Röm 8,26
C.O.Rosenius
Desgleichen hilft auch der Geist unserer Schwachheit auf.
Röm. 8, 26.
Hier ist die tiefe Quelle der unaussprechlichen Seufzer
aller Kinder Gottes: ,,Unsere Schwachheit". Es ist ein Wort,
das wir verstehen, ein unserem Herzen entnommenes Wort,
,,unsere Schwachheit". Der Apostel sagt ,,unsere Schwachheit",
wodurch er auch sich selbst unter diejenigen einschließt,
die ihre Schwachheit empfinden. Je länger wir unter der
Zucht des Geistes leben, um so tiefer fühlen wir unsere
Schwachheit, so daß wir schließlich sagen: Alles, was in uns
ist, ist lauter Schwachheit. Was Gott ist und tut, ist etwas
anderes; aber in uns ist lauter Schwachheit. Das empfinden
wir am fühlbarsten in allem, was uns am teuersten und
wichtigsten ist, wie z. B. in unserem geistlichen
Verständnis, in unserem Glauben, in unserer Hoffnung, in
unserer Liebe, in unserem christlichen Ernst, in unserer
Wachsamkeit, in unseren Gebeten usw. In allem fühlen wir
die größte Schwachheit.
Obwohl Gott uns ein neues Verständnis gegeben hat, sind
wir zu gewissen Zeiten doch ganz blind und sehen auch das
Deutlichste im Worte nicht. Daselbst stehen uns die größten
Trostgründe vor Augen, ja, gerade für ratlose Sünder, und
dennoch ist es, als sähen wir sie nicht. Wir gleichen einem
Manne, der dicht vor einer Mauer steht, sie aber trotzdem
nicht sieht. Wir glauben nicht nur, daß Gott allgegenwärtig
ist, wir fühlen es auch in unserem Gewissen. Wir fühlen,
daß Er auch unsere geheimsten Gedanken sieht; und dennoch
verleben wir Stunden und Tage so, als ob kein Gott vorhanden
wäre. In den Stunden der Versuchung fürchten wir Ihn nicht,
und in der Stunde der Not oder des Gebetes haben wir von
Seiner Nähe keinen Trost. Wiewohl Gott uns Seinen Sohn
verklärt hat, so daß wir nichts für so groß und so wert
halten wie Christus, scheint es uns dennoch zu gewissen
Zeiten so, als ob kein Christus vorhanden sei, sondern als
ob wir mit unserer eigenen Gerechtigkeit vor Gott bestehen
müßten. Wiewohl Gott uns die stärksten Gründe für unsere
Seligkeitshoffnung gegeben hat, ist es doch oft so jämmerlich
um unsere Hoffnung und unser Warten bestellt, daß wir lange
Zeit brauchen, daran zu denken, daß wir einer ewigen
Herrlichkeit entgegengehen. Diese Hoffnung ist uns nur wie
ein Traum. Im Herzen und dem Gefühl nach ist es uns so, als
ob es nach diesem Leben mit uns vorbei wäre. Obwohl Gott
eine neue Liebe in unserem Herzen bewirkte, merken wir doch
oft, wie wir in erster Linie nur unser eigenes Wohlergehen
bedenken! Obwohl mit der Kindschaft ein Geist des Gebets in
unseren Herzen geboren ist und das Gebet uns zudem das sein
müßte, was es wohl zu gewissen Zeiten ist - das allerliebste
für die Kinder Gottes -, so sind wir doch zu anderen Zeiten
geradezu des Gebetes überdrüssig und können mitten im Gebet
mit verfänglichen Gedanken erfüllt werden. Solches alles ist
gewiß eine große Schwachheit.
Wenn wir das jetzt nicht nur einsehen und erkennen, sondern
wirklich erfahren, daß unsere Schwachheit so groß ist, dann
sind wir geneigt, ganz zu verzweifeln. Aber dann sagt der
Apostel: Verzweifelt nicht, wir haben einen Helfer. ,,Der
Geist hilft unserer Schwachheit auf." - ,,Der Geist" ist nun
der große Helfer, Leiter, Tröster und Fürsprecher, dem der
himmlische Vater auf das Verdienst und die Fürbitte des
Sohnes hin den Auftrag gab, Seinen Kindern während ihrer
Wanderung auf Erden zu folgen und sie zu beschützen. Mit
allem, was Gott uns durch Christus gegeben hat, und mit allen
Gnadenmitteln und dem ganzen Werk des Geistes in unseren
Herzen können wir doch nicht glücklich durch die sich uns auf
unserem Wege entgegenstellenden Gefahren und Schwierigkeiten
hindurchkommen, wenn nicht ,,der Geist selbst" uns schützt,
leitet, warnt und erquickt. Solches deutete auch Jesus
Seinen Jüngern an, als Er sie auf Seinen Weggang von ihnen
vorbereitete und gerade damals die Verheißung von einem
anderen Tröster so oft wiederholte. Er hatte ihnen
versichert, daß Er sie, obwohl Er jetzt von ihnen ginge,
dennoch nicht Waisen sein lassen wollte; sie würden Ihn
wiedersehen und eine Freude haben, die niemand von ihnen
nehmen sollte. Er hatte ihnen gesagt, daß in Seines Vaters
Hause viele Wohnungen seien, und daß Er jetzt hinginge, ihnen
die Stätte zu bereiten; daß sie den Weg wüßten, nämlich, daß
Er selbst der Weg sei, daß Er wiederkommen und sie zu sich
nehmen werde usw. Aber bei allem erklärte Er, daß sie noch
nicht vor allen Gefahren recht gesichert wären, und zu
wiederholten Malen gab Er ihnen die Verheißung, daß Er ihnen
einen anderen Tröster senden werde, den Geist der Wahrheit,
der immer bei ihnen bleiben, sie in alle Wahrheit leiten und
sie erinnern würde alles dessen, was Er ihnen gesagt hatte.
Dies müssen wir alle tief in unsere Herzen schreiben, daß
wir nämlich keineswegs uns selbst, unserer eigenen Fürsorge
überlassen sind und daß unser Sieg in den Kämpfen nicht von
unserer eigenen Stärke abhängt. Dann wären wir gänzlich
verloren. ,,Der Geist selbst hilft unserer Schwachheit auf."
Das Wort ,,aufhelfen" ist im Grundtext sehr bedeutungsvoll.
Es bezeichnet eigentlich ,,sich annehmen", ,,mit anfassen"
oder ,,mit einem, dem man helfen will, Hand ans Werk legen".
Der Geist faßt also mit uns unsere Schwachheit an, nicht, um
sie schon ganz wegzunehmen, sondern um sie so zu leiten, daß
Seine Kraft in unserer Schwachheit offenbar werden wird und
wir schließlich Ihn, Seine Weisheit, Treue und Allmacht
bewundern und preisen werden.
O, Du Geist der Kraft und Stärke,
Du gewisser Heilger Geist!
Förd're in uns Deine Werke,
Wenn sich Satan grimmig weist;
Schenk uns Waffen in dem Krieg
Und verleih uns stets den Sieg.