Römerbrief

Röm 8,32 D.Rappard Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Röm. 8,32.

Weihnacht ist das Fest der Gaben. O, daß doch niemand ob dieser Gaben die Gabe vergesse, die wunderbare, die Gottes Liebe der Welt zur Rettung gab! Zweierlei soll unser herrliches Wort uns heute sagen.

1. Eine Gabe ist da, damit man sie annehme. Hast du das je gläubig getan? Es besteht mancherorts eine eigentümliche Unklarheit. Man weiß von der Gabe. Man singt jahraus, jahrein davon, die einen allerdings mit zerstreutem Sinn, andere aber in stiller Andacht und dankbarer Empfindung. Und doch kommt es nicht zum wahren Besitzergreifen. O, laß dieses Weihnachtsfest nicht in äußerem Tand, auch nicht in sentimentalem Genuß vorübergehen, sondern mache es mit des himmlischen Vaters Gabe, wie du es mit den Geschenken irdischer Liebe tust. Nimm sie an! Mache ihr Raum! Laß es Wahrheit werden: M e i n J e s u s i s t m e i n!

2. Und ist dies unermeßlich Große dein, so traue es deinem Vater zu, daß er dir für Seele und Leib geben kann und will, was irgend du bedarfst. In seinem Hause hat man die Fülle. Du sollst nicht darben. Mit der einen großen Gabe im Herzen komm freudig herzu und nimm Gnade um Gnade.

Der Du Deines eigenen Sohnes nicht verschont hast, sondern ihn für uns dahingegeben hast, o gib mir Leben, Kraft, Frieden und Seligkeit!





C.O.Rosenius Gott hat Seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben. Röm. 8, 32.

Hier würde jedes Herz brennend werden vor Freude und Liebe, wenn wir nur geistliche Augen und Sinne empfangen könnten, um das, was hier gesagt wird, zu sehen und zu begreifen! Denn hier wird ein solcher Beweis der unvergleichlichen Barmherzigkeit und Liebe Gottes angeführt, daß es alle natürlichen Gedanken übersteigt. Und dieser allerhöchste Liebesbeweis besteht darin, daß Gott um unsertwillen Seines eigenen Sohnes nicht verschont, sondern Ihn für uns alle dahingegeben hat. Dies ist das Hauptthema der Schrift und zugleich das, dessen wir zum Leben und zur Gottseligkeit am meisten bedürfen. Zu gleicher Zeit ist es aber auch das, was wir am wenigsten in unseren Herzen behalten können, weil es von dem Unglauben, der Vernunft, dem Gefühl, der Sünde und dem Teufel zumeist verdunkelt wird. Darum wollen wir etwas näher darüber nachdenken, was in diesem Spruch enthalten ist.

Was die Gabe selbst betrifft, so sagt der Apostel, daß Gott uns Seinen eigenen Sohn gegeben hat. Mit den Worten ,,Seinen eigenen" sagt er, daß Christus in des Wortes eigentlicher Bedeutung Gottes Sohn ist, indem Er Seinem Wesen nach Gottes Sohn ist, um Ihn damit von denen zu unterscheiden, die aus Gnaden und durch Annahme Gottes Söhne sind. Nur in diesem Fall, weil Gott uns in des Wortes eigentlicher Bedeutung Seinen eigenen Sohn gegeben hat, kann die Gabe dazu dienen, Seine unermeßliche Liebe zu beweisen. Wenn Er uns einen Engel oder einen hochbegnadigten Menschen gegeben hätte, wäre dadurch nicht bewiesen worden, daß Er uns auch alles geben will. Hier mußte es eine Gabe sein, die größer als alle anderen Dinge ist, da der Apostel zu dem Schluß und der Gewißheit kommt, die er mit der Frage ausdrückt: ,,Wie sollte Er uns mit Ihm nicht alles schenken?" Gelobt sei der Herr! Seine Worte sind fest und klar. Christus ist der von Anfang her verheißene wahre und ewige Sohn Gottes. Welcher Mensch kann wohl etwas so Großes vollkommen glauben? Könnten wir es recht glauben, daß Gott wirklich Seinen eigenen, ewigen Sohn für uns dahingegeben hat, dann würde uns vor lauter seliger Verwunderung, Freude und Liebe sein wie den Träumenden. Oder kannst du dies glauben und dennoch auch nur einen Augenblick bezweifeln, daß Gottes Herz voll erbarmender Liebe und Fürsorge für alles ist, was Mensch heißt? Kannst du glauben, daß Gott Seinen eigenen Sohn dahingab, unser Bruder und Erlöser, ja, unser Opferlamm zu werden, und dennoch zu gleicher Zeit die Hinlänglichkeit der Gnade und Liebe Gottes bezweifeln? Kannst du bezweifeln, daß Er uns mit dem Sohn alles schenken will?

Dieser Liebesbeweis Gottes wird uns noch größer werden, wenn wir zudem das fassen und recht bedenken, was die Worte ,,nicht verschonet, sondern dahingegeben" enthalten. Sie sagen uns etwas von der Art und dem Zweck der Dahingabe des Sohnes. Gott hat Seinen Sohn nicht verschont. Damit wird zunächst angedeutet, daß es ein Opfer, eine bittere Sache für das liebende Vaterherz Gottes war, Seinen Sohn dahinzugeben, um an unserer Statt zu leiden und zu sterben. Der Vater hat gleichsam Seinem eigenen Herzen, Seiner Liebe zum Eingeborenen Gewalt angetan und gerade dadurch den höchsten Beweis Seines tiefen Erbarmens über die Menschen gegeben. So sprach der Herr auch zu Abraham, als dieser im Begriff war, seinen Sohn zu opfern: ,,Nun weiß Ich, daß du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um Meinetwillen."

Daß Gott Seinen eigenen, geliebten Sohn nicht für zu teuer hielt, Ihn für uns zu einem Opfer dahinzugeben, war also nach diesem Ausspruch Gottes an Abraham die höchste Liebesprobe, die Er beweisen konnte - und zwar besonders deshalb, weil Er Seinen Sohn zu einem Opfer in das bitterste Leiden und den angstvollsten Tod dahingab. Das bezeugen alle Propheten von Ihm. So sprach Er auch selbst in der Nacht, als Er in Sein Leiden ging: ,,Mein Blut wird für euch vergossen zur Vergebung der Sünden." So bezeugt eine große Evangelistenschar, daß ,,Gott den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht hat" und daß ,,Er uns erlöst hat von dem Fluch des Gesetzes, da Er ward ein Fluch für uns", ja, daß ,,Er von Gottes Gnaden für alle den Tod schmeckte." So singen auch die seligen Scharen mit lauter Stimme vor dem Throne des Lammes: ,,Du bist erwürgt und hast uns Gott erkauft mit Deinem Blut." Wenn dies unseren Herzen wahr und lebendig wird, dann werden wir mit einem Male selig und haben nun keine Worte mehr, diese Liebe Gottes würdig zu preisen, die Ihn veranlaßte, daß Er um unsertwillen Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle dahingegeben hat.

,,Für uns alle!" Dies ist nun der letzte Punkt unseres Spruches, der uns die Liebe Gottes erklären will. Er hat Ihn für uns alle dahingegeben. Dieser Umstand enthält zwei höchst wichtige Lehren von der Liebe Gottes. Die erste ist die, die in dem Ausdruck selbst liegt, daß ein jeder - kein einziger ist also ausgeschlossen, in Christi Tod versöhnt, mit Seinem Blut von allen seinen Sünden, vom Tod und von der Gewalt des Teufels erlöst ist, diese Gnade nun annehmen kann, annehmen darf und soll und dann selig wird. Die andere Lehre ist diese: Wenn Christus für alle, also auch für die erbärmlichsten Sünder, dahingegeben ist, dann folgt daraus, daß Gottes Gnade und Liebe ganz unabhängig von unseren besseren und schlimmeren Zeiten sein muß, sie muß also eine ganz unveränderliche Liebe sein. Laßt uns solches oft und tief betrachten!

Gott, der den Sohn zum Sterben nicht verschonte, Der Ihm an meiner Statt so schrecklich lohnte, Weil Ihm die Liebe mir, dem Feind, zum Leben Den Rat gegeben. Wie ging es zu, daß Er mich jetzt verstieße, Mich an den Sohn vergeblich glauben ließe? So tut kein Mensch; wie käme Gottes Treue Zu solcher Reue?





C.O.Rosenius Wie sollte Er uns mit Ihm nicht alles schenken? Röm. 8, 32.

Dies ist die beste Schlußfolgerung aus dem Vorhergegangenen. Da Gott uns die größte Gabe gegeben hat, wird Er uns die kleineren auch nicht verweigern. Sein eigener Sohn ist gewiß die größte Gabe, die je gegeben werden konnte; und dann wird wahrlich nichts Gutes oder Heilsames denjenigen vorenthalten werden, denen Gott eine solche Gabe geben wollte. Er wird uns mit Ihm alles schenken. Das Wort ,,mit Ihm" gibt zu erkennen, daß wir um Christi willen alles erhalten, gleichwie eine Braut an allem Anteil erhält, was der Bräutigam besitzt. Schon hier hat der Vater uns mit dem Sohn die größten Gaben gegeben: Eine ewige Gnade und Vergebung für alle Sünden, Freiheit vom Gesetzesbunde und aller Verdammnis, eine ewige Gerechtigkeit vor Gott, den Heiligen Geist in unseren Herzen, den Dienst und Schutz der heiligen Engel, Erhörung und Hilfe in allen Bekümmernissen, schließlich den Sieg über den Tod und das Erbteil an der himmlischen Herrlichkeit. Sollte dies zuviel zu erwarten sein? Im Gegenteil, denn der Apostel sagt: ,,Da Gott auch Seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat Ihn für uns alle dahingegeben, wie sollte Er uns mit Ihm nicht alles schenken?" Dies Wort ,,wie" bezeichnet das entschieden Sichere, ja, Unbedingte dieser Schlußfolgerung, daß Gott dann gewillt sein muß, uns mit Ihm alles zu schenken.

Diesen herrlichen und unerschütterlichen Trostgrund müssen wir nun bei allen möglichen Bedürfnissen der Gnade und Hilfe Gottes bedenken und anwenden. Bist du z. B. sehr niedergeschlagen wegen deiner Sünden, fällst und vergehst du dich oft und denkst, daß Gott deiner müde werden und dich in einen verkehrten Sinn dahingeben müsse, suchst du aber und erflehst du noch am Gnadenthron Vergebung und Hilfe, wie sollte Gott dir diese dann nicht geben, Er, der Seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, um uns eine ewige Gnade zuteil werden zu lassen? Wie sollte Er dich nicht die ganze Zeit hindurch so, wie du bist, auf Seinen ewigen Gnadenarmen tragen und dich verteidigen? Wie sollte Er dir nicht eine solche Gnade schenken, da Er Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns dahingegeben hat zu der Zeit, als wir - noch gänzlich in alle Sünden verstrickt - Seine Feinde und Verächter waren? Wie sollte Er nun auf deine Sünden zu sehen anfangen?

Oder du erschrickst und ängstigst dich über deinen Unglauben und deine Herzenshärtigkeit, daß du nicht alles das glauben und dich nicht über die Liebe Gottes und die Dahingabe des Sohnes freuen kannst, und du seufzest: ,,Ach, daß ich nur mehr Glauben und Leben in meiner Seele hätte!" Wie aber sollte Gott dir nicht auch dies schenken wollen, da Er dir doch Seinen Sohn gab? ,,Wieviel mehr wird unser Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die Ihn bitten." Nun klagst du aber, daß du nicht einmal so fleißig und ernstlich beten kannst, wie du solltest, sondern im Gebet sogar kalt und träge bist, und du wünschest, daß Gott dir auch hierin helfen möge. Wie sollte Er dir nicht auch diese Gnade schenken wollen, Er, der Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für dich dahingegeben hat? Wenn du zudem um vermehrtes Armsein im Geist und um vermehrtes Gefühl deiner Ohnmacht und deines Elends flehst, sollte Er dir dann einen fühlbaren Reichtum an geistlichen Gaben geben? Dann erhört Er auch dieses letztere Gebet. Er läßt dich zwar immer tiefer deine Armut und dein großes Elend fühlen, gibt dir aber doch so viel Gnade zum Glauben, zum Gebet usw., daß du nicht zuschanden wirst, nicht verlorengehst, sondern wirklich das ewige Leben empfängst.

Wenn du schließlich deinem Zustand mißtraust und befürchtest, daß du nach allem, was du von geistlichen Sachen erfahren und gehört hast, schließlich doch heimlich betrogen im ewigen Verderben enden wirst, und wenn du deshalb mit David ausrufst: ,,Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz!", wie sollte Er nicht auch ein solches Gebet erhören und dafür sorgen, daß du nicht in einem falschen Zustand verbleibst?

Oder du fühlst und siehst viele furchtbare Versuchungen auf dich einstürmen, ohne zu sehen, wie du in ihnen glücklich bestehen wirst, aber du flehst, daß Gott Hilfe senden möchte; oder du leidest an körperlichen Gebrechen, an Krankheit oder Armut, oder unter bösen Zungen und unter Argwohn von seiten der Menschen, und du weißt keine Hilfe auf Erden, sondern wendest dich an deinen Vater im Himmel; - sollte Er dich dann nicht hören und dir alle Gnade und Hilfe geben, deren du bedarfst? - Kurz, wenn mein Herz sich von äußeren und inneren Anfechtungen wie in einem Wirbelwind von ungewissen Gedanken umhergeworfen fühlt und ich nicht weiß, welche Richtung ich einschlage oder was Gott von mir denkt, wenn ich im Gewissen wegen Sünden oder Untreue verdammt werde, welch ein unaussprechlicher Trost und welche Ruhe, wenn ich dann zu Dem hinaufblicken kann, der vom Anfang der Welt an alle, die Ihn anriefen, um Seines Sohnes willen erhört und ihnen geholfen hat!

Wenn schließlich meine Sterbestunde gekommen ist und mich vielleicht die Dunkelheiten der Ewigkeit umgeben, meine Seele vielleicht mit bangen Gedanken wegen des Vergangenen und des Zukünftigen beunruhigt wird, welch ein Trost, wenn dann jemand mir ins Ohr rufen kann: ,,Er, der Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte Er dir jetzt nicht helfen? - Wie sollte Er uns dann nicht auch im Tod ein ebenso treuer Freund und Helfer sein, wie Er es im Leben war? Wird Er nicht, wenn unsere Prüfungszeit zu Ende ist, den ganzen Reichtum Seiner Gnade offenbaren und uns im höchsten Sinn mit dem Sohn alles schenken?"