Röm 3,25
C.O.Rosenius
Damit Er die Gerechtigkeit, die vor Ihm gilt, darbiete in
dem, daß Er Sünde vergibt, welche bisher unter göttlicher
Geduld geblieben war. Röm. 3, 25.
Was hier mit der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, gemeint
wird, erklärt der Apostel im folgenden Vers: ,,Auf daß Er zu
diesen Zeiten darböte die Gerechtigkeit, die vor Ihm gilt,
auf daß Er allein gerecht sei und gerecht mache den, der an
Jesus glaubt." Daß Er gerecht ist, während Er zu gleicher
Zeit diejenigen gerecht macht, welche glauben - das ist diese
Gerechtigkeit Gottes, die dadurch bewiesen werden sollte,
daß Er Seinen Sohn zu einem blutbesprengten Gnadenthron
vorstellte. Sie ist also hier Seine Richter-Gerechtigkeit.
In bezug auf zwei besondere Umstände aber wurde Gottes
Gerechtigkeit durch Christi Versöhnungstod erklärt und
bewiesen. Der erste (Vers 25) war die Nachsicht Gottes im
Alten Bund, oder wie die Worte des Apostels lauten: ,,Das
Übersehen der zuvor unter göttlicher Geduld geschehenen
Sünden" (Grt.). Der zweite (Vers 26) war der, daß Er die
Sünder, die an Christus glauben, auch ganz begnadigt und
,,gerecht macht".
Was den ersten Umstand betrifft, so scheint der Apostel sagen
zu wollen: Gott hat in den verflossenen Zeiten die Sünden
ohne eine volle, gesetzmäßige Strafe gelassen. Wenn Er
sofort Seine volle Strafgerechtigkeit gezeigt und mit den
Menschen nach Verdienst gehandelt hätte, dann hätte Er
sie von der Erde ausrotten - nicht nur alle Heidenvölker
vernichten, sondern auch mit Israel ein Ende machen müssen.
Dadurch wäre auch der Gnadenplan, der in Seiner Haushaltung
mit Israel lag, in bezug auf die ganze Menschheit zunichte
geworden. Während der ganzen der Sendung des Sohnes
vorangegangenen Zeit scheint Gott vergessen zu haben, die
Menschen nach ihren Sünden zu bestrafen, denn die ganze Welt
ruhte unter dem Schatten Seiner ,,Geduld". Als aber Christus
gekommen war, sollte diese Zeit der Nachsicht ein Ende haben,
und es sollte offenbar werden, was dieser Nachsicht zugrunde
gelegen hatte, als die göttliche Gerechtigkeit die volle
Strafe der Sünden in dem blutigen Tod des eingeborenen
Sohnes am Kreuz forderte.
Von dem anderen Umstand sagt der Apostel: ,,Auf daß Er in
diesen Zeiten darböte die Gerechtigkeit, die vor Ihm gilt,
auf daß Er allein gerecht sei und gerecht mache den, der an
Jesus glaubt." Hier ist von etwas anderem als von bloßer
Nachsicht die Rede. Hier wird von der vollen Gnade
gesprochen, daß Er den gerecht macht, der an Jesus glaubt.
Wie solches göttliche Gerechtigkeit oder Rechtmäßigkeit sein
kann, Sünder gerecht zu machen, das sollte der bittere,
blutige Tod Christi zeigen. O, welche herzerfreuenden Worte
sind das! Der Apostel sagt, daß Gott Seinen Sohn zu einem
Gnadenthron in Seinem eigenen Blut vorgestellt hat, auf daß
Er Seine Gerechtigkeit in der Rechtfertigung der Gläubigen
sehen ließe. Er hat eine gesetzmäßige Versöhnung gegeben,
auf daß Er zu gleicher Zeit ,,selbst gerecht sein und den
gerecht machen kann, der da glaubt". Hätte Er nicht eine
vollkommen gesetzmäßige Erlösung für alle unsere Sünden
zuwegegebracht, dann hätte Er nicht Sünder gerecht machen
und doch selbst vollkommen gerecht sein können; denn die
Gerechtigkeit forderte, daß die Sünder bestraft und nicht
gerecht gesprochen werden sollten. Nun aber, da eine
gesetzmäßige Versöhnung geschehen ist, kann Er zu gleicher
Zeit ,,selbst gerecht sein" und ,,den gerecht machen, der
an Jesus glaubt". ,,Jauchzet, ihr Himmel, und freue dich,
Erde!" Die Begnadigung der Sünder stimmt nun mit Gottes
Gerechtigkeit überein. Wenn es nicht so wäre, könnte ich
nicht im Glauben an die Gnade Gottes beharren. Es würde mir
immer scheinen, daß Gott meiner unaufhörlichen Sünden müde
werden müsse. Nun aber hat Er diese Maßnahmen getroffen,
durch die die Gerechtigkeit unsere Begnadigung fordert. Denn
es wäre nicht gerecht, zweimal dieselbe Schuld einzufordern.
Weil unsere Sünden durch das Blut Christi getilgt sind,
sollen sie nicht von uns gefordert werden, solange Gott
gerecht ist und solange das von Ihm für unsere Sünden
bestimmte Lösegeld nicht verworfen wird.
In der Versöhnung Christi ist also die Gerechtigkeit Gottes
in der Begnadigung und Rechtfertigung der Sünder in ein
klares Licht gestellt. ,,Niemand hat Gott gesehen; der
eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es
uns verkündigt." In Ihm leuchten die größten Eigenschaften
Gottes, Seine unendliche Barmherzigkeit und Seine vollkommene
Gerechtigkeit, hervor. Er gab der Gerechtigkeit alles das,
was sie fordern konnte, so daß sie - ebensowohl wie die
Barmherzigkeit - jedem gläubigen Sünder Gnade und Seligkeit
zusichern kann. Man wird und soll jetzt einsehen, daß Gott
nicht nur so gnädig, sondern auch so ,,treu und so gerecht
ist, daß Er die Sünden vergibt". Seine Gerechtigkeit hat,
statt sich an einem kleinen Teil seiner aus den letzten
Mitteln der Verarmten genommenen Forderungen genügen zu
lassen, sich nun an den reichen Bürgen gewandt und volle
Genugtuung erhalten. Wenn wir darum die Größe und
Erhabenheit dessen, der diese Genugtuung geleistet hat,
bedenken könnten, müßten wir sagen, daß die göttliche
Gerechtigkeit in Christi Tod nun wahrlich im höchsten Grade
verherrlicht worden ist.
Im Himmel und auf Erden tönt
Das neue Lied: ,,Wir sind versöhnt,
Gott und dem Lamm sei Ehre!"