Röm 2,23
C.O.Rosenius
Du rühmst dich des Gesetzes und schändest Gott durch
Übertretung des Gesetzes; denn eurethalben wird Gottes Name
unter den Heiden gelästert, wie geschrieben steht. Röm. 2,
23 u. 24.
Hier faßt der Apostel alles das, was er vorher in diesem
Kapitel gesagt hat und noch hätte sagen können, in eine
einzige zerknirschende Schlußbemerkung zusammen. ,,Du rühmst
dich des Gesetzes und schändest Gott durch Übertretung des
Gesetzes." Das heißt doch: Gerade dadurch, daß du dich des
Gesetzes Gottes rühmst und dennoch einen sündlichen
Lebenswandel führst, bringst du Unehre und Schmach über Gott
und Sein Wort; ,,denn eurethalben wird Gottes Name unter den
Heiden gelästert, wie geschrieben steht." Ihr lebt in einer
solchen Weise, daß die Heiden, die eure Werke sehen und dazu
hören, daß ihr euch der Erkenntnis des wahren Gottes und
Seines Gesetzes rühmt, denken müssen, daß dieser Gott und
dieses Gesetz nicht gut sein können, wenn ihr, die ihr Sein
Volk seid, so böse Werke tut. Bei euren eigenen Propheten
klagt Gott darüber und spricht: ,,Sie hielten sich wie die
Heiden, zu denen sie kamen, und entheiligten Meinen heiligen
Namen, daß man von ihnen sagte: Ist das des Herrn Volk?" Dies
ist der eigentliche Schwerpunkt in dieser zerknirschenden
Strafpredigt, die der Apostel den Juden hält.
Mit unserem Lebenswandel dem teuren Namen Gottes Schmach zu
bereiten, ist eine so furchtbare Sache, daß ein frommes Herz
bei dem bloßen Gedanken an die Möglichkeit, solches getan zu
haben, ganz vergehen müßte. Und hier sagt der Apostel nun
von den Juden, daß sie einen solchen Lebenswandel führten,
daß selbst die Heiden in der Finsternis sie strafen konnten
und daß sie um ihretwillen den Namen Gottes lästerten. Wie
hoch meinte der Jude wegen der vielen und großen Vorzüge über
den Heiden zu stehen! Wie blickte er mitleidig auf sie als
auf ,,Blinde", die in der ,,Finsternis wären", herab! -
Wenn man bedenkt, daß der Apostel ihm jetzt die Anklage
entgegenschleudert, daß selbst die Heiden um eben seiner
Sünden willen Gott verachten und lästern lernten, dann
muß man sagen, daß dies eine schrecklich zerknirschende
Gegenüberstellunq war. So muß das Menschenherz zerschlagen
und zunichtegemacht werden, wenn eine Neugeburt, eine wahre
Annahme des Heils und ein seliges Glaubensleben aus der im
Evangelium verkündigten Gnade zustande kommen soll. Dies war
auch die Absicht des Apostels mit dieser zerknirschenden
Predigt. Das hieß: ,,Dem Herrn den Weg bereiten, alle Berge
und Hügel erniedrigen." Er mußte in solcher Weise verwunden
und betrüben, auf daß sein herrliches Evangelium hernach um
so besser heilen und erquicken würde.
Was der Apostel hier von den Juden sagte, hat leider eine
allzu passende Anwendung auf die meisten Namenschristen,
besonders auf die Schriftgelehrten unter uns, also auf die
Lehrer, die sich selbst nicht lehren, sondern in ihrem
unbußfertigen Wesen weiterleben. Ach, daß ein jeder, der
diese Worte des Apostels liest, sie zu Herzen nehmen und
bedenken möchte, ob sie nicht auch ihn betreffen!
Du bist durch die heilige Taufe in den Bund Gottes
aufgenommen, du gehst vielleicht auch zum Sakrament des
Leibes und des Blutes Christi, du hast vielleicht eine gute
Erkenntnis des Christentums, so daß du zu anderen das Wort
Gottes richtig reden kannst und vielleicht auch von der
Notwendigkeit der Bekehrung oder von einem wahren Glauben und
einem heiligen Lebenswandel sprichst; aber wie ist es mit
deinem eigentlichen Wesen, wie mit deinem Herzen und Leben
bestellt? Das ist ja die rechte Anwendung des Textes, Lebst
du in der Buße zu Gott? ,,Keine Kreatur ist vor Ihm
verborgen." Er kennt sie. Lebst du in einer wahren
Glaubensvereinigung mit deinem Heiland? Lebst du in einer
täglichen Übung der Heiligung, dein eigenes Fleisch, seine
Lüste und Begierden zu töten? Oder besteht dein Christentum
etwa nur im Wissen und Reden, so daß du zwar sagst, man solle
Gott über alle Dinge lieben, lebst aber selbst noch in der
Verehrung deiner kleinen Götzen, ohne dich davor zu fürchten
oder am Gnadenthron darüber zu klagen? Vielleicht legst du
anderen alle Gebote Gottes aus und schärfst sie ihnen ein,
bist aber selbst ein Flucher? - Vielleicht bist du ein
Sabbatschänder? - Vielleicht lebst du im Haß gegen einen
Mitmenschen - oder in einem geheimen Laster? - Prüfe dich!
Das wäre eine entsetzliche Heuchelei!
Aber der Herr, der Allmächtige und Heilige, sieht es; Er
kennt dich. In dieser Weise ,,häufst du dir den Zorn auf den
Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes
Gottes", so wahr Gott nicht lügt. Und in dieser Weise gibst
du anderen Anlaß zur Lästerung und Verachtung der heiligen
Lehre, die du selbst bekennst. Deine Hausgenossen und
Nachbarn werden sich auf deine Gottlosigkeit stützen und sich
ihres unbekehrten Zustandes trösten. Du trägst also dazu
bei, diejenigen zu verderben und zu verhärten, um welcher
willen Christus gestorben ist. Das wird Er eines Tages von
dir fordern. Wenn du nur Seine Religion nicht bekenntest,
dann versündigtest du dich an dir selbst; jetzt aber
versündigst du dich an dem heiligen Namen des Herrn und
an Seinen Teuererkauften. Deshalb spricht der Herr: ,,Was
verkündigst du Meine Rechte und nimmst Meinen Bund in deinen
Mund, so du doch Zucht hassest und wirfst Meine Worte hinter
dich?"
So tief liegt man im Sündenkot
Und denkt, es habe keine Not;
Man rühmt, daß man von Irrtum frei
Und Gottes wahre Kirche sei.
Ihr unverschämten Mäuler, schweigt und wißt,
Daß solch ein Volk der Kirche Schandfleck ist.