Apg 24,2
A.Christlieb
Die Rede des Tertullus.
Apostelgeschichte 24, 2 - 8.
Viele möchten gerne die Kunst lernen, andere Menschen auf
ihre Seite zu bringen. Da gibt es eine göttliche und eine
ungöttliche Weise, dies zu erreichen.
Die göttliche Weise sehen wir beim König Asa in seiner guten
Zeit. Da hieß es von ihm: ,,Eine Menge auch aus Israel
fiel ihm zu, weil sie sahen, daß der Herr mit ihm war"
(2. Chronika 15, 8. 9). Nicht fragwürdige Lockmittel waren
es, mittels deren er seinen Anhang gewann. Er wirkte durch
seinen festen, entschiedenen Wandel vor Gott, zu dem der Herr
sich bekannte.
Bei David sehen wir Ähnliches. Er flehte zum Herrn: ,,Ach,
daß sich müßten zu mir halten, die dich fürchten und deine
Zeugnisse kennen" (Psalm 119, 79).
Es gibt aber auch eine ungöttliche Art, Anhang zu gewinnen.
Wir finden sie bei den ,,hohen Aposteln", die sich bei den
Galatern angenehm machen und die Brüder für die Beschneidung
gewinnen wollten. Das abschreckendste Beispiel stellt uns
der Heuchler Absalom vor Augen, der seinem Vater David ,,die
Herzen Israels stahl".
Auch bei Tertullus beobachten wir eine verkehrte Art, Einfluß
zu gewinnen. Ihm, wie auch den Juden, die er vertrat, kam
alles darauf an, den römischen Landpfleger Felix auf ihre
Seite zu ziehen und ihn gegen Paulus einzunehmen. Drei
K u n s t g r i f f e waren es besonders, durch die Tertullus
den Landpfleger zu gewinnen suchte.
I.
S c h m e i c h e l e i !
,,Daß wir in großem Frieden leben unter dir, und viel
Wohltaten diesem Volk widerfahren durch deine Vorsichtigkeit,
allerteuerster Felix ..."
Daß diese Worte nicht mit der Wahrheit übereinstimmten, zeigt
schon ein Blick auf den Schrecken des Felix bei Pauli Worten
über Gerechtigkeit und Keuschheit in unserem Kapitel (Vers
25). Einen solchen ungerechten Wollüstling und eigennützigen
Aussauger des Volkes mit den Worten von Tertullus anzureden,
war niedrige Schmeichelei. Aber was kümmerte das den
Tertullus! Wenn er nur seinen Zweck erreichte und den
Landpfleger auf seine Seite zog.
Freunde, sind wir nicht oft in Gefahr, dieses schändliche
Mittel der Schmeichelei auch anzuwenden? Wie oft werden
höheren Personen, die sich in wichtiger Stellung befinden,
einige angenehme, erhebende Anerkennungsworte gezollt, um sie
für irgendeinen Zweck zu gewinnen.
Weg mit dieser Schlangenart. Wir haben dem König der
Wahrheit unser Leben geweiht. Weg mit allen
Schmeichelworten. Wir wollen im L i c h t wandeln.
II.
Das zweite Mittel zur Gewinnung des Landpflegers war die
V e r l e u m d u n g und boshafte Herabsetzung des Paulus.
Tertullus fährt fort: ,,Wir haben diesen Mann gefunden
schädlich (wörtlich: pestbringend), und der Aufruhr erregt
alle Juden auf dem ganzen Erdboden, und einen Vornehmsten
der Sekte der Nazarener". Dieselbe Zunge, welche vorher
süß schmeichelte, kann jetzt boshaft verleumden.
Ach, daß unser Herz so mit Liebe erfüllt würde, daß man
niemals ein liebloses Urteil aus unserem Munde vernähme!
Ach, daß wir niemals einen anderen herabzusetzen suchten,
nie wie Diotrephes mit bösen Worten über Johannes plauderten,
nie mit Afterreden unsere Zunge befleckten, wie Petrus auch
,,die erwählten Fremdlinge hin und her" noch warnen muß
(1. Petrus 2, 1).
III.
Das dritte Mittel ist die V e r d r e h u n g d e r
T a t s a c h e n . Tertullus fährt fort: ,,Paulus hat
auch versucht, den Tempel zu entweihen; welchen wir auch
griffen..." Die Bibel erzählt uns, wie Paulus sich im Tempel
aufrichtig unter das Gesetz beugte, wie auch die Meinung, er
habe Griechen in das Innere des Tempels gebracht, eine leere
Vermutung seiner Feinde war. Aber Tertullus schildert die
ganze Sache nicht mit der Absicht, dem Felix ein lauteres,
sachliches Bild von dem Sachverhalt zu geben, sondern um
jeden Preis den römischen Beamten gegen Paulus einzunehmen.
Ob seine Worte wahr sind oder nicht, ist ihm Nebensache.
Er hat ja Zeugen neben sich, die ihm unbedenklich zustimmen.
Freunde, laßt uns nicht zu hart über diese Juden urteilen.
Sie waren in innerer Erregung gegen Paulus. Sie glaubten,
die alte, bewährte Weise der Väter gegen diese Neuerer
schützen zu müssen. Daher reißt sie ihr blinder Eifer zur
Verdrehung der Wahrheit fort.
Laßt uns bei der Schilderung von Begebenheiten, die uns im
innersten Herzen bewegen, scharf aufpassen, daß wir nie über
die Grenze der Wahrheit hinausgehen. Gott bekennt sich nie
zur Lüge!
Laßt uns Pauli Art annehmen, der, ohne zu schmeicheln, die
Wahrheit schlicht darstellt. Diese Art wird den bleibenden
Sieg behalten.