Röm 7,23
Ch.Spurgeon
"Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das
dem Gesetz meiner Vernunft widerstreitet." Römer 7,23
Ich bin nicht sicher, ob der Kampf zwischen der alten und
neuen Natur von allen jungen Christen gefühlt wird. Das
Leben eines Christen kann sehr oft in drei Perioden
eingeteilt werden: Die erste Periode ist die des Trostes,
in welcher sich der Christ in dem Herrn freut, singt und
erzählt, was der Herr für ihn getan hat. Je mehr davon,
desto besser. Danach kommt sehr oft die Periode des Kampfes.
Statt wie Kinder zu Hause zu sein, sind wir zu Männern
geworden und müssen darum zum Krieg ausziehen. Unter dem
Gesetz vom Sinai wurde ein Mann, der sich verheiratet oder
ein Haus zu bauen hatte, eine Zeitlang vom Kriegsdienst
befreit, aber danach mußte er seinen Platz in den Reihen der
Soldaten einnehmen. So ist es auch mit den Kind Gottes; es
mag eine Weile ruhen, aber dann kommt der Kampf. Der
Kampfesperiode folgt die dritte Periode, die wir die der Ruhe
und Betrachtung nennen können, in welcher der Gläubige über
die Güte des Herrn und über alle Segnungen, die ihm geschenkt
sind, nachdenkt.
Mein junger Freund, wenn du jung im Glauben bist, mag es
dem Herrn gefallen, dich vor einer Menge Versuchungen zu
bewahren. Aber bald mußt du dein Schwert ziehen. Die Sünde
ist in dir, und der Teufel lauert an verborgenen Plätzen, um
daran anzuknüpfen. Der Grund des Kampfes ist dieser: Die
neue Natur kommt in unser Herz, um es zu beherrschen, aber
der fleischliche Sinn ist keineswegs bereit, seine Macht
aufzugeben. Es ist ein neuer Thron in deinem Herzen
aufgerichtet, und der alte Monarch, der entthront und
geächtet ist, wird sich damit nicht ab finden.
Blicke auf den Herrn Jesus! Denke daran, daß er am Kreuz den
Sieg über den Feind errungen hat und daß dein alter Mensch
mit seinen Leidenschaften und Lüsten dort sein Ende gefunden
hat. Im Anschauen seines Sieges wirst du Sieg haben und Gott
danken können.
C.O.Rosenius
Ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das da
widerstreitet dem Gesetz In meinem Gemüte und mich
gefangennimmt in der Sünde Gesetz. Röm. 7, 23.
Hiervon haben wir leider gar zu deutliche Beispiele in
unserem mangelhaften Leben, sowohl hinsichtlich des Glaubens
als auch des Wandels. In meinem Gemüte habe auch ich dieses
Gesetz, daß ich alles glauben will, was mein allmächtiger
Gott gesagt hat, wenn es meiner blinden Vernunft auch noch so
unwahrscheinlich wäre. Aber wie geht es? In meiner blinden,
hochmütigen Vernunft ist ein anderes Gesetz, das mir
zuflüstert: ,,Dies und jenes ist unwahrscheinlich, ja,
unmöglich"; und wenn ich die Möglichkeit der Sache nicht
sehe, dann zweifle ich an Gottes Wort und ,,mache Ihn zum
Lügner". Das ist eine gräßliche Sünde, die ich nie begehen
wollte. Daß ich sie aber dennoch begehe, zeigt, daß ich ,,in
der Sünde Gesetz gefangengenommen werde". Oder wie steht es
damit, die Auferstehung unserer Leiber zu glauben? Deiner
Gesinnung nach hältst du das Wort des Herrn hierüber heilig
und wahrhaftig und Gott für allmächtig, alles tun zu können,
was Er will und was Er gesagt hat. Aber dann kommt ein
Augenblick, wo du deine Augen auf einige verweste Gebeine
heftest und dabei denkst: ,,Werden auch unsere Leiber
auferstehen? Nein, das ist unmöglich!" Dann hat das Gesetz,
das in deinen Gliedern ist, Augen und Vernunft, dich
gefangengenommen. Selbst dem Hauptartikel von der Vergebung
der Sünden widerfährt unaufhörlich dasselbe. Du hast deine
ganze Seligkeit in deinem Glauben an Jesu Blut, daß es uns
rein macht von allen unseren Sünden. Doch bevor du es noch
denkst, hast du schon angefangen, auf deine Sünde zu blicken,
unter der du am meisten leidest, auf ihre Ungebührlichkeit
und Unaufhörlichkeit, und du denkst: ,,Es müßte doch einmal
mit dieser Sünde ein Ende haben, ich sündige noch immer; wie
kann ich dann an die Gnade Gottes glauben?" So bist du bald
gefangen in dem Gesetz des Unglaubens und der Vernunft. Auch
wenn andere Nöte, Mängel und Bekümmernisse entstehen, sagt
dir das Gesetz in deinem Gemüte: ,,Hoffe auf Gott, Er ist ein
allmächtiger, treuer Vater. Fürchte dich nicht, glaube nur!"
Aber dann vernimmst du sogleich ein anderes Gesetz aus deinem
ungläubigen Herzen, welches sagt: ,,Diesem kann doch nicht
abgeholfen werden, es ist unmöglich, es ist vorbei" usw.
In dieser Weise erfahren wir unaufhörlich in unserem
Kleinglauben, wie das Gesetz in unseren Gliedern uns
gefangennimmt.
Und dies geschieht uns nicht nur mit dem Glauben und der
Hoffnung, sondern auch mit dem Wandel. Nach dem Gesetz in
meinem Gemüte halte ich Gottes Gebote nicht nur für heilig
und für wahrhaftig, sondern sie sind mir auch herzlich lieb.
Doch in einem Augenblick werden sie mir wie ein Nichts. Ich
kann Gottes Gegenwart weder bedenken noch schätzen. Es ist
mir, als ob es keinen Gott gäbe. Es geht mir, wie der
Apostel sagt: ,,Ich weiß nicht, was ich tue; denn ich tue
nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das tue ich."
Ich wollte unerschütterlich sanftmütig und mild sein, werde
aber plötzlich vom Zorn und von der Ungeduld ergriffen. Ich
wollte beständig rein und frei von allen sündlichen Begierden
sein, werde aber von der Sünde Gesetz gefangengenommen, so
daß ich tue, was ich hasse. Ich wollte gegen alle Menschen
demütig sein, wollte geduldig in Trübsal und uneigennützig
und himmlisch gesinnt sein; aber plötzlich bin ich aus meiner
rechten Gesinnung in einen Zustand versetzt, der mir ein
Rätsel und ein Schrecken ist. Das ist gerade das, was der
Apostel hier sagt: ,,Ich werde gefangengenommen in der Sünde
Gesetz, das in meinen Gliedern ist." Und wer kann sagen, wie
schlimm es dann zugehen kann?
Daß der Geist nun dennoch den Sieg behält, hängt davon ab,
daß die Seele trotz allem in der heiligen Gesinnung
verbleibt, die sich noch fortgesetzt gegen das Fleisch
erhebt, gegen die Sünde streitet und in der Reue und dem
Glauben wieder vor dem Gnadenthron aufgerichtet wird, die
aufs neue wieder Trost, Lust und Kraft zur Fortsetzung
des Wandels nach dem Geist empfängt. Es hängt davon ab,
daß man durch alle demütigenden Erfahrungen nur um so
gottesfürchtiger wird, seine Schwachheit und die furchtbare
Macht der Sünde immer tiefer erkennen lernt, sowie immer
dringender zum Gebet und zum Worte hingetrieben wird, um dort
Hilfe zu suchen. Wenn man aber immer mehr vom Gnadenthron
fernbleibt, sich in der Sünde wohlfühlt und sie zu
entschuldigen anfängt, dann zeugt das von einem Rückgang,
ja, von Schlaf oder Tod. - Wenn dagegen die Sünde dem Geist
immer erschrecklicher wird - und gerade die Sünde, die meinem
Fleisch am liebsten ist, so daß ich ihr gegenüber schließlich
alle anderen Sünden gering achte, mich selbst für den
unwürdigsten Sünder halte, die Gnade in Christus aber als
immer unentbehrlicher schätze -, dann zeugt dies davon, daß
der Geist unter allen Kämpfen immer gottesfürchtiger und
geheiligter wird. Kommt es dagegen wieder dahin, daß aller
Streit aufhört und ich mich nun so gut und fromm finde, wie
ich es sein will, dann ist dies gewiß ein Zeichen davon, daß
ich eingeschlafen bin und mich still dem Feind ergeben habe.
Wenn es in diesem Leben am besten geht, dann geht es so, daß
die Sünde nicht tot und müßig, sondern beschwerlich und
bedrückend ist, weil ich mich ihrem Willen nicht ergebe,
sondern wachend und betend gegen sie kämpfe. Aber dann wird
der Streit oft hart und die Not groß. Davon wissen die
bezauberten, schlafenden Menschen nichts, denn das ist der
Streit, der von denen geführt wird, die um eine Krone kämpfen
und bei denen das Gesetz allerlei Lust erregt hat.
Ich armer Mensch, kein Wunder, daß ich mich
Nach Freiheit von dem Leib des Todes sehne;
Der alte Sinn, der reget wieder sich,
Wenn ich ihn eben überwunden wähne.
Doch, Gott sei Dank! Der Sieg ist dennoch mein,
Und bald werd' ich die ew'ge Ruhe finden;
Mein neues Ich dient nicht der Sünde; nein,
Ich werd' in Jesu Kraft weit überwinden.