Röm 9,31
C.O.Rosenius
Israel hat dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgetrachtet und
hat das Gesetz der Gerechtigkeit nicht erreicht. Warum das?
Darum, daß sie es nicht aus dem Glauben, sondern als aus den
Werken des Gesetzes suchen. Denn sie haben sich an den Stein
des Anlaufens gestoßen. Röm. 9, 31 u. 32.
O, daß wir beachteten, was die Auserwählung bewirkt! Gott
hat den Weg des Glaubens und nicht den Weg der Werke
auserwählt. Gott hat den ,,Sohn der Verheißung" und nicht
,,den Sohn der Magd" auserwählt. Wollte nun jemand
versuchen, Seine Gnade durch Werke, Frömmigkeit und
Gottesdienst zu gewinnen, so wird es ihm allzu schwer, ja,
ganz unmöglich. Gott hat die Kinder des Glaubens auserwählt.
Es hilft nichts, gegen die Auserwählung Gottes zu streiten;
denn dann geht es so, daß derjenige, der der Gerechtigkeit
nachgetrachtet hat, sie nicht erreicht, und daß derjenige,
der der Gerechtigkeit nicht nachgetrachtet hat, sie erreicht,
wenn er sie im Glauben annimmt. Der älteste Sohn, der immer
,,dem Vater diente und Sein Gebot nie übertreten hat",
bekommt keinen Bock; der aber, der sein Gut mit Huren
verpraßte, bekommt ein gemästetes Kalb, wenn er einmal in
seiner Blöße umkehrt und die Gnade als Gnade annimmt. ,,Die
Ersten werden die Letzten sein, und die Letzten werden die
Ersten sein."
Sicherlich kann eine solch wundersame Regierung sowohl
den Himmel als auch die Erde erregen. Und man braucht
sich wahrlich nicht darüber zu wundern, daß die zu murren
anfangen, die ,,des Tages Last und Hitze getragen haben", die
ihre Kräfte auf das äußerste angestrengt und den Lüsten der
Welt entsagt, sich mit dem Gesetz Gottes und mit guten Werken
gemüht und geplagt haben. Sie müssen nun sehen, daß Zöllner
und Sünder, die wild der Sünde gefrönt haben, ,,eher ins
Himmelreich kommen, denn sie", eher zur Freiheit, zum Frieden
und zur Freude des Evangeliums und des Glaubens kommen und
sich schon einer vollkommenen Gerechtigkeit und eines
Zeugnisses der Kindschaft - des besten Kleides und des
Fingerreifes - rühmen. Sie selbst dagegen, so ernst und
von anhaltender Arbeit ermüdet sie auch sind, haben diese
Gerechtigkeit nicht! Man braucht sich nicht darüber zu
wundern, daß diese zur Bitterkeit und zum Murren gegen eine
solche Regierung gereizt werden. Aber was hilft es? Es war
so in Gottes Rat beschlossen, ehe der Welt Grund gelegt war,
und es ist darum nicht gut, gegen den zu streiten, der Himmel
und Erde durch die Macht seines Fingers trägt! Er ist uns
allzu groß und mächtig und ,,hat die Schlüssel der Hölle
und des Todes, Er, der auftut und niemand schließt zu, der
zuschließt und niemand tut auf". Er erbarmt sich, wessen Er
will. Es liegt nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern
an Gottes Erbarmen, wer selig werden soll! Er erwählt, wen
Er will. Und nun hat es Ihm gefallen, jene zu erwählen, die
an den eingeborenen Sohn glauben, nicht aber die, die sich
selbst den Himmel verdienen wollen. Das ist die ewige
Auserwählung Gottes. Er hat uns in Christus und nur in
Christus auserwählt, ehe der Welt Grund gelegt war. Wer auf
die Auserwählung nicht achtgibt, sondern mit dem Kopf gegen
die Wand rennt und stößt, wo keine Tür ist, der kommt nie
hindurch, sondern muß zuletzt, wenn er auf das ernsteste
,,der Gerechtigkeit nachgetrachtet hat", die abweisende
Antwort erhalten: ,,Nimm das Deine", was du selbst verdient
hast, ,,und gehe hin." Wie hart es auch lauten mag, so sagt
die Schrift doch: ,,Stoß die Magd hinaus mit ihrem Sohne,
denn der Magd Sohn soll nicht erben mit dem Sohn der
Freien." ,,Die mit des Gesetzes Werken umgehen, die sind
unter dem Fluch." Seitdem Gott uns in Christus erwählt und
Seinen eigenen Sohn in Marter und Tod dahingegeben hat, um
unsere Sünden zu versöhnen und uns die Seligkeit wieder zu
erwerben, gilt vor Ihm nichts als das Blut und der Gehorsam
Seines geliebten Sohnes, glüht Seine eifernde Liebe um den
Sohn wie ein brennendes Feuer, das die ganze Welt erfüllt und
das alles verzehrt, was sich dagegen stellt, selbst, wenn es
auch die größte Heiligkeit wäre. Komme vor Gott nur in der
Kleidung Seines geliebten Sohnes, denn sonst wird Er dir
ein verzehrendes Feuer sein! Komme nie vor Gott in deinem
eigenen Namen! Versuche nie, Seine Gnade zu gewinnen, außer
in Ihm, dem Geliebten! Du bist vielleicht ernst in deiner
Gottesfurcht; du betest fleißig und brennend; du bereust
bitterlich deine Sünden; du wachst und streitest gegen sie;
du tust viele gute Werke; - alles das ist gut und schön!
Aber sei und tue all dieses Gute und noch mehr, und du wirst
dennoch verdammt - es hilft nichts, solange du nicht dies
alles für ,,Dreck" achtest und solange nicht Christus allein
deine Gerechtigkeit und dein Trost geworden ist. Solches
bewirkt die Auserwählung!
Ja, wer auf eigne Werke sieht
Und sich auf diese Art um Gnade müht,
Die Gott umsonst doch gibt,
Der wird zuschanden
Und bleibt gewißlich in seinen Banden,
Verfehlt sein Heil.