Röm 4,19
C.O.Rosenius
Und er (Abraham) ward nicht schwach im Glauben. Röm. 4,19.
Nicht schwach im Glauben. Das bedeutet also, daß er einen
sehr starken Glauben hatte. Das darf jedoch nicht so
verstanden werden, als hätte Abraham nie um den Glauben zu
kämpfen gehabt, oder als hätte nicht auch er eine Schwachheit
im Glauben gefühlt, an der andere Heilige gewöhnlich gelitten
haben. Der Apostel wußte wohl aus der Geschichte, daß
Abraham, als ihm die Verheißung erneuert wurde (1. Mose 17),
es nicht unterlassen konnte, auch an sein und der Sara hohes
Alter zu denken, als er mit einem Lächeln in seinem Herzen
sprach: ,,Soll mir, hundert Jahre alt, ein Kind geboren
werden?" Gerade jetzt fing er an, für Ismael zu reden, ebenso
wie er zuvor (Kap. 15) den Vorschlag machte, daß Eliesers
Sohn sein Erbe werden könnte. Da der Apostel aber trotzdem
sagt: ,,Er ward nicht schwach im Glauben", so gibt er uns
damit eine sehr heilsame Lehre von der Natur des Glaubens,
von seiner Stärke und seiner Schwäche. Wir meinen
gewöhnlich, die Stärke des Glaubens müßte sich in einem
beständig fröhlichen und freimütigen Geist beweisen, dagegen
bezeichne das Gefühl von Schwachheit, Furcht und Bekümmernis
einen schwachen Glauben. Hier können wir nun etwas anderes
lernen. Abraham hat einen starken Glauben gehabt und konnte
dennoch in Furcht und Angst versetzt werden. Die Stärke des
Glaubens beweist sich nicht in fröhlichen und lichten Tagen,
sondern während der Finsternisse und Anfechtungen. Ein
fröhlicher, freimütiger Sinn kann manchmal bedeuten, daß man
heilige Pflichten und drohende Gefahren leichtsinnig
übersieht, oder daß man mit lieblichen Gnadengefühlen
begünstigt ist. Mit wacher Aufmerksamkeit aber auf
beunruhigende Umstände und in Ermangelung aller fühlbaren
Gnade dennoch die Verheißungen des Herrn festhalten zu können
und auf Grund derselben getrost und fröhlich zu sein, das ist
gewiß ein Zeichen eines starken Glaubens.
Wenn man während der Finsternis und des Kampfes nicht
fröhlich und getrost ist, sich aber dennoch an die Treue und
Allmacht Gottes hält, dann ist es nicht weniger ein Zeichen
eines starken Glaubens. ,,Abraham war nicht schwach im
Glauben" bedeutet, daß er im Streit mit seiner Vernunft, die
ihm die Hoffnung rauben wollte, durch die Kraft Gottes doch
den Sieg behalten hat, so daß er in diesem Kampf beharrte,
sich an die Verheißung Gottes hielt und die Hoffnung in
seinem Herzen nicht verlor, sondern immer noch, wie
unwahrscheinlich es auch schien, auf die Erfüllung der
Verheißung wartete, bis endlich das Lächeln der Vernunft in
ein seliges Lachen des Schauens verwandelt wurde, als Saras
Kind vor seinen Augen lag und die glückliche Mutter ausrief:
,,Gott hat mir ein Lachen zugerichtet."
Der Apostel erklärt ferner, worin sich die Kraft von Abrahams
Glauben zeigte, indem er sagt: ,,Er sah nicht seinen eigenen
Leib an, welcher schon erstorben war, weil er schon
hundertjährig war, auch nicht den erstorbenen Leib der Sara."
- Zwar hat er die Last seines halb erstorbenen Leibes und
seiner hundert Jahre gespürt; der Feind und die Vernunft
haben ihn wohl an die Unfruchtbarkeit der Sara erinnert.
Aber seine Glaubenskraft bestand darin, daß er dies ,,nicht
ansah", seinen Blick nicht auf diesen niederdrückenden
Zuständen ruhen und sich nicht von ihnen gefangennehmen
ließ, wenn er auch mit dem Gedanken daran kämpfen mußte.
Er stellte allen Einwendungen der Vernunft die Allmacht und
Wahrhaftigkeit Gottes entgegen. Seine Stärke war: ,,Gott hat
es gesagt! Er, der die Toten lebendig macht und ruft dem,
das nicht ist, daß es sei." Gott hat es gesagt! Er, der die
Welt aus nichts erschuf und der nicht lügen kann. Das galt
mehr als sein und der Sara ,,erstorbener" Leib. Er glaubte
nicht an die Schwachheit der erstorbenen Leiber, sondern an
die Allmacht und Wahrhaftigkeit Gottes.
Ein vortreffliches Beispiel vom Glauben! Möchten auch wir
lernen, Ähnliches zu tun. Wer ein Christ sein und unter der
wundersamen Haushaltung Gottes im Glauben aushalten will, der
wird sich gewiß hierin üben müssen, nicht sein ,,erstorbenes"
Christentum, seinen absterbenden Glauben, seine absterbende
Liebe und sein absterbendes Gebet anzusehen, sondern
unausgesetzt die Augen auf Gottes Eigenschaften und
Verheißungen ruhen zu lassen. So ist es z.B. erforderlich,
daß du nicht auf deinen halbtoten Glauben, sondern auf Gottes
Treue, nicht auf deine halbtote Liebe, sondern auf Christi
Liebe, nicht auf dein kaltes und jämmerliches Gebet, sondern
auf Gottes feste Verheißung, nicht auf deinen ohnmächtigen
Streit in den Versuchungen, sondern auf die Macht der Stärke
Gottes", auf die Treue Gottes blickst, ,,der uns nicht über
unser Vermögen versuchen läßt."
Sei aber dessen gewiß, daß dies nicht so leicht verlaufen
wird, sondern daß es einen schweren Glaubenskampf erfordert,
die Vernunft zu töten, die uns beständig auf das hinweist,
was wir selbst sind, tun oder vermögen. Luther sagt: ,,Darum
liegt kein Zweifel ob, daß der Glaube und die Vernunft wegen
dieser Sache einen heftigen Streit in dem Herzen Abrahams
geführt haben; doch hat der Glaube endlich obgesiegt und
das Feld behalten, diesen greulichsten, schädlichsten Feind
Gottes, die Vernunft, überwunden und zu Boden geschlagen. So
müssen auch alle anderen gläubigen Menschen tun, welche mit
Abraham in das Dunkel und die verborgenen Finsternisse des
Glaubens hineingegangen sind. Und damit tun sie unserem
Herrgott das angenehmste Opfer und den größten Gottesdienst,
den Er jemals erhalten kann."
Gott ist wahrhaftig; Er kann nicht lügen;
Er ist kein Mensch, Sein Wort ist wahr.
Seine Verheißung wird nicht betrügen;
Das Amen bleibt mir immerdar.
Das ist des Glaubens Grund und Licht,
Wenn Sünd' und Teufel mich anficht.