Röm 1,16
A.Christlieb
Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht.
Römer 1, 16
Wir haben die Aufgabe, das Evangelium zu verbreiten. Darin
ist Paulus unser Vorgänger. Von ihm wollen wir immer wieder
lernen und zu seiner einfachen, klaren Art zurückkehren. -
Worin bestand die Botschaft von Paulus? Es war die
beglückende Kunde unserer Errettung durch die unverdiente
Güte Gottes in dem Herrn Jesus. Diese Botschaft war und
blieb allezeit das Thema des Paulus. Von dieser Gnade
unseres Herrn Jesu Christi predigte er sofort nach seiner
Bekehrung in Damaskus. Mit diesem Zeugnis trat er auf in
Jerusalem und Antiochien und trug es durch Asien und Europa.
Sein Wort aber hatte stets etwas Helfendes, Erfreuendes,
Beglückendes. Man kann über Jesus und das Evangelium Worte
machen und dabei den Hörern ein hartes, schweres Gesetzesjoch
auflegen. Des Paulus Predigt war immer eine gute Botschaft.
- Als zu Elias Zeiten das belagerte Samaria fast ausgehungert
war (2. Kön. 6), erschienen eines Morgens vier Aussätzige
vor dem Tor und riefen: ,,Wir sind zum Lager der Syrer
gekommen, und siehe, es ist da keine Menschenseele mehr zu
sehen. Die Rosse und Maultiere und Zelte stehen verlassen
umher." Das war ein Tag beglückender Botschaft! - Als die
Brüder Josephs ihrem alten Vater Jakob verkündigten: ,,Joseph
lebt noch und ist ein Herr über ganz Ägyptenland", war das
frohe Botschaft für den schwergeprüften Vater. - Laßt uns
den Heiland so predigen, daß die verhungerten Seelen merken:
Ich darf hinauseilen und Speise nehmen. Der Feind ist
geschlagen! Den Tiefbekümmerten wollen wir zurufen: Jesus
lebt! Er ist der Herr, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel
und auf Erden. Den Sklaven der Sünde wollen wir zurufen:
Jesus ist gekommen, die Werke des Teufels zu zerstören. Wen
er frei macht, der ist recht frei! Das ist frohe Botschaft
mitten in der Zeit, wo so viel Lastendes und Niederdrückendes
laut wird. - Sind wir Boten der Freude?
C.Eichhorn
Das Christentum nicht Kopfsache, sondern eine Lebensmacht
Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die da selig macht
alle, die daran glauben. Röm. 1, 16
Im Religionsunterricht und auf der theologischen Hochschule
merkt man leider meist nicht viel davon, daß das Evangelium
eine Gotteskraft ist. Jahraus, jahrein werden die Köpfe mit
Wissen gefüllt, die Herzen aber bleiben leer. Vielen jungen
Seelen wird das Christentum durch diesen kopfmäßigen Betrieb
verekelt. Der Wissensstoff bleibt ihnen innerlich fremd und
geht darum schwer ins Gedächtnis hinein, er wird nur
widerwillig eingeprägt. Man sollte den religiösen Lernstoff
auf ein Mindestmaß beschränken. Wenn jemand zum geistlichen
Leben erweckt wird, lernt er Lieder und Bibelsprüche mit
Lust, weil Kopf und Herz nun einstimmig sind.
Einer, der viele Jahre ganz gottfremd war, keine Kirche
besuchte, keine Bibel zur Hand nahm, wurde von der Gnade
ergriffen. Er lernte nicht nur einzelne Sprüche, sondern
ganze biblische Bücher auswendig und konnte, als er auf
seinem letzten Krankenlager nicht mehr zu lesen imstande war,
sich den ganzen Hebräerbrief vorsagen. - Kein Wunder, wenn
ein nur gelernter Glaube unter den Stürmen des Lebens wie
Spreu verfliegt oder viele den Glauben an die Bibel sich
schnell rauben lassen! Fehlt doch die eigentliche
Glaubenserfahrung. Es sollten aber nur solche Gottes Wort in
den Mund nehmen und lehren, die das Wort an ihrer eigenen
Person zur Kraft werden ließen. Dann ist kein klaffender Riß
zwischen Lehre und Leben. Die Hörer und Schüler haben ein
deutliches Empfinden dafür, ob einer auch wirklich glaubt,
was er lehrt, und es auslebt. Wenn das Christentum in der
Person seines Verkündigers verkörpert ist und es sich nicht
nur in Worten, sondern als Geist und Leben kundgibt, dann
wird sein Leben wieder Leben wecken. Die Gottesworte in der
Bibel sind nach Luther nicht "Leseworte", sondern
"Lebeworte". - "Das Wissen bläht auf", sagt der Apostel.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten waren sehr wissensstolz
und sahen auf das unwissende Volk mit Verachtung herab. "Das
Volk, das vom Gesetz nichts weiß, ist verflucht." So gibt es
auch unter uns Menschen, die sich auf ihre Bibelkenntnis
etwas zugute tun. Sie haben viel religiösen Stoff in sich
aufgespeichert, sich auch in die christlichen Wahrheiten bis
zu einem gewissen Grad hineingedacht, ohne doch in die
Geheimnisse Gottes einzudringen.
- Nicht das Wissen, sondern das Gewissen entscheidet, das
Gewissen, an welches das Evangelium sich wendet, um von
diesem Punkt aus das ganze Wesen zu erneuern. "Das Reich
Gottes besteht nicht in Worten, sondern in Kraft." Das
Christentum ist eine Lebensmacht. Es will nicht nur die
Köpfe aufhellen, sondern eine Wiedergeburt des ganzen
Menschen bewirken nach Verstand, Willen und Gefühl. Das
Evangelium ist eine Kraft, die neue Menschen schafft, deren
Denken, Wollen und Fühlen ganz anders geartet ist denn zuvor.
Wer sich mit dem Hören, Lesen und Wissen begnügt, befindet
sich in einem gefährlichen Selbstbetrug.
C.O.Rosenius
Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht.
Röm. 1,16.
Man könnte hier fragen, weshalb der Apostel eigentlich diese
Bemerkung macht, da doch das Evangelium nicht etwas ist,
dessen man sich zu schämen braucht. Gott hat es uns vom
Himmel herab gegeben, es ist also das Ehrenvollste, was es
auf Erden gibt. Weshalb sagt der Apostel dann, daß er sich
nicht schäme? Ohne Zweifel deshalb, weil Menschen sich
desselben doch zu schämen pflegen.
Hier werden gewiß viele meinen, daß dies nur zur Zeit des
Apostels der Fall sein konnte, wo die ungläubigen Juden und
die Heiden die Herrlichkeit des Evangeliums nicht kannten und
deshalb auch in ihrer falschen Weisheit verachteten. Es ist
gewiß wahr, daß es sich zur Zeit des Apostels so verhielt,
daß das Evangelium Gottes ,,den Juden ein Ärgernis und den
Griechen eine Torheit war", weil die Juden Zeichen forderten
und die Griechen nach Weisheit fragten. Ganz ebenso aber
geht es auch jetzt zu. Das Evangelium Christi ist auch heute
ein Ärgernis und eine Torheit sogar für viele von denen, die
auf Seinen Namen getauft sind.
Die menschliche Natur ist zu allen Zeiten und an allen Orten
dieselbe, trotz aller äußeren Veränderungen. Darum läßt das
ganze Wort Gottes sich auch zu allen Zeiten und auf alle
Völker anwenden, sie seien Juden oder Heiden, Mohammedaner
oder Namenchristen. Es trifft überall zu, was der Apostel
sagt: ,,Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste
Gottes; es ist ihm eine Torheit und kann es nicht erkennen."
Und nicht nur das, sondern das Evangelium Christi ist
in jeder Beziehung auch im schärfsten Kampf gegen alles
in unserer Natur Liegende. Im Evangelium wird das
angegriffen, was der Mensch am meisten liebt, nämlich seine
Unabhängigkeit. Da wird eine unbedingte Unterwerfung des
Verstandes und des Willens unter das Wort Christi gefordert.
Da werden jede Hochmutseinbildung und alles Selbstvertrauen
gründlich zu Boden geschlagen. Da wird Gott allein groß und
der Mensch nur ein armer Bettler. Das kann der Menschennatur
nie gefallen, sondern bedeutet ihr nur Pein und Tod. Hier
liegt darum auch der Grund, weshalb Jesu Worte und Seine
wahren Zeugen stets von allem gehaßt sein müssen, was nicht
aus Gott geboren ist. Darum sagte der Herr auch so oft zu
Seinen Jüngern, daß sie sich darauf vorbereiten sollten, um
Seines Namens willen von allen Menschen gehaßt zu werden;
und Er erklärte, daß es nicht wohl um sie stände und daß
sie nicht Seine wahren Jünger seien, wenn sie nicht dieses
Zeichen hätten, daß es ihnen wie dem Meister erginge. Es ist
nicht das wahrhaftige und das reine Evangelium Christi, wenn
die Welt es lieben kann und wenn es nicht verspottet und
angetastet wird.
Da nun aber ein Feind des Evangeliums nie dafür gehalten sein
will, das Gute und Richtige zu hassen, so muß die Feindschaft
sich immer mit dem Schein des Eifers für die Wahrheit umgeben
und deshalb auch Christi Sache als Torheit oder als etwas
Falsches und Böses schmähen, das getadelt und verabscheut zu
werden verdient. Da Jesu Jünger und Freunde immer die kleine
Schar, nur einige wenige Verachtete sind, während die Welt,
die sie schmäht, die große tonangebende und angesehene Schar
ist, so kann man leicht verstehen, daß es immer zu einer
schweren Versuchung wird, sich Seiner und Seines Wortes
zu schämen. Ach, es wird für manchen Christen ein
unaussprechlich harter Kampf, um Christi willen der Achtung
der ganzen Welt zu entsagen, ein Tor zu werden und sich von
seinen Nächsten und Freunden und der ganzen bürgerlichen
Gesellschaft verachtet und aufs ärgste geschildert zu sehen.
Wir haben doch auf Erden nichts Kostbareres als die Achtung,
die Freundschaft und das Vertrauen der Menschen. Jetzt
sollen wir allem entsagen. Um solches immerfort zu ertragen,
ist ein göttliches Werk an der Seele erforderlich. Wir reden
hier nicht von jener Frömmigkeit, die von der Welt gebilligt
und geachtet werden kann, sondern von der wahren, echten
Nachfolge Christi, die unbedingt der Welt ein Ärgernis und
eine Torheit sein muß, so wahr Christus gesagt hat: ,,Der
Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie Mich
verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen;" als wollte
Er sagen: Geben sie vor, daß sie euch wegen eines Fehlers,
z. B. wegen eines Mangels an Demut, Sanftmut usw. hassen,
so wißt, daß Ich ,,sanftmütig und von Herzen demütig" war,
und dennoch haben sie Mich gehaßt.
Schämest du dich deines Heilands,
Seines Kreuzes, Seiner Schmach?
Ach, Er schämte sich nicht deiner,
Als Sein Herz für dich einst brach.
Wagst du nicht, daß andre merken,
Daß dir Jesu Name lieb?
Er am Kreuz hat mehr gewaget,
Als die Lieb' in Tod Ihn trieb.
Fürchtest du der Welt Gespötte?
Ach, dein Heiland, Herr und Gott
Hat viel Spott und Hohn ertragen,
Als er litt für deine Not.
Willst du deiner selbst hier schonen,
Ruh zu haben kurze Zeit?
Ach, dein Heiland sich nicht schonte
Einst für dich im heißen Streit.
,,Wer sich Mein und Meiner Worte Schämet",
also Jesus spricht,
,,Dessen werd' Ich Mich auch schämen,
Wenn Ich komme zum Gericht."
Laß dich warnen, der du schämest
Dich des Heilands, der so gut;
Schäm' dich nicht, dich zu bekehren!
Laß dich retten durch Sein Blut!