwunden wurde. Prägt es also eurer Seele ein,
daß das Böse überwunden werden muß; es ist eine Sache der
Notwendigkeit, daß wir diesen Krieg führen und darin siegen.
W.MacDonald
»Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das
Böse mit dem Guten.« Römer 12,21
Wenn dieser Vers von Menschen geschrieben worden wäre, die
nicht von Gott inspiriert wären, dann hätte er ungefähr so
gelautet: »Laßt euch nicht von den Leuten unterkriegen.
Schlagt sie mit ihren eigenen Waffen.« Denn die Welt denkt
nur in Ausdrücken der Vergeltung und Rache. Aber in der
Schule Jesu Christi lernen wir etwas ganz anderes. Wir
sollen nicht zulassen, daß wir vom Bösen überwältigt
werden. Wir sollen vielmehr das Gute benutzen, um das Böse
zu besiegen. Eine Geschichte, die man Franz von Assisi
zuschreibt, verdeutlicht das sehr gut. Ein kleiner Junge
entdeckte beim Spielen plötzlich, daß es ein Echo gab, wenn
er laut rief. Es war das erste Mal, daß er ein Echo hörte,
und so fing er gleich an, es auszuprobieren. Er rief: »Ich
hasse dich! « und prompt kam der Satz auch wieder zurück:
»Ich hasse dich!« Jetzt strengte er sich an und schrie noch
lauter: »Ich hasse dich!!« und die Worte kamen auch mit
größerer Lautstärke zurück. Zum dritten Mal brüllte er
aus Leibeskräften: »Ich hasse dich!!!« und die Worte
erklangen ihm mit der gleichen Heftigkeit entgegen: »Ich
hasse dich!!!« Mehr konnte der Junge nicht ertragen. Er
lief zurück ins Haus und schluchzte erbärmlich. Seine Mutter
hatte das laute Schreien vom Hof her gehört, aber sie fragte
doch: »Was ist denn los, mein Kleiner?« Und der Junge
antwortete: »Da draußen ist ein kleiner Junge, und der haßt
mich!« Die Mutter dachte einen Moment nach, und dann sagte
sie: »Paß auf, ich weiß, was du jetzt tun mußt. Du gehst
wieder nach draußen und sagst dem kleinen Jungen, daß du
ihn lieb hast.« Also lief der Kleine wieder nach draußen
und rief laut: »Ich hab dich lieb.« Und mit der gleichen
Zuverlässigkeit kamen die Worte zurück, deutlich und
freundlich: »Ich hab dich lieb.« Noch einmal erhob er die
Stimme mit größerer Betonung und lauschte wieder auf die
Antwort. Und zum dritten Mal rief er aus ganzem Herzen:
»Ich hab dich lieb!« und mit der gleichen Zärtlichkeit
kam es zurück: »Ich hab dich lieb!« Während ich dies hier
schreibe, rufen Menschen überall in der Welt einander zu:
»Ich hasse dich!« und fragen sich gleichzeitig, warum die
Spannungen immer weiter zunehmen. Völker drücken ihren Haß
gegen andere Völker aus. Religiöse Gruppen haben sich durch
ihre Konflikte regelrecht verbarrikadiert. Verschiedene
Rassen kämpfen miteinander. Nachbarn haben Streit, den sie
über den Gartenzaun hinweg austragen. Und Familien werden
durch Zank und Verbitterung zerrissen. Alle diese Menschen
lassen es zu, daß sie vom Bösen überwältigt werden, weil Haß
immer neuen Haß hervorbringt. Wenn sie einfach ihr Vorgehen
ändern und Haß mit Liebe vergelten würden, dann könnten sie
das Böse mit Gutem überwinden. Dann würden sie entdecken,
daß Liebe wieder Liebe hervorbringt.
Sorgsam laßt uns darauf achten, Welche Saat wir streuen aus;
Liebe nur läßt Liebe reifen, Säen wir Haß, wird Haß daraus.
C.O.Rosenius
Laß dich nicht das Böse überwinden, sondern überwinde das
Böse mit Gutem! Röm. 12, 21.
Wenn diese Worte im Zusammenhang mit dem vorhergehenden
Spruch betrachtet werden, dann scheint die Meinung zuerst
diese zu sein: Laß dich nicht von der Bosheit deines Feindes
überwinden, so daß du auch böse wirst, sondern überwinde
seine Bosheit mit deiner unausgesetzten Liebe, so daß du
ihn in deinen Freund verwandelst. Hierzu ist allerdings
erforderlich, die Bosheit deines eigenen Herzens zu
überwinden, damit diese nicht die Herrschaft über die
vergebende Liebe erhält. Wer im Haß und in der Rachbegierde
verbleibt, der ist ,,vom Bösen überwunden", und zwar von
einem doppelten Übel. Die Bosheit seines Feindes und die
Bosheit seines eigenen Herzens haben sich vereinigt, ihn zum
Haß und zur Rachbegierde zu versuchen, Wer seiner eigenen
Rachbegierde beistimmt und seinem Nächsten nicht vergeben und
ihn weder lieben noch ihm Gutes tun will, der hat sich vom
Bösen überwinden lassen. Und wenn du so von dem Bösen
überwunden wirst, dann bist du in doppelter Weise
unglücklich.
Doch damit nicht genug, daß du im Haß und in der Feindschaft
mit deinen Mitmenschen lebst - was schon an sich ein
unglücklicher und friedloser Zustand ist -, sondern durch
diesen Haß und diese Unversöhnlichkeit bist du auch von der
Gnade und der Freundschaft Gottes ausgeschlossen, so wahr
der Herr Christus erklärte: ,,So ihr nicht von Herzen ein
jeglicher seinem Bruder seine Fehler vergebt, so wird euch
euer himmlischer Vater auch nicht vergeben." Es ist darum
eine äußerst wichtige Sache, ja, zur Seligkeit unumgänglich
notwendig, daß wir uns nicht von diesem Bösen überwinden
lassen und im Haß und in der Unversöhnlichkeit verbleiben.
Es ist ein ganz besonderes Verhältnis mit diesem Übel, dem
Haß, weil er die Stellung deiner Seele zu Gott, zur Sünde
und zur Gnade deutlich macht. Wenn du sagst, daß du einem
gewissen Menschen nicht vergeben kannst, dann erklärst du
damit, daß du die Gnade Gottes und die Vergebung deiner
Sünden, ja, die ewige Seligkeit entbehren kannst. Wenn deine
eigene Sünde dir recht fühlbar und die Gnade Gottes dir recht
unentbehrlich wird, dann kannst du das schwerste dir
zugefügte Unrecht vergeben. Wenn du das nicht kannst, dann
bitte Gott, daß Er sich über dich erbarme und dich wach
mache, sowohl über deine Sünden als auch über die teure Gnade
Gottes; dann wirst du vergeben können, was es auch immer sei,
und dich nicht von dem unversöhnlichen Haß, diesem tötenden
Übel, überwinden lassen.
... sondern überwinde das Böse mit Gutem. Das will nun
zuerst besagen: Überwinde die Bosheit deines Feindes mit
deiner fortwährenden Liebe und Wohltätigkeit gegen ihn. Auf
ein ,,hartes Wort" gib du ihm eine ,,gelinde Antwort", so
stillst du den Zorn. Für einen unfreundlichen Blick gib du
ihm einen liebevollen, freundlichen. Wenn du erfährst, daß
dein Nachbar etwas Übles von dir geredet hat, so erwähne du
etwas Gutes, was du von ihm weißt, dann kann auch er dies
erfahren und dadurch zur Freundschaft geneigt werden. Wenn
er dir einen Dienst verweigert, dann bemühe du dich, ihm in
einer Sache zu dienen, deren er bedarf usw. In dieser Weise
wird ,,das Böse mit Gutem überwunden."
Die Bosheit deines Feindes ist gleichsam eine Herausforderung
deiner Geduld, deiner Liebe und deiner Wohltätigkeit. Sieh
darum zu, daß dieses Gute bei dir nicht unterliegt, sondern
im Gegenteil die Bosheit deines Feindes überwindet. Und wenn
nun das Gute bei dir nicht überwunden werden und aufhören
kann, wenn du jederzeit in der Liebe und dem Wohltun
verbleibst, dann wird in den meisten Fällen die Bosheit
deines Feindes dadurch überwunden werden. Und selbst wenn
das nicht geschieht, hast du doch das gefährlichste Übel
überwunden, wenn du dein eigenes Herz überwunden hast und in
der Liebe verbleibst. Allerdings wird das in deinem eigenen
Herzen sich regende Böse nur durch die Güte eines Anderen
überwunden, nämlich durch die Gnade im Herzen Gottes.
Kämpfst du nur mit deinen eigenen Kräften gegen die Bosheit
deines Herzens, dann wirst du bald überwunden. Wenn aber die
große Liebe Gottes, mit der Er dir beständig alle deine
Sünden vergibt, sich deinem Herzen offenbart und dasselbe
beständig regiert, dann wirst du auch stets zur erbarmenden
Liebe gegen deinen Nächsten bewogen werden, und dann hast du
im höchsten Sinn ,,das Böse mit Gutem überwunden".
So sind die Kämpfe und Siege der Christen. Die Welt nennt
das siegen, wenn man sich an einem Feind rächen konnte. Im
Reiche Christi besteht der Sieg darin, daß man sich nicht
rächt, sondern seine Rachbegierde überwindet. Die Christen
streiten zunächst gegen ihre eigene Bosheit; und daß diese
bekämpft werden kann, ist ihr schönster Sieg. Wenn sie aber
gegen die Bosheit anderer Menschen streiten, dann wenden sie
zu ihrer Bekämpfung Liebe und Wohltaten an. Möchte Gott in
Seiner großen, ewigen Liebe uns mit immer größerer Lust zu
solchem Kampf und Streit beleben, ,,das Böse mit Gutem zu
überwinden!"
Laß mich mit brüderlicher Huld
Des Nächsten Fehler decken,
Durch Sanftmut, Mitleid und Geduld
Zur Bess'rung ihn erwecken.
Und sündiget er gegen mich,
So freue meine Seele sich,
Ihm willig zu vergeben.
So werd' ich Dich, Herr Jesu Christ,
Der selber Du die Liebe bist,
Aufs würdigste erheben.