Röm 4,3
C.O.Rosenius
Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit
gerechnet. Röm. 4, 3.
Wir erkennen hier, daß die Verheißung, der Abraham glaubte,
das Evangelium Gottes von Christus enthielt. Die Worte des
Textes ,,Abraham hat Gott geglaubt" finden wir bereits 1.
Mos. 15, 6. Doch sehen wir dort auf den ersten Blick nichts
anderes als die Verheißung der zahlreichen Nachkommenschaft
Abrahams. Was aber in dieser Verheißung mit inbegriffen lag,
das wußte Abraham durch eine frühere Verheißung (Kap. 12,
3), in der Gott erklärt hatte, daß ,,in seinem Samen alle
Geschlechter auf Erden gesegnet werden sollten". Dies war
eigentlich jene ursprüngliche Verheißung von einem Heiland,
die Gott unseren Eltern am Tage des Sündenfalls gegeben
hatte, jene Verheißung, an die alle Gläubigen, schon von dem
gerechten Abel an, geglaubt hatten und wodurch sie gerecht
geworden waren. Es war jene Verheißung, die dem Abraham so
oft wiederholt und immer wieder aufs neue gesagt wurde, daß
sie, obwohl nicht jedesmal erwähnt, doch als der eigentliche
Edelstein immer in den Verheißungen Gottes an Abraham
enthalten war. Das ist die eigene Erklärung des Apostels,
wie wir in Gal. 3 sehen können. Auch Christus nennt
ausdrücklich den Gegenstand für das Glaubensauge des Abraham,
über den dieser sich in seinem Glauben sogar freute. Der
Herr sagt: ,,Abraham, euer Vater, ward froh, daß er Meinen
Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich."
Wenn der Apostel hier hätte sagen wollen, daß der Glaube
selbst, als eine schöne Tugend des Menschen, dem Abraham zur
Gerechtigkeit gerechnet worden sei, dann hätte er durch eine
solche Andeutung mit einem Mal den eigentlichen Nerv in
seiner ganzen Rechtfertigungslehre zerschnitten. Es ist aber
gerade sein Vorhaben, an dieser Stelle zu zeigen, daß wir
ohne unser Verdienst oder Würdigkeit, nur durch Gottes Gnade
und durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen
ist, gerecht werden. Im folgenden Kapitel sagt er
ausdrücklich, daß wir nur durch Eines Gehorsam gerecht
werden. Gerechtigkeit ist nichts Geringeres als die
Erfüllung des Gesetzes. Soviel bewirkt selbst der Glaube
nicht. Zudem ist der Glaube an und für sich gerade eine
Verleugnung unseres Verdienstes. Denn wer an Christus
glaubt, bekennt dadurch, daß er selbst ungerecht, verloren,
ratlos sei, und darum umfaßt er ,,die Gerechtigkeit Gottes",
die Gesetzeserfüllung, die durch Christus geschehen ist. Der
Glaube muß ferner ein Wort von Gott zu umfassen haben, und
von dem Inhalt dieses Wortes hängt das ab, was wir durch den
Glauben empfangen. Wenn man dies nicht bedenkt, wird man die
Worte vom Glauben und von der Gerechtigkeit des Glaubens
stets mißverstehen.
Sieh hier ein Gleichnis! Ein verlorener Sohn lebt fern im
fremden Lande und leidet dort Not. Sein Vater verheißt ihm
ein großes, schönes Gut, wenn er zurückkehrt und dasselbe
annimmt. Der Sohn zweifelt lange und bleibt deshalb in
seiner Armut fern vom Vaterhaus. Endlich aber fängt er an,
den Worten seines Vaters zu glauben und eilt nach Hause, um
sein Gut zu empfangen. Jetzt ist er sofort glücklich und
reich. Sodann sagt er: ,,Ich war lange in Not. Daran war
mein Unglaube schuld. Als ich den Worten meines Vaters
glaubte, wurde ich glücklich und reich. Nur mein Glaube
machte mich reich." Wenn nun jemand solche Worte hören und
den Inhalt der Verheißung des Vaters nicht kennen und
bedenken würde, dann könnte er sie so auffassen, als ob
dieser Mann wegen seines kindlichen Vertrauens auf die
Worte seines Vater belohnt worden sei. Dann würde jedoch
derjenige, der die Umstände kennt, sagen: ,,Nein, beachte
den Inhalt der Verheißung, der er glaubte; dieser machte ihn
reich. Die Verheißung handelte von einem großen Gut, in dem
der eigentliche Reichtum besteht. Sein Glaube bewirkte nur,
daß er in den Genuß dieses Reichtums kam."
In solcher Weise müssen wir die Worte verstehen: ,,Abraham
hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit
gerechnet." Daß der Glaube ihn gerecht machte, hing von
dem mit dem Glauben umfaßten Gegenstand der Verheißung ab.
Dieser war Christus. Wollten wir die Worte nicht in dieser
Weise verstehen, dann müßten wir die Hauptlehre der Schrift
gänzlich verwerfen - alles das verwerfen und verachten, was
Gott uns vom Anfang der Welt her von einem Heiland und einer
Versöhnung in Seinem Blutverkündigte, alles das, was Gott
durch Engel und Propheten verkündigte, sowie durch den
levitischen Opferdienst und alle blutigen Opfer desselben
vorbildlich darstellte. Wir müßten den eigentlichen Inhalt
der Schrift, die Lehre von Christus, von dem Gehorsam
Christi, von Seinem Leiden, Seinem Tod und Seiner
Auferstehung mißachten. Alles das würde zunichte, wenn Gott
uns nur wegen der Tugend, daß wir glauben, Er sei wahrhaftig,
gerecht machen könnte. Daß der Apostel sich hier nicht
weiter erklärt hat (wie er es im folgenden Kapitel tut), wird
vor Gott gewiß keinen Menschen entschuldigen, der hier zu
einem neuen, gegen die Hauptlehre der Schrift streitenden
Gedanken Anlaß nehmen wollte. - Durch die ganze Heilige
Schrift hindurch offenbart sich die majestätische Größe
Gottes dadurch, daß Er das, was Er gesagt hat, nicht immer
wiederholt, sondern fordert, daß wir Seiner gegebenen
Erklärungen eingedenk sein und Ihn verstehen sollen.
Merk, Abraham selig ist durch Glaub' an Jesu Leiden!
Nicht Tugend hob ihn auf den Thron der Himmelsfreuden;
Nein, groß sind er und ich durch Jesu Tod und Blut;
Wer dies glaubt inniglich, hat freien, guten Mut.