Römerbrief

Röm 12,17 S.Keller Röm. 12, 17 «... Vergeltet niemand Böses mit Bösem.»

Wenn wir zum Überwinden des Bösen angestellt sind, dann dürfen wir das fremde Böse nicht dadurch stärken, daß wir ihm Brennmaterial zuführen. Durch eine böse Antwort wird der gereizte Gegner um so gereizter: sein Böses wird gestärkt, bestätigt, entschuldigt durch unser Böses. Böses hat der andere schon genug; führe deine Güte und Freundlichkeit in diesen Vorgang hinein, denn nur dadurch gewinnst du wirklich. Auf eine scharfe Entgegnung war der andere gefaßt: nach seinem Hieb auf dich stand er in Verteidigungsstellung bereit, sofort wieder zu schlagen. Wenn du aber nicht zurückschlägst, macht ihn das verblüfft. Er kommt sich in seiner empörten Fechterstellung selbst komisch vor. Jetzt beruhigt sich sein Blut, und er schämt sich. Bist du noch dazu freundlich gegen ihn, so muß er die Waffe aus der Hand fallen lassen und kann deine zur Versöhnung ausgestreckte Hand ergreifen. Die Kraft zu solchem siegreichen Überwinden des Bösen kannst du von dem beziehen, der für uns geboren wurde zu Bethlehem, und für uns gestorben ist, da wir noch seine Feinde waren. Das ist die große Macht der wehrlosen Sanftmut, die jeden zornmütigen Gegner auf die Dauer überwindet.

Herr Jesus, lege deine Sanftmut wie einen Schild über deine Leute. Lehre uns schweigen, dulden, tragen, lieben, bis du über uns gesiegt hast und dann durch unsere Sanftmut über unsere Feinde siegst! Amen.





S.Keller Röm. 12, 17: «... Denket dem Guten nach vor allen Menschen ...» (Grundtext)

Wenn das Gute nur in unseren Worten und dem Wandel vor Menschenaugen seine Stätte hat, während zur selben Zeit im geheimen Denken mancherlei Böses seinen Unterschlupf gefunden und sein Nebendasein fristen kann, sind wir noch nicht sicher vor Entdeckung. Äußerlich aufopfernd, edel, hilfsbereit, innerlich selbstsüchtig, unnobel, hartherzig, auf die eigene Ehre oder Bequemlichkeit sinnend - das ist ein gewagtes Spiel! Plötzlich verlierst du das seit Jahren mühsam bewahrte Gleichgewicht und fällst in einem hitzigen Augenblick aus deiner Rolle, und die andern, die dich wie ein Tugendmuster verehrt, sehen erschrocken in das glühende Innere deines Wesens, wo ganz gemeine Triebe toben. Doppelleben! Darum ist es der beste Rat, den der Apostel geben kann: Denke so dem wahrhaft Guten nach daß es an dir nichts zu verraten gibt. Denke im geheimen so, als wäre deine Stirn aus Glas, und als könnten alle Menschen deine innersten Gedanken lesen. Dann gibt es keine Demütigung der Entdeckung. Dann wird das Innere mit dem Äußeren ganz natürlich zusammenstimmen, und wer etwas von deinem Wesen kennenlernt, der hat dich ganz kennenlernt. Was für klare Rechnungen mit Menschen gäbe das!

Herr, vor dir bin ich entdeckt. Jetzt hilf mir zum nächsten Schritt, daß ich vor mir selbst entdeckt sei, daß ich mich selbst richtig erkenne, und dann hilf mir zu der Stufe, daß mein Innerstes vor aller Augen offen liegen kann. Herr Jesu, reinige du mich! Amen.