Röm 8,24
C.O.Rosenius
Wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung. Röm. 8, 24.
,,Wir sind selig", sagt der Apostel hier. Das ist gar zu
tröstlich und geheimnisvoll, als daß wir es recht glauben
könnten. Es ist etwas, was nur das Wort des großen Gottes,
ja, Sein Eid und Sein Geist uns sagen können, dennoch aber
kommt es nicht recht in unsere Herzen. Und doch ist es eine
göttliche Wahrheit, die der Apostel hier ausspricht, daß wir
schon ,,selig" sind - wir, die wir des Geistes Erstlinge
haben, wir sind selig, obwohl in einer solchen Weise, daß
es in dieser Zeit weder gesehen noch gefühlt wird. Das Wort
des Grundtextes für ,,selig" ist deshalb eigentlich auch
,,errettet", der Verdammnis entgangen, für den Himmel
geborgen, in welchem Begriff nichts von unseren Gefühlen
noch von unserem Genuß der Seligkeit liegt. Es ist etwas, was
geglaubt werden muß. Darum sagt der Apostel, daß wir selig
sind ,,in der Hoffnung ,,Errettet", ,,erlöst", ,,geborgen",
,,selig gemacht" ist gerade das Wort, von dem der Heiland
Seinen Namen hat, und es enthält eine Teilhaftigkeit all
des Guten, das Er uns erwarb. Wir haben nämlich jetzt die
Vergebung unserer Sünden und die ewige Freundschaft Gottes.
Wir sind Gottes Kinder, stehen im Buch des Lebens, sind im
Himmel anerkannt, geliebt und erwartet. Wir stehen in einer
innigen Vereinigung mit Gott und haben den Heiligen Geist in
unseren Herzen, der uns erleuchtet, heiligt und in alle
Wahrheit leitet, bis wir Erlaubnis zur Heimfahrt erhalten. -
Dies alles heißt ja gewiß ,,selig" sein. Und dies ,,sind
wir" schon, wie der Apostel sagt.
Die Welt meint, daß wir selig werden, wenn wir sterben. Dies
ist zwar in einem anderen Sinne wahr, wenn man nämlich davon
redet, daß die Gläubigen dann ihre Seligkeit genießen werden.
Aber das in unserem Text Erwähnte ist dieses, daß sie schon
hier ,,selig" sind, nämlich in dem Sinn, daß sie vor Gott
schon ,,Kinder", Erben und rechtmäßige Eigentümer der Schätze
der Seligkeit sind. Abraham wurde nicht dadurch Gottes
Freund, daß er starb; er war es schon zuvor, als er in Zelten
auf Erden wohnte. Aber dieselbe Freundschaft Gottes, die er
damals genoß, folgte ihm auch in den Tod und in die Ewigkeit.
Niemand wird ein Freund Gottes in dem Augenblick, wenn er
stirbt, wenn die Seele vom Leibe geschieden wird; schon hier
muß man es sein, um es in der Ewigkeit sein zu können. Wer
hier nicht durch den Glauben den Sohn Gottes hat, der wird,
wie bereits angeführt, ,,das Leben nicht sehen".
Doch diejenigen, die hier des Geistes Erstlinge haben, werden
auch einst die Fülle empfangen. Diejenigen, die hier mit
Christus vereinigt sind, werden auch in der Ewigkeit bei Ihm
sein. Darum sind sie auch hier schon selig. Oder ist der
Mensch nicht selig, der Gottes geliebtes Kind ist und mit
Gott wie mit Seinem lieben Vater reden kann? Ist ein solcher
Mensch nicht selig, von dem Christus sagt: ,,Wahrlich,
wahrlich, Ich sage euch: Wer an Mich glaubt, der hat das
ewige Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist vom
Tod zum Leben hindurchgedrungen"? Sind diejenigen nicht
selig, von denen der Apostel einmal sagte:
,,Ihr seid gekommen zu dem Berge Zion und zu der Stadt
des lebendigen Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem und
zu der Menge vieler tausend Engel und zu der Gemeinde des
Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott,
dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollkommenen
Gerechten und zu dem Mittler des neuen Testamentes, Jesus,
und zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet denn
Abeis - sind diese nicht selig? Und diejenigen, an die der
Apostel so schreiben konnte, wandelten noch auf Erden, sie
trugen noch den Leib der Sünde und des Todes und waren noch
von allen geistlichen Feinden umgeben; sie hatten noch mit
ihrem Verderben zu kämpfen und nach ihrer Erlösung zu
seufzen. Dennoch sagt der Apostel, daß sie gekommen waren
,,zu dem Berge Zion, zu der Stadt des lebendigen Gottes,
zu dem himmlischen Jerusalem und zu der Gemeinde der
Erstgeborenen und zu den Geistern der vollkommenen
Gerechten." Der Apostel erblickt hier eine einzige große
selige Gemeinde, von der etliche schon in den Himmel gekommen
waren - ,,die Geister der vollkommenen Gerechten" -, während
etliche noch auf Erden waren und noch ,,des Blutes der
Besprengung" bedurften. So ist es auch wirklich mit den
Gläubigen. Als Kinder und als Freunde Gottes bilden sie mit
den schon in den Himmel Eingegangenen eine einzige Gemeinde.
Es ist ebenso, als wenn wir an einem Feiertage viele Menschen
dem Gotteshause zueilen sehen, von denen etliche schon
hineingekommen, etliche gerade in der Tür und andere noch
draußen sind. Allesamt bilden sie eine einzige große
Gemeinde. So ist es auch mit den Gläubigen. Wir, die wir
noch draußen wandeln, gehören ebenso gewiß zur Gemeinde der
Seligen wie diejenigen, die schon im Himmel sind, obwohl
wir noch nicht hineingekommen sind. Solches liegt auch in
unserem Text, da hier gesagt wird: ,,Wir sind schon selig,
doch in der Hoffnung."
O, welcher mannigfache Segen, wenn wir diese Wahrheit tief in
unsere Herzen schreiben würden, daß wir nämlich schon hier
selig sind, schon hier Gottes Kinder und Erben sind, die
jetzt nur auf die selige Erlaubnis warten, heimgehen zu
dürfen! Dieser Trost des Glaubens und die Zuversicht der
Hoffnung sind doch die eigentliche Stärke unseres ganzen
Christentums.
Schon hier in diesem Leben
Grünt wahre Seligkeit.
Was wird der Himmel geben?
Da kommt die Erntezeit.
Da schmeckt das Herz vollkommen,
Was hier ein Vorschmack war,
Und ist mit allen Frommen
Im ew'gen Jubeljahr.
J.Kroeker
Vom Geheimnis der Wiedergeburt.
"Denn auf Hoffnung sind wir errettet worden; eine Hoffnung,
die man bereits (als erfüllt) sieht, ist keine Hoffnung mehr
... Wenn wir aber das hoffen, das wir nicht sehen, so warten
wir es ab in Geduld." Röm. 8,24 f.
In der Wiedergeburt liegt aber auch das Geheimnis der
lebendigen Hoffnung. Alles in der Wiedergeburt sich
erschlossene Leben und die damit verbundene gegenwärtige
Gemeinschaft mit Christus als unserem Haupte, weist
prophetisch über sich hinaus auf ein zukünftiges und
vollendetes Leben. Paulus spricht sehr klar und bestimmt von
unserem gegenwärtigen Heilsleben als von einem Stückwerk.
Der Anbruch ist niemals bereits das Ganze. Unser Erkennen,
unsere Hingabe an die göttliche Offenbarung, unser Dienst im
Reiche Gottes, unser Kampf des Glaubens mit den Werken der
Finsternis, unser Sehnen nach unseres Leibes Erlösung, -
alles ist Stückwerk.
Aber in diesem Stückwerk liegt etwas Prophetisches, das über
sich selbst hinaus auf das Kommende, Zukünftige, Jenseitige,
Vollendete hinweist. Auch die ersten sechs Schöpfungstage
waren jeder an sich zunächst nur Stückwerk. Und doch war
jeder vorangegangene Tag eine Vorbereitung für das Kommen des
nächsten Tages. Daher war auch alles Leben der einzelnen
Schöpfungstage erfüllt mit dem Geist und der Sehnsucht
auf den Advent des Schöpfungssabbats. Als dieser
Schöpfungssabbat erst als jener siebente Tag anbrach,
der ohne Abend war, da handelte es sich bei demselben
nicht mehr um eine Erlösung zur Vollendung, sondern um
das Offenbarwerden einer vollendeten Erlösung.
Wir sprechen daher von einer lebendigen Hoffnung. Sie ist so
wahr, wie Gottes Tat selbst wahr ist. Herausgeboren aus dem
Wirken Gottes, warten auch wir auf den Sabbat Gottes, der
einmal auch für die jetzt noch werdende neue Schöpfung ohne
Abend sein wird.
Wiedergeburt: eine Tat göttlichen Erbarmens! Wiedergeburt:
die Frucht des schöpferischen Wortes! Wiedergeburt: die
Hingabe des Glaubens! Wiedergeburt: der Anbruch eines neuen
Lebens! Wiedergeburt: das Geheimnis der lebendigen Hoffnung!
Möchte diese fünffache Botschaft uns hinausbegleiten in das
Leben und in den Dienst und in unserem Innersten immer wieder
jenen Psalm des Glaubens und der Anbetung auslösen: "Dem
aber, der mächtig genug ist, euch unfehlbar zu bewahren und
zu stellen vor das Angesicht seiner Herrlichkeit, unsträflich
mit Freuden, Gott, unserm Retter durch Jesum Christum, unsern
Herrn, sein ist die Herrlichkeit, Majestät, Macht und Gewalt
vor aller Zeit, jetzt und in alle Ewigkeit."