Röm 6,14
W.Nee
Die Sünde wird keine Herrschaft über euch haben; ihr steht ja
nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. Römer 6,14
Wenn Gottes Licht zum erstenmal in mein Herz scheint, flehe
ich um Vergebung, denn ich erkenne, daß ich vor ihm gesündigt
habe. Aber nachdem ich einmal Vergebung für meine Sünden
erlangt habe, mache ich eine neue Entdeckung, nämlich, daß
ich noch immer die Natur eines Sünders habe. Ich habe eine
innere Neigung zur Sünde, eine Sündenmacht, die mich treibt.
Wenn diese Macht losbricht, begehe ich Sünden. Ich mag
Vergebung suchen und erlangen, aber danach sündige ich von
neuem. So verläuft mein Leben in einem Teufelskreis von
Sündigen, Vergebung erlangen und wieder Sündigen. Zwar
erfreue ich mich der Vergebung dessen, was ich getan habe,
aber ich brauche mehr: Befreiung von dem, was ich bin. Ich
brauche das Kreuz Christi, das meine Bereitschaft, meine
Liebe zur Sünde an der Wurzel packt. Durch Christi Blut sind
meine Sünden getilgt, aber mich selbst und meine Neigung zur
Sünde tilgen, dazu hat nur sein Tod und seine Auferstehung
die nötige Kraft.
C.O.Rosenius
Die Sünde wird nicht über euch herrschen können, die ihr
ja nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade seid.
Röm. 6,14.
Der Apostel sagt hier, daß die Sünde nicht über die herrschen
können wird, welche unter der Gnade und nicht unter dem
Gesetz leben. Eine merkwürdige Versicherung. Aber worauf
beruht denn der Umstand, daß die Sünde keine Herrschaft über
uns haben wird, wenn wir nicht unter dem Gesetz, sondern
unter der Gnade sind? Das gründet sich auf zwei Tatbestände.
Der erste liegt in der Art des von der Gnade wiedergeborenen
Herzens, der zweite dagegen im Herzen und Ratschluß Gottes.
Wenn ein Mensch ,,durch das Gesetz dem Gesetz getötet ist"
und jetzt nur von der Gnade lebt, dann hat er damit auch ein
neues Herz erhalten, das Gott und Seinen Willen innig liebt
und die Sünde wirklich haßt, während er zuvor, als er unter
dem knechtischen Joch des Gesetzes einherging und diese
Vergebung nicht glaubte, sondern wegen seiner Sünde Gott
drohend und zornig zu sehen meinte, Ihn weder von Herzen
lieben noch die Sünde hassen konnte. Wegen der Drohungen
Gottes konnte er sich zwar vor der Sünde ängstigen und unter
ihr leiden, sie aber nicht wirklich hassen und verfluchen.
Weil Gott nur als drohend und zürnend vor seinem Auge zu
stehen schien, konnte er keine Liebe, keine Lust und Freude
zu Ihm haben und hing deshalb mit seiner Liebe an der Sünde,
die Er verdammte. Es ist so, wie ein Geistesmann einmal
bemerkt: ,,Unvergebene Sünde wird geliebt; nur die vergebene
Sünde wird gehaßt." Aber die Liebe ist die mächtigste Kraft
im Menschen. Der Gegenstand meiner Liebe beherrscht mich.
Liebe und Freude am Herrn und der Haß gegen die Sünde, die in
der Seele entstehen, die aus der Knechtschaft des Gesetzes in
das Reich der Gnade versetzt wird, sind zudem nicht nur eine
natürliche Gegenliebe, sondern wirklich ,,der Same Gottes" in
den Wiedergeborenen. Es ist der in den Herzen der Gläubigen
wohnende Heilige Geist Gottes. Einzig und allein dieser
Same Gottes überwindet, beherrscht und tötet die Sünde, ja,
bewirkt sogar, daß wir ,,nicht sündigen können", wie Johannes
sagt, nicht in der Sünde gedeihen und deshalb ,,uns nicht
begeben können", derselben zu dienen. Dies ist das erste,
was wir hier beachten müssen, um unseren Spruch zu verstehen.
Nun ist hier noch ein anderes Geheimnis. Wenn der Apostel
sagt, daß ,,die Sünde nicht herrschen können wird über
diejenigen, die nicht unter dem Gesetz, sondern unter der
Gnade sind", dann gründet sich diese Versicherung auf etwas
Höheres als auf unseren neuen, heiligen Sinn; sie gründet
sich auf Gott selbst. Das Geheimnis ist dieses: Wenn ein
Mensch ,,durch das Gesetz dem Gesetz getötet ist" und seinen
ganzen Trost nur in Gott und Seiner Gnade hat, dann ist er in
jenem schwachen, abhängigen Kindeszustand, für den Gott zu
haften übernommen hat. Indem der Apostel 2. Kor. 12 sagt:
,,Wenn ich schwach bin, so bin ich stark", spricht er dieses
Geheimnis aus. Es gründet sich nämlich auf das Verhältnis,
das der Herr mit den Worten ausgesprochen hatte: ,,Meine
Kraft ist in den Schwachen mächtig." Gottes Kraft erweist
sich nur in den Schwachen. Gott will Seine Kraft nicht den
Starken geben, die sich noch irgend welche Kraft zutrauen,
sondern nur denen, die mit aller ihrer eigenen Arbeit
zuschanden geworden sind und jetzt nur von der Gnade leben.
Diejenigen aber, die unter dem Gesetz sind und noch nicht
erschöpft und zunichte gemacht wurden, sondern noch selbst
etwas zur Beherrschung der Sünde meinen tun zu können,
arbeiten noch mit eigenen Kräften. Wenn sie auch Gott um
Kraft bitten, so streitet es doch gegen Seine Weisheit und
Gnadengesetze, ihnen diese Gnade zu einer Zeit zu verleihen,
in der sie im Innern noch auf ihre eigene Kraft hoffen, noch
nicht dem Gesetz getötet sind und nur auf Gnade leben.
Demjenigen, der oberflächlich auf die Frömmigkeit eines
selbststarken Menschen sieht, kann es scheinen, daß dieser
auch die Kraft Gottes gegen die Sünde besitze; der Herr aber
sagt, daß es nur eine äußere Reinheit und Schönheit gleich
der der übertünchten Gräber ist. Die innere Macht der Sünde
ist ihm noch nicht offenbart worden, weil er noch auf eigene
Kräfte und Beobachtungen hoffen kann; darum ist das innere
Verderben noch in ungebrochener Kraft. Ganz anders verhält
es sich mit solchen, die an sich verzweifeln und ihre ganze
Gerechtigkeit und Stärke nur in Christus haben. Für solche
zunichtegemachten, schwachen, abhängigen Kinder bürgt der
Herr selbst. Er tröstet sie und spricht: ,,Laß dir an Meiner
Gnade genügen, denn Meine Kraft ist in den Schwachen
mächtig!" Das ist der andere Tatbestand, weshalb der Apostel
versichern kann, daß die Sünde nicht über die herrschen
können wird, die nicht unter dem Gesetz, sondern unter der
Gnade sind.
Weil dies jedoch unser aller Vernunft ein Geheimnis ist, so
ist es ganz besonders notwendig, auf die Lehre, die der
Apostel uns hier gibt, achtzugeben, daß nämlich die Sünde nur
dann beherrscht werden kann, wenn man nicht unter dem Gesetz,
sondern unter der Gnade ist.
Du alleine hilfst mit Deiner Kraft
Und wirst Deine Jesuseigenschaft
An uns allen offenbaren
Und uns rein'gen und bewahren
Durch Dein teures Blut, den edlen Saft.