Röm 10,8
C.O.Rosenius
Das Wort ist dir nahe, nämlich in deinem Mund und in deinem
Herzen. Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen.
Röm. 10, 8.
Hier liegt das Geheimnis des Glaubens. Hier ist die wahre
Weisheit. ,,Das Wort ist dir nahe." Wer Gott und Christus
finden will, der halte sich an das Wort. In ihm will Gott
uns begegnen, in ihm findest du Christus. Du brauchst also
nicht in dunklen Gefühlen oder in unbekannten Räumen
umherzuschweifen, um Ihn zu suchen, - weder in der Höhe noch
in der Tiefe, - du hast Ihn ganz nahe im Wort - dem Wort vom
Glauben. Umfassest du dieses in deinem Herzen, so hast du
Christus in deinem Herzen und alles das, was dies Wort
enthält und verspricht. Du brauchst darum nicht mit deinen
Gedanken hin und her zu schweifen, dich zu quälen und zu
sagen:
,,Wenn ich doch nur wüßte, was Gott im Himmel von mir denkt
und mit mir tun will! Wenn ich doch wüßte, ob mein Name im
Buche des Lebens steht oder nicht! Ach, daß Gott sich mir in
irgendeiner Weise offenbaren und es mir sagen wollte!" Sprich
solches nicht in deinem Herzen! Gott der Herr hat das schon
getan, was du wünschest. Er hat sich schon offenbart und uns
das Wort gegeben, das für alle, für einen jeden gilt. Sei
dessen gewiß, daß bei Ihm kein Ansehen der Person ist,
sondern daß Seine verkündigten Gnadengesetze allen Menschen
gleichermaßen gelten.
In irdischen Verhältnissen verstehen wir gar wohl, wie ein
allgemeines Gesetz gilt. Wenn ich die Gesetze des Staates
kenne, dann brauche ich nicht zu sprechen: ,,Ach, daß ich mit
der Regierung sprechen und erfahren könnte, ob ich den Schutz
des Staates zu erwarten habe." Ich weiß zuvor, daß er alle
beschützt, die sich nach seinen Gesetzen richten. Ebenso
ist es auch mit dem Wort Gottes. Es ist nur eine
Oberflächlichkeit unseres Glaubens an das Wort Gottes, wenn
wir nicht wissen, was Gott von uns denkt. Er hat es uns im
Wort gesagt, daß wir dem Verdammungsurteil verfallen sind,
wenn wir dem Sohn nicht huldigen, sondern nach eigenem
Dafürhalten frei mit der Welt in der Sünde und dem Leichtsinn
leben wollen. Wenn ich versuchen will, durch eigene
Gerechtigkeit dem Gesetz gegenüber Gottes Gnade zu erwerben,
dann weiß ich, daß die Bedingung diese ist: Erfülle alles,
so wirst du leben. Wenn ich an einem sündige, dann bin ich
unter dem Fluch. Bin ich dagegen vom Gesetz gerichtet,
ratlos und niedergeschlagen, suche aber meine Errettung jetzt
nur im Sohn und in Seiner Versöhnung, und kann ich Ihn und
Sein Evangelium nicht mehr entbehren, dann weiß ich, daß ich
schon in Seine Gerechtigkeit gekleidet und ins Buch des
Lebens eingeschrieben bin, wie schlecht es auch in meinem
Herzen gesehen oder gefühlt werden mag. Ich weiß es aus
Gottes eigenem Wort. - Und wem sollte ich glauben, wenn
nicht Gott selbst?
Diese Lehre müssen wir unserem Herzen mit tiefem Ernst
einprägen. Denn es ist sonst eine überaus schwere Kunst,
unter all den mannigfaltigen Anfechtungen, die unsere Herzen
in dieser argen Welt erleiden müssen, immer im Glauben zu
verbleiben. Das Fleisch ist voller Sünde, das Gewissen voll
gesetzlichen Sinnes. Bei Gottesfürchtigen ist das Gefühl
nicht selten wie eine offene Wunde. Gott ist mit Seiner
Gnade oft tief verborgen und sehr wundersam. Unser Feind,
der Teufel, hat dann reiche Gelegenheit und Mittel, uns
anzufechten, solange wir auf Erden sind. Dann gilt es,
einen starken Halt in der Not zu haben und nicht von
dem abzuhängen, was wir in uns selbst sind, finden oder
fühlen, sondern strikt an dem ewigen Wort des großen Gottes
festzuhalten. Von dieser Kunst redet Luther sehr lehrreich:
,,Es ist zweierlei Art, Fühlen und Glauben. Darum muß man
hier vom Fühlen abtreten und schlechts das Wort in die Ohren
fassen und danach ins Herz schreiben und dran hangen, wenn es
gleich keinen Schein hat, daß meine Sünden von mir hinweg
sind, wenn ich sie gleich noch in mir fühle."
Dies geschieht nun aber nur durch das beharrliche Festhalten
des Glaubens an dem Wort Gottes. Bedenke! Wenn der große
Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, bezeugt: ,,So
wahr als Ich lebe, Ich habe keinen Gefallen am Tod des
Gottlosen, sondern daß sich jedermann bekehre und lebe",
welcher verlorene Sünder sollte sich dann nicht darauf
verlassen dürfen und zu Ihm hinfliehen und leben? Der große
Gott hat von Anfang der Welt an mit so vielen ausdrücklichen
Worten und beredten Vorbildern Seinen ewigen Ratschluß
offenbart, daß Er durch Seinen eingeborenen Sohn den
Sündenfall wiedergutmachen, die Sünde tilgen und das Gesetz
erfüllen wollte. Große Scharen von Evangelisten zeugen durch
die Kraft des Heiligen Geistes davon auf Erden, wie dieses
alles erfüllt ist. Ja, der Herr Christus selbst bezeugt:
,,Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.
Ich war tot, und siehe, Ich bin lebendig von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des
lebendigen Wassers umsonst". Welcher verlorene Sünder sollte
sich nicht auf solche Worte verlassen und getrost zum
Gnadenthron hingehen können? Welcher angefochtene Christ
sollte nicht mit allen seinen Versuchungen und Gebrechen sein
müdes Herz an solchen Worten ausruhen wollen? Das Wort, das
eigene Wort Gottes ist dir nahe, ja, in deinem Herzen und in
deinem Mund, wenn du es mit dem Glauben umfassest. In und
mit dem Wort hast du Christus und alle Seligkeit. Glaub es
nur!
Herr, Dein Wort, die edle Gabe,
Diesen Schatz erhalte mir;
Denn ich zieh es aller Habe
Und dem größten Reichtum für.
Wenn Dein Wort nicht mehr soll gelten,
Worauf soll der Glaube ruh'n?
Mir ist's nicht um tausend Welten,
Aber um Dein Wort zu tun.